LITERATUR

 

 


Klimawandel


Greta Thunberg

Ich will. dass ihr in Panik geratet

Meine Reden zum Klimaschutz



Jonathan Franzen

Wann hören wir auf, uns etwas vorzumachen

Gestehen wir uns ein, dass wir die Klimakatastrophe nicht verhindern können


Sven Plöger

Zieht euch warm an, es wird heiß!

Den Klimawandel verstehen und aus der Krise für die Welt von morgen lernen


Harald Lesch, Klaus Kamphausen

Wenn nicht jetzt, wann dann?

Handeln für eine Welt, in der wir leben wollen


Harald Lesch, Klaus Kamphausen

Die Menschheit schafft sich ab

Die Erde im Griff des Anthropozän




Frieden

 

Catherine Belton
Putins Netz

Wie sich der KGB Russland zurückholte und dann den Westen ins Auge fasste


Masha Gessen

Der Mann ohne Gesicht 

Wladimir Putin

Eine Enthüllung



Dalai Lama

Seid Rebellen des Friedens

Der neue Appell an die Welt

 

 

 

Barbara von Meibom

Deutschlands Chance

Mit dem Schatten versöhnen

 

 

 

 

 

Friedenspreisträger  des deutschen Buchhandels

 

 

2018

Jan Assmann

Totale Religion

Ursprünge und Formen puritanischer Verschärfung

 

 

 

2016

Carolin Emcke

Gegen den Hass

 

 

2015

Navid Kermani

Ansprache aus Anlass der Verleihung des Friedenspreises

 

Tsültrim Allione

Den Dämonen Nahrung geben

Buddhistische Techniken der Konfliktlösung



 

 

Aktuelle Hinweise


Johannes Rösner

 Auf der Spur des unbekannten Gottes

Freiburg 2022



Peter Trummer
Den Herzschlag Jesu spüren
Freiburg 2022



Malte Thiesen

Die immunisierte Gesellschaft

Impfen in Deutschland  im 19. und 20. Jahrhundert

Göttingen 2017



Klaus Berger

Schweigen

Eine Theologie der Stille

Freiburg 2021


Kyriakos C. Markides

Der Berg des Schweigens

Begegnung mit einem christlichen Meister



Faten Murkaker

Leben zwischen den Grenzen

Ein christliche Palästinenserin 

berichtet. 


Stefan Bauberger, SJ

Glück ohne Ratgeber

Eine Philosophie des Gelingens


 

Gerald Hüther

Würde

Was uns stark macht - als Einzelne und als Gesellschaft

 

Jaffa Zins

Scheindele

Gedichte

 

"Als Überlebende des Holocaust wurde ich Zeugin dessen, was der Mensch dem Menschen antun kann. Das spiegelt sich in meinen Gedichten wieder. Meine Gedichte helfen mir das andere Licht  im dunklen Tunnel der Schöpfung zu finden."

 





 

Gehmeditation & Pilgern

 

Thich Nhat Than

Einfach Gehen

Über das Gehen

Gehmeditaton

 

 

 

Erwin Döll

Markus Hillinger

Das Zen des glücklichen Wanderns

Schritt um Schritt zu sich selbst kommen

 

 

 

Franz Alt u.a.

Aufbruch zur Achtsamkeit

Wie Pilgern mein Leben verändert.

 

 

Gisbert Greshake

Gehen

Wege, Umwege, Kreuzwege

 

 

 

 

 

Klaus Bovers

Christine Paxmann

Kraftquelle Gehen

Gehen und Lebensglück

 

 

 

 

 

White Plume Sangha

Zen

 

 

Bernard Glassman

Zeugnis ablegen

Buddhismus als engagiertes Leben

  

Bernard Glassman

Anweisungen für den Koch

Lebensentwurf eines Zen-Meisters

 

Taizan Maezumi Roshi

Bernard Tetsugen Glassman Roshi

Erleuchtung, was ist das?

 

 

 

Bernard Glassman

Das Herz der Vollendung

Unterweisungen eines westlichen Zen-Meisters

 

Bernard Glassman

Konstantin Wecker

Die revolutionäre Kraft des Mitgefühls

Liedermacher meets Zen

 

 

Kathleen Battke (Hg.)

Ascheperlen

Pearls of Ash & Awe

20  Years of Bearing Witness in Auschwitz with Bernie Glassman & Peacemakers

 Friedenspraxis in Auschwitz

 

 

 

 

 

Sanbo Kyodan

Kamakura

 

 Koun Yamada

 

 Koun Yamada

 Das Tor des Zen

 Grundlagen und Praxis

 

 

 

Hugo Enomiya Makibi Lassalle, SJ


 H. M. Enomiya-Lassalle, SJ

Erleuchtung ist erst der Anfang

Texte zum Nachdenken


H. M. Enomiya-Lassalle, SJ

Mein Weg zum Zen

 

H. M. Enomiya-Lassalle, SJ

ZEN Unterweisung

 

H. M. Enomiya-Lassalle, SJ

Leben im neuen Bewusstsein

Ausgewählte Texte zu Fragen der Zeit

 

H. M. Enomiya-Lassalle, SJ

Am Morgen einer besseren Welt

Der Mensch im Durchbruch zu einem neuen Bewusstsein

 

H.M. Enomiya-Lassalle, SJ

ZEN - Weg zur Erleuchtung

Einführung und Anleitung

 

 

 

 

 

 

Glassman-Lassalle Linie

Via Integralis

 

 

Niklaus Brantschen, SJ

Pia Gyger

Mit Bernhard Stappel, Hildegard Schmidtfull, Marcel Steiner

Via Integralis

Wo Zen und christliche Mystik sich begegnen

Ein Übungsweg

 

Niklaus Brantschen, SJ

Auf dem Weg des Zen

Als Christ Buddhist

 

Pia Gyger

Mensch verbinde Erde und Himmel

Christliche Elemente einer kosmischen Spiritualität

 

 

Pia Gyger

Maria - Tochter der Erde und Königin des Alls

Vision einer neuen Schöpfung

 

 

Pia Gyger

Hört die Stimme des Herzens

Werdet Priester und Priesterinnen der kosmischen Wandlung

 

 

Dieter Wattenweiler

Der wahre Mensch ohne Rang und Namen - Zen im Westen

 

 

 

Anna Gamma

Ruhig im Sturm

Zen-Weisheiten für Menschen, die Verantwortung tragen

 

 

 

Herzgrund Sangha

Zen


 Stefan Bauberger, SJ

Glück ohne Ratgeber

Eine Philosophie des Gelingens


Stefan Bauberger, SJ

Der Weg zum Herzgrund

Zen und die Spiritualität der Exerzitien

 

 

 

Bodhi-Sangha

Zen

 

 

AMA Samy, SJ

ZEN - Der große Weg ist ohne Tor

 

AMA Samy

Zen und Erleuchtung

Zen-Meditationen eines Zen-Meisters


AMA Samy

ZEN

Erwachen zum ursprünglichen Gesicht

 



ZEN

 

Ruben Habito

Zen leben - Christ bleiben

 

Shunryu Suzuki

Seid reine Seide und scharfer Stahl

Das geistige Vermächtnis des großen ZEN-Meisters

 

Shunryu Suzuki

Zen-Geist

Anfänger-Geist

 

Thich Nhat Hanh

Das Herz von Buddhas Lehre

Leiden verwandeln - Die Praxis des glücklichen Lebens

 

Ajahn Brahm

Die Kuh, die weinte

Buddhistische Geschichten über den Weg zum Glück

 

 

Ajahn Brahm

Der Elefant, der das Glück vergaß

Buddhistische Geschichten, um Freude in jedem Moment zu finden.

 

Kodo Sawaki

Zen ist für nix gut

 

Kodo Sawaki

Zen ist die größte Lüge aller Zeiten

 

Karl Brunnhölzl

Das Herzinfarktsutra

Ein neuer Kommentar zum Herzsutra

 

 

Wüstenväter & Wüstenmütter

Orthodoxe Spiritualität

 

 

Weisung der Väter 

Apophtegmata Patrorum

Gerontikon

Sophia, Quellen östlicher Theologie, Bd. 6

 


Philokalie der heiligen Väter der Nüchternheit

Band 1 bis 7


 

Martirij Bagin und Andreas A. Thiermeyer

Meterikon

Die Weisheit der Wüstenmütter

 

 

Gabriele Ziegler

Die Wüstenmütter

Weise Frauen des frühen Christentums

 

 

Matthias Dietz (Hrsg.)

Kleine Philokalie

Belehrungen über das Gebet

 

Martin Tamcke

Im Geist des Ostens leben

Orthodoxe Spiritualität und ihre Aufnahme im Westen

 

Hans Conrad Zander

Als die Religion noch nicht langweilig war

Die Geschichte der Wüstenväter

 

 

Jakobus Kaffanke, OSB, Cyrill Schäfer u.a.

Das Schauen Gottes wieder erlangen

Kontemplation als Leben des inneren Menschen und als Herz des Mönchtums

 

Evagrius Ponticus

Praktikos 

Über das Gebet

Schriften zur Kontemplation Münsterschwarzach

 

Evagrius Ponticus

Über die acht Logismoi

Schriften der Väter, Bd. 3 

Hrsg. Gabriel Bunge und Jakobus Kaffanke



 Herzensgebet


Emmanuel Jungclaussen

Unterweisung im Herzensgebet

Schriften des Patristischen Zentrums Koinonia - Oriens,

Band 46

 


Aufrichtige Erzählungen eines russischen Pilgers

Hrsg. Emmanuel Jungclaussen


Kallistos Ware

Emmanuel Jungclaussen

Hinführung zum  Herzensgebet


Starez Theophan der Einsiedler

Schule des Herzensgebetes


Das immerwährende Herzensgebet

Ein Weg geistiger Erfahrung

Russische Originaltexte

Hrsg. von Alla Selawry



Alphonse und Rachel Goetmann

In deinem Namen ist mein Leben

Die Erfahrung des Herzensgebetes


Die Centurie der Mönche 

Kallistus und Ignatius

Das  Herzensgebet

Mystik und Yoga der Ostkirche



Emmanuel Jungclaussen

Die Höhle des Herzens

Mantra-Praxis und Namensgebet

Hrsg. Willi Massa

Beiträge von Siegfried Scharf, Martin Küpper, willi Massa, Franz Xaver Jans




Kontemplation Karmel

 

 

 

Edith Stein

Kreuzeswissenschaft

Studie über Joannes a Cruce

 

Hanna-Barbara Gerl

Unerbittliches Licht

Edith Stein

Philosophie-Mystik-Leben

 

Edith Stein

Wege der Gotteserkenntnis

Studie über Dionysius Areopagita

 

Waltraud Herbstrith (Hrsg.)

Edith Stein

Aus der Tiefe leben

Ein Textbrevier

 

Teresa von Avila

Wohnungen der inneren Burg

 

Teresa von Avila

Das Buch meines Lebens

Autobiographie

 

Teresa von Avila

Weg der Vollkommenheit

 

Peter Dyckhoff

Aus der Quelle schöpfen

Das innerliche Gebet nach Teresa von Avila

 

Teresa von Avila

Gedanken zum Hohelied

 

Teresa von Avila

Ich bin ein Weib und obendrein kein gutes

Portrait der Heiligen in ihren Texten

 

Erika Lorenz

Weg in die Weite

Die drei Leben der Teresa von Avila

 

 

Johannes vom Kreuz

Empor den Karmelberg

 

Johannes vom Kreuz

Der geistliche Gesang

 

Johannes vom Kreuz

Die dunkle Nacht

 

Johannes vom Kreuz

Lebendige Liebesflamme

 

Johannes vom Kreuz

Worte von Licht und Liebe

 

 

 

 

Kontemplation Zisterzienser

 

 

 

Bruno Fromme (Hrsg.)

Die neue Spiritualität der Zisterzienser im 12. Jahrhundert

 

 

Bernhard von Clairvaux

Sämtliche Werke 

Bände V+VI

Sermones super Cantica  Canticorum

Predigten über das Hohelied

lateinisch-deutsch

 

Bernhard von Clairvaux

Rückkehr zu Gott

Die mystischen Schriften

 

Bernhard von Clairvaux

Das Herz weit machen

Kontemplation und Weltverantwortung

 

Bernhard von Clairvaux

Weil mein Herz bewegt war

 

Bernhard J. Vosicky

Bernhard über Bernhard

Geistliche Lehren des heiligen Bernhard von Clairvaux

 

Gerhard Wehr, Hg.

Der Mystiker Bernhard von Clairvaux

 

Wolfgang Buchmüller, Hg.

Von der Freude, sich Gott zu nähern

Beiträge zur zisterziensischen Spiritualität

 

 

 

Kontemplation

 

 

 

Willi Massa (Hrsg.)

Wolke des Nichtwissens

Brief persönlicher Führung

Anleitung zur Meditation

 

 

Richard Rohr

Pure Präsenz

Sehen lernen wie die Mystiker

 

 

 

Richard Rohr

Wer loslässt, wird gehalten

Das Geschenk des kontemplativen Gebetes

 

 

Franz Jalics

Der kontempative Weg

Ignatianische Impulse

 

 

 

Simon Peng-Keller

Kontemplation

Einübung in ein achtsames Leben

 

 

 

Gerhard Wehr

Nirgend Geliebte wird Welt sein als innen

Lebensbilder der Mystik im 20. Jahrhundert

 

 

 

 

Willigis Jäger

Kontemplation

 

 

 

 

 

Islam


Navid Kermani
Gott ist schön
Das ästhetische Erleben des Koran



Navid Kermani
Jeder soll von da, wo er ist, einen Schritt näher kommen

Fragen nach Gott


Annemarie Schimmel Hg.
Sufi - Liebe zu dem Einen
Texte aus der mystischen Tradition des Islam




Interreligiöses

 

 

Sebastian Painadath, SJ

Der Geist reißt Mauern nieder

Die Erneuerung unseres Glaubens durch interreligiösen Dialog

 

Sebastian Painadath, SJ

Wir alle sind Pilger

Gebete der Welt

 

 

 

Sebastian Painadath, SJ

Das Sonnengebet

 

 

 

 

 

 

 

Integrales Denken

 

Teilhard de Chardin

Das göttliche Milieu

Ein Entwurf des Innern Lebens

 

Teilhard de Chardin

Das Herz der Materie

Kernstück einer genialen Weltsicht

 

 

 

Ken Wilber

Integrale Spiritualität

 

 

 

Ken Wilber

Integrale Vision

 

 

 

Ken Wilber

Eine kurze Geschichte des Kosmos

 

 

 

 

 

Physik, Medizin

 

 

 

Amit Goswami

Das bewusste Universum

 

 

 

Roland Röpers u.a.

Was unsere Welt im Innersten zusammenhält

Hans-Peter Dürr im Gespräch

 

 

 

Ulrich Schnabel

Die Vermessung des Glaubens

Forscher ergründen, wie Glaube entsteht und warum er Berge versetzt.

 

Wolf Singer,

Matthieu Ricard

Hirnforschung und Meditation. Ein Dialog.

 

 

 

Jin Kabat-Zinn

Gesund durch Meditation

 

 

 

Ulrich Ott

Meditation für Skeptiker

Ein Neurowissenschaftlwer erklärt den Weg zum Selbst

 

 

 

Peter Sedlmeier

Die Kraft der Meditation

Was die Wissenschaft darüber weiß

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

INSPIRATION

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 








Auszuge aus den Texten für Teilnehmende


JAHRESGRUPPE 04.03. - ZENGESCHICHTEN


Der Schüler zum Lehrer: „Meine Meditationen sind furchtbar. Ich bin dauernd abgelenkt, denke an alles Mögliche, meine Glieder tun weh und ich schlafe immer ein.”  Der Lehrer antwortet: „Das geht vorüber.” Eine Woche später kommt der Schüler wieder und sagt: „Meine Meditationen sind herrlich, ich bin total klar, konzentriert und im Frieden.” Der Lehrer: „Das geht vorüber.”


Zen


Am Strand des Meeres wohnten drei alte Mönche. Sie waren so weise und fromm, dass jeden Tag ein kleines Wunder für sie geschah. Wenn sie nämlich morgens ihre Andacht verrichtet hatten und zum Bade gingen, hängten sie ihre Mäntel in den Wind. Und die Mäntel blieben im Wind schweben, bis die Mönche wiederkamen, um sie zu holen. Eines Tages, als sie sich wieder in den Wellen erfrischten, sahen sie einen großen Seeadler übers Meer fliegen. Plötzlich stieß er auf das Wasser herunter, und als er sich wieder erhob, hielt er einen zappelnden Fisch im Schnabel. Der eine Mönch sagte: „Böser Vogel!“ Da fiel sein Mantel aus dem Wind zur Erde nieder, wo er liegenblieb. Der zweite Mönch sagte: „Du armer Fisch!“ – Und auch sein Mantel löste sich und fiel auf die Erde. Der dritte Mönch sah dem enteilenden Vogel nach, der den Fisch im Schnabel trug. Er sah ihn kleiner und kleiner werden und endlich im Morgenlicht verschwinden. Der Mönch schwieg. Sein Mantel blieb im Winde hängen.


Zen


Ein Schäfer weidete seine Schafe. Da kam ein Wanderer vorbei und sprach ihn an.   „Sie haben eine schöne Schafherde. Darf ich sie etwas zu den Schafen fragen?“ – „Natürlich“, sagte der Schäfer.  „Wie weit laufen ihre Schafe etwa am Tag?“ – „Welche, die weißen oder die schwarzen?“ – „Die weißen.“ – „Die weißen laufen täglich ungefähr sechs Kilometer.“ – „Und die schwarzen?“ – „Die schwarzen genau so viel.“ „Und wie viel Gras fressen sie täglich?“ – „Welche, die weißen oder die schwarzen?“ – „Die weißen.“ – „Die weißen fressen ungefähr zwei Kilo Gras täglich.“ – „Und die schwarzen?“ – „Die schwarzen auch.“ „Und wie viel Wolle geben sie jedes Jahr?“ – „Welche, die weißen oder die schwarzen?“ – „Die weißen.“ – „Nun die weißen geben jedes Jahr ungefähr sechs Pfund Wolle zur Schurzeit.“ – „Und die schwarzen?“ – „Die schwarzen genau so viel.“ Der Spaziergänger frug erstaunt:  „Darf ich Sie fragen, warum sie die eigenartige Gewohnheit haben, Ihre Schafe bei jeder Frage in schwarze und weiße aufzuteilen?“ – Das ist doch ganz einfach“, erwiderte der Schäfer, „die weißen gehören mir, müssen Sie wissen.“ – „Und die Schwarzen?“ „Die Schwarzen auch“, sagte Schäfer.


nach Antony de Mello 




Den Vortragsimpuls zum Friedensgebet am 29.2. haben wir unter "Frieden"  eingestellt.

Aus den Texten für Teilnehmende 29.02.2020


KONTEMPLATIVES FRIEDENSGEBET - DA SEIN FÜR FRIEDEN

Klimawandel: Wie finden zu einer Askese, die dem Leben dient


Thomas Merton                                                                      aus: Sinfonie für einen Seevogel

Aktive Menschen


Wenn ein Fachmann kein Problem hat, das ihn beschäftigt, dann ist er unglücklich. Wenn ein Philosoph keinen Widerspruch findet, vergeht er vor Gram. Wenn Kritiker keinen Menschen haben, den sie bespötteln können, sind sie todtraurig. Sie sind Gefangene dessen, was sie Tatsachen nennen.  Wer Anhänger sucht, strebt nach politischer Macht.  Wer Anerkennung sucht, drängt sich in ein Amt. Der Muskelprotz hält nach Gewichten Ausschau, die er heben möchte. Der Tapfere wartet auf den Notfall, in welchem er seinen Mut beweisen kann. Der Soldat sucht die Schlacht, in welcher er sein Schwert schwingen kann. Ältere Menschen schweigen, um tief zu erscheinen. Rechtsgelehrte suchen schwierige Fälle,  um die Herrschaft der Gesetze auszudehnen. Liturgen und Musiker lieben Feste,  bei denen sie ihre Talente zeigen können. Der Mildtätige und der Pflichtgetreue sind stets auf der Suche nach Gelegenheiten, ihre Tugend zur Schau zu stellen. Was wäre der Gärtner, wenn es kein Unkraut mehr gäbe?  Was würde aus den Geschäften ohne einen Markt voller Narren? Wo blieben die Massen, wenn sie keinen Vorwand hätten, sich zusammenzudrängen und Lärm zu schlagen?  Was würde aus der Arbeit werden, wenn nichts Uberflüssiges mehr hergestellt werden dürfte? Bring etwas hervor! Zeige Ergebnisse vor! Verdiene Geld! Gewinne dir Freunde! Sorge für Abwechslung! Sonst stirbst du vor Verzweiflung! Die in der Maschinerie der Macht verfangen sind, haben nur noch am Tun und am Wechsel Freude.Das Surren der Maschine ist ihre Musik. Wann immer sie etwas unternehmen können,  werfen sie sich ins Zeug. Sie können nicht dagegen an.  Unbarmherzig werden sie um und um getrieben wie die Maschine, deren Teil sie sind.  Gefangene von Menschen und Dingen, haben sie keine andere Wahl,  als sich den Ansprüchen des Draußen zu beugen. Sie werden von all dem zerrieben, was von außen auf sie eindringt:  von Mode, Markt, Ereignissen, von der öffentlichen Meinung. In ihrem ganzen Leben bekommen sie das,  was in ihnen ist und nur ihnen gehört,  nicht in den Blick. Sie sind aktive Menschen! Es ist ein Jammer.






Auszug aus der Rezitation 17.02.2020


KONTEMPLATION AM MONTAG


ANTONIUS DER GROSSE                                 Auszüge aus den Apphetgmata 


GESCHICHTEN


Ora et labora

Als der Altvater Antonius einmal in verdrießlicher Stimmung und mit düsteren Gedanken in der Wüste saß, sprach er zu Gott: „Ich will gerettet werden, aber meine Gedanken lassen es nicht zu. Was soll ich in dieser meiner Bedrängnis tun? Wie kann ich das Heil erlangen?“ Bald darauf erhob er sich, ging ins Freie und sah dort einen, der ihm glich. Er saß da und arbeitete, stand dann von der Arbeit auf und betete, setzte sich wieder hin und flocht an einem Seil, erhob sich dann abermals zum Beten; und siehe es war ein Engel des Herrn, der gesandt war, Antonius Belehrung und Sicherheit zu geben. Und er hörte den Engel sprechen: „Mach es so und du wirst das Heil erlangen.“ Als er das hörte, wurde er von großer Freude und mit Mut erfüllt und durch solches Tun fand er Rettung.


Geschwätzigkeit

Brüder besuchten von der Wüste Sketis aus den Altvater Antonius. Sie bestiegen ein Schiff, um zu ihm zu kommen. Dort trafen sie einen Alten, der auch zu dorthin kommen wollte, doch die Brüder kannten ihn nicht. Als sie im Schiffe waren, unterhielten sie sich über die Aussprüche der Väter, über Worte der Schrift und auch über ihre Handarbeit. Der Alte aber schwieg. Als sie nun an Land waren, zeigte es sich, dass der Alte auch auf dem Weg zum Vater Antonius war. Als sie dann bei diesem ankamen, sprach Antonius zu ihnen: „An diesem Alten habt ihr einen guten Begleiter gefunden!“ Einschränkend sagte er zum Greis: „ Treffliche Leute hast du bei dir.“ Der Greis erwiderte: „Gut sind sie schon, aber ihr Gehöft hat kein Tor, und jedermann kann in den Stall gehen und den Esel losbinden.“ Das sagte er, weil sie alles herausschwätzten, was ihnen in den Mund kam.


WORTE

 


Die Altväter der Vorzeit begaben sich in die Wüste und machten nicht nur sich selber gesund, sondern wurden auch noch Ärzte für andere. Wenn aber einer von uns in die Wüste geht, dann will er andere früher heilen, als sich selbst. Und dann kehrt unsere Schwäche zu uns selbst zurück und unsere letzten Dinge werden ärger als die ersten. Und daher heißt es für uns: Arzt, heile dich vorher selber!“


Vom Nächsten her kommen uns Leben und Tod. Gewinnen wir nämlich den Bruder, so gewinnen wir Gott. Geben wir hingegen dem Bruder Ärgernis, so sündigen wir gegen Christus.


Der Altvater Antonius sprach zum Altvater Poimen: „Das ist das große Werk des Menschen, (…) dass er mit Versuchung rechne bis zum letzten Atemzug. Keiner kann unversucht ins Himmelreich eingehen. Nimm die Versuchungen weg und es ist keiner, der Rettung findet.“


Wenn die Fische auf dem Trockenen liegen bleiben, so verenden sie. So auch die Mönche. Verweilen sie außerhalb ihres Kellions oder geben sie sich mit Weltleuten ab, dann lösen sie sich aus dem Zug der Beschauung. Wie die Fische sich ins Wasser, so müssen wir uns ins Kellion zurückziehen, damit wir nicht durch Verweilen außerhalb die Bewahrung des Inneren vergessen


Der Altvater Hilarion kam aus Palästina auf den Berg zum Altvater Antonius. Und Abba Antonius sprach zu ihm: „Zu guter Stunde bist du gekommen, du Morgenstern, der in der Frühe aufstrahlt!“ Da sagte Abba Hilarion zu ihm: „Friede sei mit dir, du Lichtsäule, die den Erdkreis erhellt.“





Auszug aus den Texten für Teilnehmende vom 19.02.2020


JAHRESGRUPPE AM MITTWOCH


ZENGESCHICHTEN




Feldunabhängig werden

Eines Tages entschieden die Frösche, einen Wettlauf zu veranstalten. Um es besonders schwierig zu machen, legten sie als Ziel fest, auf den höchsten Punkt eines großen Turms zu gelangen. Am Tag des Wettlaufs versammelten sich viele andere Frösche, um zuzusehen. Dann endlich – der Wettlauf begann. Nun war es so, dass keiner der zuschauenden Frösche wirklich glaubte, dass auch nur ein einziger der teilnehmenden Frösche tatsächlich das Ziel erreichen könne. Anstatt die Läufer anzufeuern, riefen sie also „Oje, die Armen! Sie werden es nie schaffen!“ oder „Das ist einfach unmöglich!“ oder „Das schafft Ihr nie!“ Und wirklich schien es, als sollte das Publikum Recht behalten, denn nach und nach gaben immer mehr Frösche auf. Das Publikum schrie weiter: „Oje, die Armen! Sie werden es nie schaffen!“ Und wirklich gaben bald alle Frösche auf – alle, bis auf einen einzigen, der unverdrossen an dem steilen Turm hinaufkletterte – und als einziger das Ziel erreichte. Die Zuschauerfrösche waren vollkommen verdattert und alle wollten von ihm wissen, wie das möglich war. Einer der anderen Teilnehmerfrösche näherte sich ihm, um zu fragen, wie er es geschafft hatte, den Wettlauf zu gewinnen. Und da merkten sie erst, dass dieser Frosch taub war!


Keine Frage von richtigen Worten

Ein eifriger Schüler des Lamaismus bestand sein Studium und durfte sich fortan Geshe nennen. Gewissenhaft hatte er die Schriften, ihre richtige Lesart und die exakte Aussprache aller Mantren gelernt. Er zog in die Welt, um zu lehren. Unterwegs kam er an ein Seeufer, wo seit vielen Jahren ein betagter Mönch wohnte. Er führte ein Leben der Meditation. Der junge Geshe hörte, wie er sein Mantra sang und stellte dabei fest, dass der Alte es fehlerhaft intonierte. Er setzte sich zu dem Mönch und wartete, bis dieser ihn bemerkte und freundlich begrüßte. Anschließend erklärte er ihm behutsam, wie das Mantra richtig auszusprechen sei. Der Mönch bedankte sich für die Lektion. „Welch eine Freude, dass mir nach langen Jahren des Übens ein Lehrer zur Hilfe geschickt wurde.“  Zufrieden wanderte der junge Geshe weiter um eine Brücke zu finden, die in auf die andere Seite bringen sollte. Als er diese gefunden hatte und am anderen Ufer des Sees eine Rast einlegte, sah er, wie der alte Mönch eilig über das Wasser auf ihn zugelaufen kam. Gleich darauf hörte er ihn rufen: „Verzeiht mir, werter Geshe, ich bin schon alt und vergesslich. Erklärt mir doch noch einmal, wie man das Mantra richtig ausspricht.“


Echte Gelassenheit

Zwei Mönche waren unterwegs auf der Wanderschaft. Eines Tages gelangen sie ans Ufer eines Flusses, dessen Ufer durch eine Regenperiode aufgeweicht waren. Dort stand eine junge Frau in schönen, teuren Kleidern. Offenbar war sie im Begriff, den Fluss zu überqueren. Da das Wasser sehr tief war, hätte sie ihn nicht durchwaten können, ohne dabei ihre Kleider zu schädigen. Ohne zu zögern ging der ältere Mönch auf die Frau zu, hob sie auf seine Schultern und watete mit ihr durch das Wasser. Auf dem gegenüber liegenden Flussufer setzte er sie trockenen Fußes ab. Nachdem der jüngere Mönch ebenfalls den Fluss überquert hatte, setzten die beiden ihre Wanderung fort. Einige Stunden  später fing der Jüngere an, seinen älteren Kameraden zu kritisieren: „Bist du dir im Klaren, dass du nicht korrekt gehandelt hast? Wie du weißt, ist es uns Mönchen streng untersagt, näheren Kontakt mit Frauen zu haben oder mit ihnen zu sprechen. Und du hast sie sogar berührt. Wieso hast du gegen diese Regel verstoßen?“  Der Mönch, der die Frau über den Fluss getragen hatte, hörte sich die Vorwürfe des anderen mit Bedacht an. Dann antwortete er ruhig: „Ich habe die Frau nur über den Fluss getragen und wieder abgesetzt.  Aber Du trägst sie immer noch bei dir.“


Freisein

Eines Tages drang ein Dieb in die Hütte des Zen Meisters Shichiri Kojun ein: „Geld her oder ich werde dich töten!“ drohte er. Kojun erwiderte ruhig: „Mein Geld ist dort drüben in der Schublade. Nimm es dir, aber vielleicht bist du so nett und lässt mir noch ein klein wenig übrig, da ich morgen noch etwas Reis einkaufen möchte.“ Der Dieb war zwar sehr erstaunt, nahm sich dann aber doch fast das ganze Geld. Als er schon an der Tür war, sagte Kojun: „Wenn man etwas erhalten hat, sollte man sich auch dafür bedanken.“ „Danke“ erwiderte der Dieb kopfschüttelnd und verschwand. Wenig später wurde der Mann bei einem anderen Einbruch verhaftet, und er gestand, unter anderem auch den Zen-Meister bestohlen zu haben, der daraufhin zur Polizeiwache gerufen wurde. „Er hat auch euer Geld gestohlen, nicht wahr?“ fragte der Polizist. „Oh nein, er hat mir nichts gestohlen. Ich gab ihm das Geld, und er bedankte sich dafür“ sagte Kojun. Als der Mann seine wegen der anderen Vergehen gegen ihn verhängte Strafe verbüßt hatte, kam er zu Zen-Meister Kojun und bat darum, sein Schüler werden zu dürfen.

In Korea gab es zur Zeit der Bürgerkriege einen ganz besonders grausamen General, der Menschen wahllos niedermetzelte und vor dessen Truppen alle flohen. Nur ein Zen-Meister machte keine Anstalten zu fliehen, als der General mit seinen Männern das Dorf einnahm. Der General ging in das Kloster, zog vor dem Meister sein Schwert und drohte: „Weißt du nicht, wer ich bin? Ohne mit den Wimpern zu zucken kann ich dich töten.“ Der Zen-Meister erwiderte sanft: „Und du, weißt du nicht wer ich bin? Ich bin ein Mann, der ohne mit der Wimper zu zucken bereit ist zu sterben.“ Da verneigte sich der General und untersagte seinen Männern, das Dorf zu plündern.



Einfache Lösungen

Ein leidenschaftlicher Schachspieler wünschte Befreiung von seiner Neigung, sich als Versager zu fühlen, jedes Mal wenn er eine Partie Schach verloren hatte. Nachdem er zwei Jahre bei einem berühmten Rabbi in die Lehre gegangen war, glaubte er, versagt zu haben, jedes Mal wenn er gewonnen hatte. Anschließend war er drei Jahre lang der Schüler eines Sufi-Weisen, von dem er lernte, dass er versagt hatte, jedes Mal wenn er sich als Verlierer gut fühlte. Immer noch unbefriedigt, ging er vier Jahre lang in die Himalayaberge, wo er von einem bekannten Yogi lernte, dass er versagt hatte, jedes Mal wenn er sich schuldig fühlte, weil er gewonnen hatte. Schließlich begegnete er einem Zen-Meister. Innerhalb weniger Wochen lernte er endlich, wie man die Bauern geschickt platziert.





Auszug aus den Texten für Teilnehmende vom 12.02.2020


JAHRESGRUPPE AM MITTWOCH


ZENGESCHICHTEN


Zen ist jenseits aller Worte. Fort mit allem Denken und Erklären. Es gibt nur ein geheimnisvolles, schweigendes Verstehen.“ Huang Po 


Ein Zen-Schüler, der die Erleuchtung suchte, beklagte sich bei seinem Meister ständig darüber, dass dessen Erläuterungen unvollständig seien und der Meister ihm irgendeinen entscheidenden Hinweis vorenthalte. Der Meister versicherte, dass er ihm nichts vorenthalte. Etwas später gingen die beiden auf einem Pfad durch die Berge spazieren. Plötzlich sagte der Meister: „Riechst Du den Duft des Berglorbeers?“ Der Schüler sagte „Ja.“ „Siehst du,“ antwortete der Meister, „ich enthalte Dir gar nichts vor.“ 



Ein junger Schüler trat vor Tao-hsin und sprach: "Ich will es verstehen und erfahren. Bitte hilf mir." Tao-hsin sagte: "In deiner Frage sprichst du von 'ich' und von 'es'. Was bedeuten diese Worte? Beantworte mir meine Frage, und ich beantworte dir deine." Der Schüler trat Wochen später wieder vor Tao-hsin und sagte: " 'ich' das ist mein Geist und 'es' ist die ihn umgebende Welt." Tao-hsin erwiderte "Nein, das ist es nicht." Der Schüler trat Monate später vor Tao-hsin und sagte: "'ich' und 'es' sind eins: Es ist alles und doch nichts." Tao-hsin erwiderte: "Nein, das ist es nicht." Jahre später trat der Schüler vor Tao-hsin und bedankte sich herzlich für den Rat, den er vor Jahren erhalten hatte. 


Ein Professor wanderte weit in die Berge, um einen berühmten Zen-Mönch zu besuchen. Als der Professor ihn gefunden hatte, stellte er sich höflich vor, nannte alle seine akademischen Titel und bat um Belehrung. „Möchten Sie Tee?“ fragte der Mönch. „Ja, gern“, sagte der Professor. Der alte Mönch schenkte Tee ein. Die Tasse war voll, aber der Mönch schenkte weiter ein, bis der Tee überfloss und über den Tisch auf den Boden tropfte. „Genug“ rief der Professor. „Sehen Sie nicht, dass die Tasse schon voll ist? Es geht nichts mehr hinein.“ Der Mönch antwortete: Genau wie diese Tasse sind auch Sie voll von Ihrem Wissen und Ihren Vorurteilen. Um Neues zu lernen, müssen Sie erst Ihre Tasse leeren.“


Ein junger Mann suchte einen Zen-Meister auf. „Meister, wie lange wird es dauern, bis ich Befreiung erlangt habe?“ „Vielleicht zehn Jahre“, entgegnete der Meister. „Und wenn ich mich besonders anstrenge, wie lange dauert es dann?“, fragte der Schüler. „In dem Fall kann es zwanzig Jahre dauern“, erwiderte der Meister. „Ich bin dazu bereit wirklich jede Härte auf mich zu nehmen. Ich will so schnell wie möglich ans Ziel gelangen“, beteuerte der junge Mann. „Dann“, erwiderte der Meister, „kann es bis zu vierzig Jahre dauern.“ 


Milarepa hatte überall nach Erleuchtung gesucht, aber nirgends eine Antwort gefunden, bis er eines Tages einen alten Mann langsam einen Bergfpad herabsteigen sah, der einen schweren Sack auf der Schulter trug. Milarepa wusste augenblicklich, dass dieser alte Mann das Geheimnis kannte, nach dem er so viele Jahre verzweifelt gesucht hatte. „Alter, sage mir bitte, was du weißt. Was ist Erleuchtung?“ Der alte Mann sah ihn lächelnd an, dann ließ er seine schwere Last von der Schulter gleiten und richtete sich auf. „Ja, ich sehe!“ rief Milarepa. „Meinen ewigen Dank! Aber bitte erlaube mir noch eine Frage: Was kommt nach der Erleuchtung?“ Abermals lächelte der Mann, bückte sich und hob seinen schweren Sack wieder auf. Er legte ihn sich auf die Schulter, rückte die Last zurecht und ging lachend seines Weges. 


Zu einem alten Zen-Meister kam ein junger Zen-Schüler. Der Meister empfing ihn in seiner Klosterzelle und fragte: „Warst Du früher schon einmal bei mir?“ Der Jüngling verneinte. „Gut“, sprach der Meister, „dann trink erst einmal eine Tasse Tee.“ Damit entließ er ihn. Wenig später ließ sich ein zweiter Schüler beim Meister melden. Auch ihm stellte dieser die gleiche Frage, wie dem ersten. „Ja“, sagte der Schüler, „vor einem Jahr war ich schon einmal bei Euch.“ „Gut“, sprach der Alte, „dann trink erst einmal eine Tasse Tee.“ Das beunruhigte den Vorsteher des Klosters. „Meister“, sagte er, „ich verstehe das nicht. Ihr fragtet die beiden Novizen, ob sie schon einmal hier gewesen seien. Der eine sagte nein, der andere ja; doch beide erhielten die gleiche Antwort. Was habt Ihr damit gemeint?“ „Klos-tervorsteher!“ rief der Meister. „Ja?“ erwiderte der. „Trink erst einmal eine Tasse Tee!“ 




Rezitation 10.02.2020


KONTEMPLATION AM MONTAG


ANTONIUS DER GROSSE                                 Auszüge aus der Philokalie


Belehrungen unseres heiligen Vaters Antonius des Großen über die Sittlichkeit des Menschen und den rechtschaffenen Lebenswandel


Ganz gleich, was dem Menschen im Leben widerfährt, so sage er der erhabenen und umfassenden Vorsehung und Verwaltung aller Dinge Dank. Da wir Ärzten, die uns bittere und unangenehme Heilmittel reichen, für die Gesundung des Leibes danken, wäre es widersinnig, Gott gegenüber für seine Gaben undankbar zu sein, auch wenn uns manches unangenehm erscheint.


In der Selbstbeherrschung, der Langmut, der Besonnenheit, der Standhaftigkeit, der Geduld haben wir von Gott größte und tugendhafte Kraftquellen erhalten. Wenn wir uns in diesen Kraftquellen üben, kommt es nicht mehr vor, dass wir von den Dingen, die uns geschehen, meinen, sie seien schmerzlich, schwer oder unerträglich.


Wenn der Gott liebende Geist und die Seele miteinander in Einklang stehen, lebt der ganze Leib in Frieden, selbst wenn er es nicht möchte.


Wenn du die Tür deiner Wohnstatt schließt und allein bist, dann sollst du erkennen, dass mit dir zusammen der Engel ist, der von Gott für Dich bestimmt wurde. Dieser persönliche „Daimon“ braucht keinen Schlaf und kann nicht getäuscht werden. Immer ist er mit dir zusammen und sieht alles. Dunkelheit behindert ihn nicht.


Früchte der Erde kommen nicht in einer einzigen Stunde zur Reife, sondern mit der Zeit, unter Regengüssen und durch sorgsame Pflege. Damit deine Früchte leuchtend hervortreten, braucht es Übung und Eifer, Standhaftigkeit Standfestigkeit und Geduld.


Schweigend erkennst du.  Wenn du erkannt hast, redest du. Im Schweigen nämlich gebiert der Geist das Wort. Wer keinen Verstand besitzt, der spricht, obgleich er nichts erkennt.


Derjenige erkennt Gott und wird von Gott erkannt, der danach strebt, in keiner Situation von Gott getrennt zu sein. Niemals von Gott getrennt ist derjenige, der in allem gut und beherrscht ist.  Tu Gutes dem, der dir Unrecht tut, und du wirst Gott zum Freund haben.


Wenn du dich dankbar auf dein Lager begibst und die gewaltigen Wohltaten und die Fürsorge Gottes dir gegenüber im Herzen erwähnst und erfüllt bist von edlen Gedanken, wird deine Freude vermehrt. Der Schlaf deiner Augen wird so zur Nüchternheit deiner Seele, das Schließen der Augen zur wahren Schau Gottes. Dein Schweigen – befruchtet aus solch Gutem -  ehrt Gott, denn deine Verherrlichung aus ganzer Seele und Kraft tönt in seinem Ohr.










Jahresgruppe am 05.02. 2020 -  Auszüge aus den Texten für Teinehmende


ZENGESCHICHTEN

 

 


Nicht in gleicher Weise

Einst fragte ein Schüler einen Zen-Meister:  "Wie übst du Meditation in deinem täglichen Leben?“  Der Meister antwortete:  "Wenn ich gehe, dann gehe ich. Wenn ich sitze, dann sitze ich. Wenn ich esse, dann esse ich. "  Der Schüler erwiderte:  »Das tut jeder. Übt also jeder Zen wie Du?“  Der Zenmeister erklärte: "Nein, nicht in gleicher Weise." Der Schüler frug: "Warum nicht in gleicher Weise?“ Der Meister lächelte:  "Wenn andere gehen, dann sind sie in Gedanken schon am Ziel. Wenn andere sitzen ist ihr Kopf voll mit tausend Gedanken, denen sie folgen. Wenn andere essen, dann sind sie schon bei der Arbeit. Darum sage ich: Nicht in gleicher Weise. "


Aufmerksamkeit

Eines Tages bat ein Mann den Zen-Meister, ihm einige Grundregeln höchster Weisheit aufzuschreiben. Der griff zum Pinsel und schrieb: »Aufmerksamkeit.»  »Ist das alles?«, fragte der Mann. »Wollt ihr nicht noch etwas hinzufügen?« Der Meister schrieb nochmals. Diesmal zweimal hintereinander: »Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit. » »Nun«, meinte der Mann ziemlich enttäuscht, »ich sehe wirklich nicht viel Tiefes oder Geistreiches in dem, was ihr da geschrieben habt. Und ich bitte euch nochmals um, eine tiefergehende und erläuternde Weisung«  Daraufhin notierte der Meister das gleiche Wort. Doch zeichnete er es drei Mal drei mal hintereinander: »Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit.« Verärgert fragte der Mann: »Und was bedeutet dieses Wort überhaupt?« Der Meister antwortete freundlich: »Aufmerksamkeit bedeutet Aufmerksamkeit.«


Der eine Ton

In Armenien - im Süden dessen, was einmal die Sowjetunion gewesen ist - lebte im l8. Jahrhundert ein Ehepaar. Der Mann war ein Cellospieler - einer der Großen seiner Zeit, der alles, was bis damals für sein Instrument komponiert worden war, virtuos beherrschte. Je älter er wurde, desto weniger Töne ließ er auf dem Cello erklingen. Vielmehr legte er darauf Wert, nur weniges, dies aber in höchster Vollendung und mit schönster Tongebung zu spielen.  Als er nun uralt geworden war, spielte er nur noch einen einzigen Ton, diesen jedoch so wunderbar, wie man es nie zuvor von einem Cello gehört hatte. Seiner Frau wurde das langweilig. Täglich stundenlang der gleiche Ton! Schließlich wusste sie, mit welch begnadetem Cellospieler sie ehelich verbunden war. Nun geschah es, dass in eines Tages ein Orchester in die Kleinstadt kam und ein Konzert gab. Die Frau ging hin. Der Mann nicht.  Freudig erregt verfolgte die Frau das reichhaltige Konzert und kehrte begeistert heim.  Da berichtete sie ihrem Mann: »Es waren ganz viele Cellisten in diesem Orchester, und sie  spielten tolle Stücke.  Es ging rauf und runter und es gab viele Töne und einen prächtigen Klang. Könntest du nicht auch einmal so spielen?“ Daraufhin erwiderte der Mann: „Sie haben den richtigen Ton nur noch nicht gefunden.“



Der weise Löwe

Ein Löwe geriet in Gefangenschaft und wurde in ein Lager gebracht, wo er zu seinem Erstaunen noch andere Löwen antraf, die schon jahrelang dort waren, einige sogar ihr ganzes Leben, denn sie waren dort geboren. Er lernte bald die sozialen Betätigungen der Lagerlöwen kennen. Sie schlossen sich in Gruppen zusammen. Eine Gruppe bestand aus den Gesellschaftslöwen; eine andere ging ins Showgeschäft; wieder andere betätigte sich kulturell, um die Bräuche, die Traditionen und die Geschichte jener Zeiten zu bewahren, als die Löwen in Freiheit lebten. Andere Gruppen waren religiös. Sie kamen zusammen, um zu Herzen gehende Lieder zu singen von einem künftigen Dschungel ohne Zäune. Einige Gruppen fanden Zulauf von denen, die sich von Natur aus für Literatur und Kunst interessierten; wieder andere waren revolutionär gesonnen. Sie trafen sich, um sich gegen ihre Wärter zu verschwören oder gegen andere revolutionäre Gruppen Pläne zu schmieden. Ab und zu brach eine Revolution aus; die eine oder andere Gruppe wurde ausgelöscht, oder alle Wärter wurden umgebracht und durch andere ersetzt. Als sich der Neuankömmling umsah, bemerkte er einen Löwen, der stets tief in Gedanken versunken schien, ein Einzelgänger, der keiner Gruppe angehörte und sich meistens von allen fern hielt. Es war etwas Seltsames um ihn, das sowohl die Bewunderung der anderen hervorrief, aber auch ihre Feindseligkeit, denn seine Gegenwart erzeugte Angst und Selbstzweifel. Er sagte zu dem Neuankömmling: „Schließe dich keiner Gruppe an. Diese armen Narren kümmern sich um alles, bloß nicht um das Wesentliche.“ „Und was ist das?“ fragt der Neuankömmling. „Über die Beschaffenheit des Zaunes nachzudenken.“ Nichts, aber auch gar nichts anderes ist wichtig!"


Koan des Zuigan

Meister Zuigan pflegte jeden Tag sich selbst zu zu rufen: „Meister!“ um dann zu antworten „Ja!“ Mit kraftvoller Stimme tönte er dann: „Ganz wach! Ganz wach!“ und antworte abermals : „Ja! Ja!“ Dann erklang – wiederum an sich selbst gerichtet, ein ganzer Satz “Lass dich niemals täuschen, von niemand und nichts,  an keinem Tag, zu keiner Zeit! Und Antwort folgte prompt: „Nein! Nein!“




Start am 03.02. - Auszug aus der Rezitation 


MONTAGSKONTEMPLATION ZUM HERZENSGEBET


REZITATION AUS DER PHILOKALIE


aus der Einführung von Nikodemos Hagioreites, Mönch des Athos im 18. Jahrhunderts, der das Werk zusammen mit Bischof Makarios von Korinth zusammenstellte. Die Auszüge sind bearbeitet, um Wesentliches verständlich werden zu lassen.


(...)

Mittels der Glut, welche sich beim Rufen des Herzens nach dem allheiligen Namen einstellt, werden euer Geist und euer Herz allmählich gereinigt und mit sich selbst vereint. Gereinigt und geeint bringen sie heilbringende Früchte hervor. Es braucht dafür nicht mehr ein großes Mühen wie vorher. So finden wir in die Gnade zurück, welche uns bereits gegeben wurde. Jetzt aber leuchtet sie strahlend auf und erleuchtet unseren Geist, macht uns vollkommen und göttlich. Ohne dieses beständige Verweilen, das heißt die innere Herzensanrufung und die darauf folgende eigene Reinigung ist es schwer, Frucht zu bringen.  „Wer in mir bleibt, der bringt reiche Frucht“, sagt Jesus.  Wir sollten diese Praxis, die uns zur Vergöttlichung und zur Rettung  führt, also auf gar keinen Fall vernachlässigen.


Unser Buch, die Philokalie, versammelt die Schätze dieses Weges.  Es ist euch damit zugänglich die Schatzkammer der Nüchternheit, die Schutzburg des Geistes, die mystische Schule des Betens, die Führung zur Beschauung, der Lustgarten der Väter und die goldene Kette der Tugenden.


Und wenn manche meinen, man dürfe so etwas nicht den Ohren der Masse bekannt geben und ernsthaft  einwenden, das verursache sogar Schaden, da es zu anspruchsvoll sei, so sagen wir kurz und bündig: Gottlos ist es zu sagen, die Weisungen Gottes „Betet ohne Unterlass!“ seien Hindernissen unterworfen oder schlössen etwas Unmögliches in sich. 


Gregorius der Theologe rät daher ausnahmslos allen Gläubigen, mehr Gottes im inneren Beten zu gedenken als zu atmen.   Kommt also alle und esst das kenntnisreiche Brot der Weisheit und trinkt diesen Wein, der das Herz erfreut. Aufgrund der göttlichen Verzückung und dem Rausch nüchterner Trunkenheit, zu der dieser Weg führt, werdet ihr frei sein von allen Dingen, die Herz und Seele von außen belagern. Kommt alle, denen die orthodoxe Berufung zuteil geworden: Trachtet nach dem in euch befindlichen Reich Gottes. Findet den im Acker eures Herzens verborgenen Schatz, die wunderbare Perle.  „Seid eins, wie auch wir eins sind“, sagt Jesus.










Jahresgruppe am 29.01.2020 -  Auszüge aus den Texten für Teinehmende


ZENGESCHICHTEN



Die Erleuchtung des Pilgers

Als einmal ein Pilger zu Buddha kam, in jeder Hand ein Geschenk, grüßte ihn der Erwachte mit den Worten: „Lass es fallen!“  Der Pilger warf das Geschenk in der rechten Hand fort und kam näher. „Lass es fallen!“, rief der Erleuchtete und der Pilger, warf das Geschenk in der anderen Hand fort. Als er mit leeren Händen näher kam, erklang wiederum die Stimme des Buddha: „Lass es fallen!“ In diesem Augenblick ward der Pilger erleuchtet.





Die Welt des Frosches

Ein Frosch lebte seit langer Zeit in einem alten Brunnen, der sich am Rande des Meeres befand. Er wurde in ihm geboren und aufgezogen. Eines Tages fiel ein Fisch, der aus dem Meer gesprungen war, in den Brunnen. Als der Frosch sich von seinem ersten Schreck erholt hatte, fragte er vorsichtig den Neuankömmling: »Was bist denn du für ein sonderbares Wesen und wo kommst du denn her?«  Der Fisch antwortete: »Ich bin ein Fisch und komme aus dem Meer.« -  »Vom Meer?« fragte der Brunnenfrosch ganz erstaunt. »Wie groß ist denn das Meer?« - »Sehr groß« gab der Fisch zur Antwort. Der Frosch streckte seine Füße aus und fragte: »Ist das Meer so groß?« -  »Es ist viel größer!« sagte der Fisch. Da hüpfte der Frosch mit einem gewaltigen Sprung von der einen Seite des Brunnens zur anderen hin: »Ist es etwa so groß?« »Mein Freund«, sprach da der Fisch, »das Meer ist so groß, dass du es nicht mit deinem Brunnen vergleichen kannst.« -  »Jetzt hast du dich verraten, du Lügner!« rief da der Frosch,  »denn etwas Größeres als meinen Brunnen kann es gar nicht geben!«


Die Eintagsfliege

So ein Quatsch!“, sagte die Eintagsfliege, als sie zum ersten Mal das Wort Woche hörte.


Der Unterschied zwischen Mensch und Tier

Ein Zen-Meister wurde gebeten, den Unterschied zwischen Mensch und Tier zu erklären, denn letztlich besäßen doch beide in gleicher Weise die Buddha Natur.  Der Zen-Meister lächelte: „Gut ich werde euch den Unterschied zwischen Ratten und Menschen erklären:  Wenn wir eine Ratte wiederholt in ein Labyrinth mit vier Tunneln setzen und zuvor immer in den vierten Tunnel ein Stück Käse legen, lernt die Ratte schließlich, immer in den vierten Tunnel zu gehen um an den Käse zu gelangen. Ein Mensch lernt das auch. Du willst Käse, also gehst du in den vierten Tunnel, und dort ist er.  Jetzt verlegt aber der große Gott des Lebens nach einer Weile den Käse in einen anderen Tunnel. Die Ratte geht in den vierten Tunnel. Kein Käse im vierten Tunnel. Die Ratte kommt raus. Geht wieder in den vierten Tunnel, kein Käse. Kommt raus. Wieder in den vierten Tunnel. Kein Käse. Kommt raus. Und so weiter. Schließlich hört die Ratte irgendwann auf, in den vierten Tunnel zugehen und sucht woanders. Und hier zeigt sich jetzt der Unterschied zwischen Ratten und Menschen: Menschen gehen immer in den vierten Tunnel! Ewig! Menschen sind vom vierten Tunnel überzeugt. Ratten sind von nichts überzeugt; sie interessieren sich für den Käse. Der Mensch aber entwickelt eine Überzeugung: Den Glauben an den vierten Tunnel. Der Mensch fängt sehr schnell an, es für richtig zu halten, in den vierten Tunnel zu gehen, ob Käse drin ist oder nicht. Der Mensch hat lieber recht als seinen Käse! Ihr seid hier und praktiziert Zen, um alle eure Käse-verneinenden Überzeugungen zu verlieren. Also merkt euch, ihr kriegt den Käse nie, wenn ihr ihn dort zu kriegen versucht, wo er gerade eben noch war. Denn der große Gott des Lebens verlegt den Käse ständig. Ihr aber habt zu viele Überzeugungen über zu viele vierte Tunnels. Ihr werdet nie glücklich werden, wenn ihr versucht, glücklich zu werden; denn eure Versuche werden gänzlich von euren Überzeugungen gesteuert, wo der richtige Platz ist, an dem der Käse zu sein hat. Sobald ihr eine Vorstellung davon habt, was z.B. Erleuchtung ist und wo ihr es bekommen könnt, habt ihr die Chance, Erleuchtung zu erlangen, verspielt. Weil jede Vorstellung oder Überzeugung das wirkliche Erleben zerstört. Also wenn es einem von euch einmal gelingen sollte, Gott zu begegnen, versucht nicht, ihn dort noch einmal zu treffen. Gott kommt rum. Wenn du versuchst, ihn festzulegen wirst du ihn niemals wiedersehen.“


Weit weg

Ein Europäer sucht wochen- und monatelang einen allseits berühmten Weisen, der irgendwo in Tibet leben soll. Schließlich nach langer Suche findet er den Weisen in einer gottverlassenenen, abgeschiedenen Gegend, auf einem einsamen Berg im Himalaya, fernab jeder menschlichen Ansiedlung. Der Europäer ist ganz überrascht und fragt den Weisen: „Ist es nicht furchtbar langweilig, so einsam zu leben, so weit weg von allem?“ – Der Weise wendet sich ihm zu, schaut ihn an fragt ihn völlig erstaunt:  „Wovon weit weg?“


Gedicht


Du Dunkelheit, aus der ich stamme,

ich liebe dich mehr als die Flamme,

welche die Welt begrenzt,

indem sie glänzt

für irgend einen Kreis,

aus dem heraus kein Wesen von ihr weiß.


Aber die Dunkelheit hält alles an sich:

Gestalten und Flammen, Tiere und mich,

wie sie's errafft,

Menschen und Mächte -

Und es kann sein: eine große Kraft

rührt sich in meiner Nachbarschaft.

ich glaube an Nächte.


Rainer Maria Rilke



 











Holocaust Gedenktag: 75 Jahre Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau


EIN ABEND STILLEN GEDENKENS

FÜR DIE OPFER DES HOLOCAUSTES UND FÜR DIE TÄTER


Stellvertretend für die Verstorbenen, deren Platz auf Erden frei geworden ist, sprechen die Juden das Kaddish.

So wir die Ehrung des "großen Namens" fortgesetzt über die Zeiten hinaus.  Im ersten Jahr wird es in der Familie täglich rezitiert, später dann zum Jahrestag des Todes. 


KADDISH       


Erhoben und geheiligt werde sein großer Name auf der Welt,

die nach seinem Willen von Ihm erschaffen wurde.

Sein Reich erstehe in eurem Leben in euren Tagen und im Leben des ganzen Hauses Israel, schnell und in nächster Zeit.

Und wir sprechen Amein.

Sein großer Name sei gepriesen

 in Ewigkeit und Ewigkeit der Ewigkeiten.

Gepriesen und gerühmt, gepriesen, verherrlicht, erhoben, erhöht, gefeiert und gepriesen 

sei  der Name des Heiligen, gelobt sei er,

hoch über jedem Lob und Gesang, 

jeder Verherrlichung und Trostverheißung, 

die je in der Welt gesprochen wurde, sprechet  Amein!

Möge Erhörung finden das Gebet und die Bitte von ganz Israel vor seinem Vater im Himmel, sprechet Amein.

Fülle des Friedens, Gunst, Gnade, Erbarmen und Leben

möge vom Himmel herab uns und ganz Israel zuteil werden, sprechet Amein.

Der Frieden stiftet in seinen Himmelshöhen,

er stifte Frieden unter uns und ganz Israel, sprechet Amein.



 ERINNERUNG 


Worte aus dem Büchlein einer Überlebenden warfen einen Blick auf die unfassbare Grausamkeit der Judenvernichtung


Jaffa Zins

Scheindele

Gedichte

 

"Als Überlebende des Holocaust wurde ich Zeugin dessen, was der Mensch dem Menschen antun kann. Das spiegelt sich in meinen Gedichten wieder. Meine Gedichte helfen mir das andere Licht  im dunklen Tunnel der Schöpfung zu finden."









Stille Tage zum Jahresbeginn 2020

IN DEINE LIEB VERSENKEN

Auszug aus dem ersten Impulsvortrag



IN SEINE LIEB VERSENKEN



Die Erinnerung


Über das Weihnachtslied „Zu Bethlehem geboren“, dessen Anfang der 2. Strophe unsere stillen Tage titelt – In deine Lieb versenken -   habe ich eine Kindheitserinnerung gefunden.   Da lese ich:


„An manchen Tagen, wenn mich die Wehmut fast erdrückt und ich an Zeiten denke, die lange zurückliegen, fällt mir ein Kinderlied ein. Ich kann mich noch erinnern, dass Mama mich fragte, was sie mir vorsingen solle, wenn ich im leichten Fieber einer Erkältung nicht einschlafen wollte oder sonst ein Wehwehchen mich plagte. Ich kann mich noch genau an jenes Kinderbett erinnern, das ein hölzernes Seitenteil zum herunterklappen besaß und in dem ich mich verloren fühlte, wie in einer Nussschale auf dem unendlichen Ozean, wenn Mama mein Gutenachtlied vergessen hatte. Ein Lied hatte es mir besonders angetan, es vermochte ein Gefühl von absoluter Sicherheit, ein Gefühl der direkten Beziehung zu einem großen Beschützer weit draußen über der dicken Wolkendecke in mir zu wecken, der aber gerade in diesem Lied atemberaubend nahe an den Zuhörer heranrückt. Im Gegensatz zu vielen anderen Liedern, die insbesondere an Weihnachten gesungen werden, ging es nicht darum etwas zu erhalten sondern zu geben. Ich war von der tiefen Wahrheit dieses Liedes überzeugt. Denn da ging es nicht darum , etwas unbegreifliches Höheres zu erkennen, sondern einfach nur selbst zu geben, was man besaß. An ein Kind zu glauben, dass man doch selbst noch war und zudem man schnell eine Beziehung hatte (…).  Das alles machte dieses Lied zu einem Lieblingslied eines Fünfjährigen.


Das Lied


Zu Bethlehem geboren
ist uns ein Kindelein,
das hab ich auserkoren,
sein eigen will ich sein,
eia, eia, sein eigen will ich sein.


In seine Lieb versenken
will ich mich ganz hinab;
mein Herz will ich ihm schenken 

und alles, was ich hab,
eia, eia, und alles, was ich hab.


O Kindelein, von Herzen
will ich dich lieben sehr
in Freuden und in Schmerzen,
je länger mehr und mehr,
eia, eia, je länger mehr und mehr.


Dich wahren Gott ich finde 

in meinem Fleisch und Blut.

Darum ich fest mich binde,
an dich, mein höchstes Gut,
eia, eia, an dich, mein höchstes Gut.


Lass mich von Dir nicht scheiden,
knüpf zu, knüpf zu das Band
der Liebe zwischen beiden,
nimm hin mein Herz zum Pfand,
eia, eia, nimm hin mein Herz zum Pfand.


Dazu die Gnad mir gebe,
bitt ich aus Herzensgrund,
daß dir allein ich lebe,
jetzt und zu aller Stund,
eia, eia, jetzt und zu aller Stund.


Friedrich Spee von Langenfeld



Die Liebe


Das Geheimnis der Heiligen Nacht, das Geheimnis der Weihnachtszeit, in der wir stehen,  ist das Wunder der Liebe. Allüberall durchströmt Liebe das All, so verdichtet Hildegard von Bingen in Worten diese Wirklichkeit.  Vom Feuer der Liebe ergriffen und durchdrungen werden, macht Menschen zu Singenden:  "Cantare amantis est", sagt man.  Wobei es auch umgekehrt passieren kann: Indem man singt, erreicht und ergreift einen der Atem der Liebe. Wie auch immer: Singen ist Sache der Liebenden. Die Liebe weckt Klänge und Rhythmen in uns.  Und gewiss auch umgekehrt: Klänge und Rhythmen mögen die Liebe fördern.  Wer liebt, in dem ertönt ein wunderbarer Ton oder gar eine Symphonie mit vielen Instrumenten und 1000en von Klangfarben. Nichts und niemand vermag solche Lieder der Liebenden außer Kraft zusetzen. Weil Takt und die Töne solcher Weisen sich aus Gegenden speisen, die uns entzogen sind. Wir haben auf solche Regionen keinen Zugriff. Wir können über sie nicht verfügen, wie über so vieles, was wir in die Hand nehmen und gestalten.  Liebe macht den Zauber des nicht Machbaren offenkundig. Liebeslieder entstammen den Harmonien des Kosmos. Sie verbinden uns mit den Schwingungen und der Ordnung des Universums.  Die helle Freude eines singenden Menschen kennt daher kein Zerfallsdatum. Sie verklingt nicht so geschwind wie das laute Lachen nach einem lustigen Scherz. Solche Freude quillt aus dem Quellgrund des Daseins. Der Frohsinn in den Gesängen der Liebe fließt aus dem Tiefengrund lebendiger Herzlichkeit. Sie kommt aus unserem innersten Inneren über uns. Wir zwingen sie nicht bei. Wir beschwören sie nicht mit Moralin. Liebe kommt beinahe von alleine über uns. Allzeit und beständig webt und wirkt sie und hält um unsere Hand an. Liebe rührt uns an von Ewigkeit her.  Liebe ist eine universelle,  ohnmächtige doch unbezwingbare Macht. „Ich bete an die Macht der Liebe“, textet Terstegen und manche wie der biblische Johannesbrief sagen, sie sei Gott.


Das Leid


Das Lied „Zu Bethlehem geboren"  floss aus der Feder des Friedrich Spee von Langenfeld. Er war wie Pater Lassalle, der uns den Zen brachte, ein Jesuit.  Seine Entstehung verdankt die innige und anrührende Weise keineswegs – wie man auf den ersten Blick vermuten kann - einer lauschigen Idylle oder einem sonnendurchfluteten Sommertag.  Ganz anders: Die  Schrecken und Nöte des Dreißigjährigen Krieges, das Grauen der Hexenverfolgung: So waren die Zeiten, in denen Spee lebte.  Sein Liebeslied erblickte das Licht einer brennenden und blutgetränkten Welt. Und der es schrieb, war kein Träumer im Schneckenhaus, sondern ein Liebender mit einem mutigen Herzen und einem klaren Blick für die Verhältnisse.  Als einziger einer in Blut und watenden und im Feuerbrand Menschen verbrennenden Zeit stemmte sich Friedrich Spee mit einer nüchternen und anonymen Schrift gegen die Hexenverfolgung. „Cautio criminalis“ hieß sein Büchlein. Es verneint darin, dass es überhaupt Hexen gibt und verurteilt das übliche Rechtsverfahren, welches auf Folter basierte. Unter den schmerzhaften Torturen der damaligen Folter gab es für niemand eine Überlebenschance. Wer damals denunziert und eingekerkert wurde, war verloren und kam nicht mehr frei.  Spee beschrieb das perfide Verfahren, das auf diese Weise Geständnisse erpresste, (...)  In solch blinden und gewalttätigen, abergläubischen und mörderischen Zeiten entstand dies zarte und innige Weihnachtslied.


Friedrich Spees Lied dichtet aus  einem Frieden und einer Freude, die dem gänzlich unverständlich und fremd bleiben, dessen Blick bei den traurigen Fakten Halt macht und da stehen bleibt. Wer hier verweilt und hier seinen ausschließlichen Standpunkt wählt, der gefriert.  Das Trauern und das Weinen ob des Leidens der gequälten Kreatur: Spee verdrängt das keineswegs.   Gerade als Beichtvater vermeintlicher Hexen kennt er das Leid und beschreibt es in mehr als einem Trauergesang.


Bey stiller nacht / zur ersten wacht

Ein stimm sich gund zu klagen.

Ich nam in acht / waß die doch sagt;

That hin mit augen schlagen.


Der schöne mon/ wil vndergohn/

Für leyd nit mehr mag scheinen.

Die sternen lan jhr glitzen stahn/

Mit mir sie wollen weinen.


Kein vogelsang/ noch frewdenklang

Man höret in den Lufften/

Die wilden thier/ trawrn auch mit mir

/In steinen/ vnd in klufften.


Die Wahrnehmung


Verwunderlich und nicht selbstverständlich bleibt, dass Friedrich Spee in solch schweren Leidenszeiten solche Liebeslieder schrieb.  Als Beichtvater von Eingekerkerten und Gefolterten erfährt er die Ausweglosigkeit und Verzweiflung. Er dichtet dennoch, wo es anderen die Sprache verschlägt.  Und er singt gar von der Liebe, die von dunklen Wolken verdunkelt  und von soviel Schmerz aufgezehrt scheint. Spee dichtet über den Abgrund, der sich vor ihm auftut, hinaus.  Er gibt dem Worte, was andere unter solchem Leid nicht mehr wahrnehmen können.  Er spricht von warmer und herzlicher Liebe. Die Weite seines eigenen Herzens stellt sie ihm eindringlich und deutlich vor Augen hält. Er singt von dem, was vom Horizont her durchschimmert, was uns unsichtbar bleibt und dennoch dem Sehnen unseres Herzens Flügel verleiht. Seine Worte formen sich von einer weitsichtigen Warte aus. Die Weise kommt aus der Wahrnehmung einer tieferen Realität.  Sie sind daher keine Flucht in den schönen Schein, sondern der Ausweis tragender Kräfte. Es braucht einen Sinn für Tiefe, um dies zu fassen. Es braucht echte Erfahrung, um so herznah vom Wunder der Liebe zu singen. Spee singt sein Liebeslied unter Tränen des Schmerzes und Leidens.  Friedrich Spee ist ein Liebender.  Er lebt aus dem grundlosen Grund eines liebenden Herzens.


Auf Anfrage stellen wir die Impulsvorträge zur Verfügung.


1. Sein eigen will ich sein - Von der Liebe

2. Wie werden wir Liebende - Vom Weg der Versenkung

3. Heilung aus dem Wesensgrund - Wie das Üben wirkt. 








Jahresgruppe 13.11.2019 - Blatt für Teilnehmende - Auszug



HESYCHIA UND HERZENSGEBET



DAS KOAN DER HESYCHASTEN: „ICH, WER BIN ICH ?


»Es ist noch nicht offen geworden, was wir sein werden. (…) Wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.« (1 Joh 3,4).



DIE EINSAMKEIT DER ZELLE ALS ORT DER OFFENBARUNG


»Fort, geh in dein Kellion und setze dich nieder, und das Kellion wird dich alles lehren.“  

Altvater Mose


Die Herzensruhe ist: in dem Kellion sitzen mit Furcht und Erkenntnis Gottes und sich fernhalten von der Erinnerung an Erlittenes und von Hochmut. Eine solche Ruhe ist die Mutter aller Tugenden.“

Abba Rufos


Ja, man kann sogar in der Zelle eingeschlossen und doch vom Lärm der Welt durchtränkt sein.“

Theophan der Klausner


Liebe die Ruhe und hüte dich vor vielem Reden.“  

Evagrius Ponticus


Wenn du ein Wort der Weisheit hast, sage es deinem Nächsten, hast du keines, lege deine Hand auf deinen Mund.“

Evagrius Ponticus


In jedem deiner Werke setze Gott in deinen Sinn, denn er sieht dich, und du wirst nicht sündigen. Blicke weder nach rechts noch nach links, sondern halte in jeder Angelegenheit die Mitte ein.“

Evagrius Ponticus,






ASKESE - BASIS DES SPIRITUELLEN WEGES 


EVAGRIUS PONTICUS - DIE ACHT GEDANKEN


Völlerei 

Da hilft Enthaltsamkeit.


Unzucht 

„Unverwundet von den Pfeilen des Feindes bleibt, wer die Ruhe liebt“.


Habsucht 

“Ein begüterter Mönch ist ein beladenes Schiff, das im Schwall der Wogen leicht  versinkt. Wie nämlich ein überladenes Schiff von jeder Welle bedrängt wird, so wird der Vielbegüterte von seinen Sorgen überschwemmt. Ein besitzloser Mönch ist ein wohlgerüsteter Wanderer, und an jedem Ort findet er ein Obdach.“ 


Zorn 

„Ein wütender Mönch ist eine einsame Wildsau. Kaum hat er jemanden erblickt, schon fletscht er die Zähne.“ „Ein ergötzliches Schauspiel ist das ruhige Meer, doch  nichts ist ergötzlicher als eine friedvolle Verfassung. Denn in ein ruhiges Meer tauchen Delphine ein, in einer friedvollen Verfassung aber schwimmen gottwohlgefällige Gedanken.“ 


Depression, Kummer

„Finsternis schwächt die Tätigkeit der Augen. Kummer stumpft den beschauenden Intellekt ab. Die Tiefe des Wassers durchdringt kein Sonnenstrahl, und ein betrübtes Herz erhellt kein Licht der Kontemplation. Angenehm ist allen Menschen der Aufgang der Sonne, eine betrübte Seele aber wird selbst davon mit Missvergnügen erfüllt. Wer Gott lieb hat, wird frei von Kummer sein, denn die vollkommene Liebe treibt den Kummer aus.«


Überdruss 

„Den Überdruss heilen Standfestigkeit und dass man alles mit großer Sorgfalt, Gottesfurcht und Ausdauer tut. Verordne dir selbst ein Maß in jedem Werk und stehe nicht eher davon ab, als bis du es vollendet hast. Und bete ununterbrochen und kurzgefasst, und der Geist des Überdrusses wird von dir fliehen.“ 


Ruhmsucht 

„Verkaufe nicht deine Mühen an menschliche Ehrungen, noch gib die künftige Ehre hin um wohlfeilen Beifalls willen.“  

 

Hochmut 

„Eine mauerbewehrte Stadt, das ist ein bescheidener Sinn, und wer in ihr wohnt, ist sicher vor Beraubung.«





Jahresgruppe 05.11.2019 -  Blatt für Teilnehmende



Erich Fried


IRRWEGE


Ich darf enttäuscht sein, aber ich darf nicht enttäuscht sein weil ich enttäuscht bin.

Ich darf nicht weitergehen, wenn ich sehe, ein Weg ist ein Irrweg, auch nicht aus Liebe zu Freunden die weitergehen wollen auch nicht aus Dankbarkeit für die Schönheit des Weges oder aus Bewunderung für seinen großen Entwurf. Aber ich darf nicht aus Enttäuschung über den lrrweg auf einen Stein steigen und schreien: ,,Es gibt überhaupt keinen Weg mehr!"  und ich darf auch nicht hingehen zu denen, die sitzen auf ihrer Bank und sich freuen am Unglück und an der Angst der Verirrten  und mich zu ihnen setzen oder vor ihnen verbeugen und sagen:

,,Wie recht ihr hattet, dass ihr nie einen Weg gesucht habt." Ich darf natürlich müde sein,  wenn ich müde bin. Ich darf auch sterben, wenn ich sterben muss ohne Hilfe.  Aber ich darf nicht müde bleiben wollen, und ich darf nicht ein für alle mal müde sein müde zu werden. Besser zehn Irrwege als gar keinen Weg suchen.  Besser sterben am lrrweg, als sitzen auf einer Bank und sich freuen am Wanken und Hinfallen der Verirrten. Besser sich verirren und sogar besser andere, weil man sich irrt,  in die lrre führen, als ihnen abreden von jeder Suche nach Wegen,  solange es möglich ist, dass da noch ein Weg ist. Den, der den Irrweg geht, darf ich laut schelten, um sein Ohr zu erreichen und ihn abzubringen vom lrrweg, aber nie darf ich sagen: ,,Der dort geht, soll meinetwegen vergehen, denn er geht einen lrrweg." Ich darf warnen vor lrrwegen und ich darf gegen die, die lrrwege gehen und zeigen, ankämpfen um sie zu hindern, aber ich, der schon mehr als einen lrrweg zu gehen versuchte,  darf mich nie für besser halten als die auf dem lrrweg.








Friedensgebet 26.10.2019 - Auszug aus dem Impulsvortrag



Damönen nähren? Feindesliebe praktisch

Eine Inspiration aus dem tibetischen Buddhismus


Die Ursprungslegende von der Entstehung des Chöd


Die große Yogini Machig Labdrön sollte zusammen mit ihren Schwestern von ihrem Lehrer initiiert werden. In einem der wichtigsten Augenblicke der Einweihungszeremonie erhob sich sich Machig durch Magie von ihrem Sitz in die Luft, wo sie in etwa einem Meter Höhe zu tanzen begann und Sanskrit sprach. Im Zustand tiefster Versenkung drang sie ungehindert durch die Lehmwände des Tempels und schwebte zu einem Baum am Ufer  eines kleinen Weihers, der vor dem Kloster lag.

Der Weiher war der Aufenthaltsort eines mächtigen Nagas, eines Wassergeistes. Die Nagas sind launische mythische Schlangenwesen, die Unannehmlichkeiten und  Krankheiten verursachen können, wenn sie gestört werden. Sie können aber auch Schatzhüter und Beschützer sein wenn sie günstig gestimmt werden. Dieser Naga war schreckenerregend, so dass die Einheimischen den Weiher nicht einmal anzuschauen wagten, geschweige denn, sich  ihm zu nähern trauten. Machig Labdrön jedoch landete auf dem Saum genau über dem Weiher und blieb dort in Meditation versunken sitzen. Der Wassergeist betrachtete die Ankunft der jungen Machig als direkten Angriff. Er näherte sich ihr drohend, aber sie meditierte weiter, ohne Angst zu zeigen. Das brachte ihn so in Rage, dass er ein gewaltiges Heer von Nagas aus der Umgebung zusammenrief, um die Meditierende zu vertreiben. Als Machig das Riesenheer von magischen Geistern auf sich zukommen sah, verwandelte sie sogleich ihren Körper in ein Nahrungsopfer für die Geister, und diese konnten sie nicht vernichten, weil sie egofrei war. Die Angriffslust der Nagas verpuffte und nicht nur das: Sie unterwarfen sich ihr, gelobten, sie zu beschützen und sicherten zu, ihr und allen, die ihrer Lehre folgten, zu dienen. Machig hatte sich auf die Begegnung mit den Dämonen eingelassen und ihnen mit nie versiegendem Mitgefühl ihren Körper als Nahrung angeboten, statt gegen sie anzukämpfen, und hatte so aus ihnen Verbündete gemacht.



 


 

Nähre mit liebevollem Geist, noch mehr als ein Kind, die scheinbar existenten feindseligen Götter und Dämonen und umgib dich zärtlich mit ihnen. 

 

Machig Labdrön

 

 

 







Impuls zur Jahresgruppe 28.08.2019


Perlen des Athos - Ein Ausflug in die griechisch-orthodoxe klösterliche Spiritualität


Logismen - Unsichtbare Eindringlinge   (Auszug)



„Vater Maximos saß am oberen Ende des Tisches in der trapeza, dem Speisesaal der Mönche. Er griff zu einem Löffel und schlug damit an ein leeres Glas, das vor ihm stand. Dies war das Zeichen, dass das Abendessen offiziell beendet war. Er gab es, sobald er bemerkte, dass der Letzte seinen letzten Bissen hinuntergeschluckt geschluckt hatte. (…) Alle bleiben stehen und bekreuzigten sich. Vater Maximos sprach leise und kaum hörbar ein kurzes Gebet, segnete die Reste auf dem Tisch und ging dann hinaus auf den offenen, langen Kreuzgang über dem Hof. Alle Mönche stellten sich in einer Reihe auf und traten einzeln zu Vater Maximos, um seinen Segen entgegenzunehmen. War dieses Ritual abgeschlossen, begaben sich alle wieder an ihre Aufgaben.“


 

Herbstliche Duftrose beim ZENtrum

Wenn man liest, wie das Essen im Kloster in Ritualen eingebettet ist, denkt man an unser Essensritual bei den „Stillen Tagen“, das ja auch seine Wurzeln in einer klösterlichen Tradition hat, der des Zenklosters. Viel Gutes stammt aus den Klöstern, sei es nun vom Athos in Griechenland, von dem wir eben hörten, sei es aus den Zenklöstern in Japan, wo unser Zazen geprägt wurde. Unser gemeinsames Üben ist der Versuch, etwas von diesen wert-vollen  Erfindungen zu erhalten, in einer Welt, welche die Klausur belächelt und der Allverbundenheit der Einsamkeit die  geschäftige, digitale Omnipräsenz entgegen hält, dieses neuartige "Überall und so nirgends wirklich Sein" .


Kein Wunder, dass der Berg Athos mit seinen vielen Eremitagen spirituelle Weisheiten erster Klasse bewahrt, die denen der Zenklöster ähneln. Von beidem wissen wir wenig, weil deren Geheimnisse auf Erfahrungen beruhen und diese gar nicht kommunizierbar sind, so wenig wie das Aroma von Kaffee für den, der es nicht kennt, erklärbar wäre. Und dazu kann man den heiligen Berg, den Athos, nicht so einfach betreten. Niemand kommt da hin, nur weil er das will.  Kostbar ist es, wenn es Menschen gelingt, dort länger als Gast zu sein und sie später von diesen verborgenen Kostbarkeiten berichten oder schreiben.


In einem solchen Buch "Der Berg des Schweigens"  von Kyriacos Markides, einem aus Zypern stammenden Soziologieprofessor der Universität Maine, sind solche Schätze der griechisch orthodoxen Spiritualität beschrieben. Und es ist erstaunlich, wie tief das Christsein dort verstanden wird. 


 

Kreuz im Garten der Klausur

„Die Menschen sind verwirrt. Sie glauben, das vordringlichste Ziel unseres Daseins sei es, ein guter Mensch zu werden oder zu einer verantwortlichen, gesellschaftlich gut angepassten und ausgeglichenen Persönlichkeit heranzureifen. Ein grobes Missverständnis. “ - „In aller erster Linie lehrt die Ecclesia (= Kirche, die Herausrufende) die Mittel und Wege wie eine Menschenseele die Christifikation erlangt, ihre Heiligkeit, ihre Vereinigung mit Gott.  Das höchste Ziel lautet vollkommen zu werden wie unser Himmlischer Vater vollkommen ist, einzuwerden mit Gott. Christus ist nicht in die Welt gekommen, um uns beizubringen, wie wir gute Menschen werden, uns anständig benehmen oder auf dieser Erde ein rechtschaffenes Leben führen können. Er ist auch nicht gekommen, um uns ein Buch zu überbringen. (…) Er ist gekommen, um sich selbst zu geben und uns den Weg zur Erlösung zu zeigen. (...) 

Schon Athanasius der Große hat das gesagt: Gott ist Mensch geworden, damit die Menschen Gott werden können. Und Satan nennt die Orthodoxie die Kraft, die uns daran hindert, dieses Ziel zu erreichen. Wie macht er das."

Vater Maximos



Was die Altväter der klösterlichen Orthodoxie „Logismoi“nennen, zu deutsch: Gedanken, das kennen wir auch beim Zazen als eine ständige Begleitung des Übens. Die Kunst der Kontemplation und des Zazen besteht darin, diesen Affengeist zu zähmen.  Sitzen wie ein Berg und alle Gedanken wie die Wolken ziehen lassen und nichts davon festhalten, so heißt es im Zen.  Aber die „Logismoi“ meinen mehr als einfache Gedanken. Logismoi beschreiben auch Gedanken mit einer großen Kraft, die bis in das Innere des Menschen einzudringen vermögen. Und mehr noch: Bestimmte in den Menschen eingedrungene Logismoi haben die Macht, schon die geringste Spur eines spirituellen Lebens im Grundsatz zu untergraben. Wer als gewöhnlicher Mensch in der Welt lebt, merkt das nicht und weiß nichts über die Macht und das Wesen der Logismoi. Erst beim Voranschreiten auf einem spirituellen Weg, beginnt man dies wahrzunehmen. Die Mönche des Athos haben eine beeindruckende Methodik entwickelt, wie man mit Logismoi umgehen kann, - hilfreich auch für unser Zazen. (...)


Zitate aus dem Buch "Der Berg des Schweigens", siehe Buchhinweise



Jahresgruppe 04.09.2019


Logismoi - Hindernisse auf dem Weg in die Gotteinung  (Auszug)



Erst wunderte sich der spätere Vater Maximos, dass Mönche auf dem Athos ihre Gedanken beichteten. Später als Mönch verstand er, was die Mönche da machten. Erst wenn man ernsthaft einen Weg der spirituellen Übung geht, beginnt man die Macht der Logismoi zu spüren. Nichtpraktizierende merken sie meist nicht. Logismoi stürmen ständig auf Herz und Kopf ein. Es sind die Kräfte, die verhindern, dass wir die Realität Gottes erleben.

Die Intensität eines einzelnen Logismos kann so stark sein, dass ein Mensch vollkommen in seinem Bann steht und sich ohnmächtig und hilflos fühlt. Selbst wenn man sich mit ganzer Kraft dagegen wehrt, kann das vergebliche Mühe sein.  Für spirituell gereifte Menschen hingegen sind Logismoi wie Fliegen, die ständig in einen leeren Raum kommen. Da sie nichts finden, worauf sie absitzen und sich niederlassen können, da sie nichts finden, was sie anzieht, verschwinden sie wieder. Die Entleerung auf dem Weg der Kontemplation lässt sie buchstäblich ins Leere gehen.


Altvater Maximos erzählt von einer feinen Methodik im Umgang mit Logismoi, wie sie sich im orthodoxen Mönchstum und seiner spirituellen Weisheit herausgebildet hat. Doch zuvor erklärt er das existentielle Dilemma der Menschheit, wie ihn der jüdisch-christliche Mythos veranschaulicht.


Es gab einmal eine Zeit, in der die Menschen in völliger Übereinstimmung mit ihrem wahren Wesen gelebt haben. In diesem Zustand war ihre gesamte Energie, waren all ihre Kräfte völlig im Einklang miteinander und auf (…) die Bewegung zu Gott hin ausgerichtet. Herz und Verstand kannten nur ein einziges Ziel, - das beständige Sein in Gott durch das immerwährende Gebet. Atem und Beten waren eins.

Auf jener Stufe war ihre einzige Erfahrung und ihr einziges Streben die „Theoria“, wie die Altväter sagten. Theoria meint etwas ganz anderes als unser modernes Wort „Theorie“.  Theoria meint die Schau Gottes. Ein Schauen Gottes, das auf Erden anhebt und in die Einheit mit Gott führt.


Balkon der Eremtitage, September 2019

Durch den Fall … brachen die Menschen diese Beziehung der Einheit mit Gott. Daraufhin saßen sie in der Welt der drei Dimensionen, der Materie, der egoistischen Leidenschaften, der Sünde fest und verstrickten sich darin.  Sie befanden  sich nicht mehr im Zustand des immerwährenden Gebetes, was eigentlich von Natur aus ihre wahre und wesentliche Funktion war. Durch diese Spaltung zwischen Menschheit und Gott musste die ganze Schöpfung leiden. "

Statt des ständigen Daseins im Gebet haben wir jetzt das Phänomen der immerwährenden Erzeugung von Logismoi.  Gedanken  sind unserem ursprünglichen Zustand  fremd.  In dem Moment, wo wir von Gott abgeschnitten sind, traten wir in ein Dasein der Verlorenheit in Gedanken. Wir sind von weltlichen Angelegenheiten beherrscht und in der Außenorientierung gefangen.







Jahresgruppe 11.09. (Auszug)

Perlen des Athos

Entwicklungsstufen der Logismoi und Umgang mit ihnen


 


Die Trennung von Gott wird durch Logismoi aufrechterhalten. Erbsünde meint den Daseinszustand von Trennung, in den wir hinein geboren werden. Das ständige Bombardement unseres Herzens und unseres Verstandes durch die Logismoi, hat ihre tiefste Ursache darin, dass wir nicht mehr im Einklang leben, sonder in der Spaltung "Ich" und der Rest.    Erbsünde Worten meint  die von Gedanken installierte Entfremdung und Trennung vom Urgrund.


Die Auffassung der Mönche auf dem Athos vom Fall des Menschen kann man als reaktionären Mythos eines falschen Bewusstseins kritisieren.  Das mentale Bewusstsein versteigt sich schon mal in diese wertende Anmaßung. Man kann den Mythos auch als Hilfe und Ermutigung lesen, alle Kräfte auf die Heilung dieser Entfremdung zu richten, damit aus zwei wieder eins wird, damit aus Kopffüßlern Menschen werden. In solcher Einheit geben wir uns auf, um uns wahrhaft zu finden.  Wir stellen eine basale Basis her, ohne dabei den Kopf zu verlieren. Genau umgekehrt: Unser Denken klärt und schärft sich vielmehr mit diesem Untergrund. Es setzt nicht mehr als  impotenter und steriler Diktator auf den Thron, sondern wird fruchtbar, wo es nicht mehr allein das Sagen hat, sondern wo Herz und Verstand im Berühren der Transzendenz  zusammenfinden und die Ratio als ins Ganze eingebundene ihre wahre humane Qualität entfalten kann. 


Für die Mönche ist daher klar: Es ist das immerwährende Beten, das Verweilen in der Gegenwart Gottes, das der Macht der Loismoi etwas wirkungsstarkes entgegensetzen kann. Das Einswerden mit unserem Urgrund heilt unsere wild galoppierende Ratio und bringt sie in eine gute Spur.




Aus der Kladde mit Teilnehmerblatt



Die Entwicklungsphasen der Logismoi


1 Das erste Stadium ist der Ansturm von Logismoi

Wenn uns dies gelingt, dass wir bei starken Logismoi einfach standhalten, kein Aufhebens um sie machen, keine endlosen Fragen stellen, uns von ihnen nicht führen lassen, sondern in der Apatheia, einer tiefen Gemütsruhe ohne Anhaftung, verbleiben, dann ist das ein großer Erfolg. Und je öfter es uns gelingt, dem Affengeist nicht zu folgen, desto intensiver reifen wir spirituell. Anders gesagt: Schon ein kleiner Sieg hilft uns auf die Sprünge. Logismoi-Attacken bieten daher eine hervorragende Trainingsmöglichkeit in Sachen Standhalten gegen die Verlorenheit in Gedanken, die wenig Ertrag bringt. Solche Siege führen uns dahin unabhängiger zu werden und lassen unsere innere Freiheit beim Aufstieg zu Gott wachsen.


2. Die die zweite Entwicklungsstadium das Einlassen von Logismoi

Das Einlassen meint die Eröffnung eines Dialogs mit dem logismos. Es kommt zum Austausch. Wenn dich ein logismos drängt, fremd zu gehen, dann beginnst du mit diesem Gedanken zu spielen: Soll ich oder soll ich nicht? Was passiert, wenn ich das tue?  Du malst dir Gelegenheiten aus. Einlassen kann bei Unreife oder Schwäche riskant und gefährlich sein. Der Logismos wird durch Pflege stärker. Andererseits: Was spricht dagegen, einen logismos zu bedenken und verschiedene Optionen abzuwägen. Das kann klug sein und ist keineswegs strafbar. 


   3. Das Einverständnis zur Ansage des Logismos 

Man stimmt der Einladung des Logismos zu und gibt seinem Drängen nach. Du hast eine Entscheidung getroffen, dem nun ein Tun folgen kann.  Dein Handeln mag sich aus dem starken Druck erklären, den der Logismos auf dich ausübt. Du kannst dem jedoch nachgeben oder nicht. Es braucht deine Entscheidung. Du triffst sie im Herzen.  Wenn ein Mensch es in einem solchen Fall fertig bringt, durch ein geistliches Tun in sein wahres Wesen einzutreten und die Allverbundenheit in sich realisiert, kann er die Tat schwerlich ausführen. Im Athos empfiehlt man, den Namen Gottes anzurufen und zu beichten. So vermeidet man die nächste Stufe. Es ist immer möglich, das gute und starke Kräfte aus dem Raum der Ewigkeit, dich im Stadium des Einverständnisses leitend begleiten.



   Im 4. Jahrhundert, als Johannes Chrysostomos Patriarch von Konstantinopel war, behaupteten christliche Eiferer, wenn der Mensch einem logismos nachgebe, dann sei das gerade so, als habe er die Tat bereits begangen. Johannes Chrysostomos lud darauf diese Leute zu einem üppigen Bankett mit besten und feinsten Speisen ein. Zuvor informierte er die Gäste, tagsüber nicht zu essen, es gäbe eine Überfülle an Gerichten.  So kamen alle mit leerem Bauch und großem Hunger.  Als Tischgebet ließ er Psalmen vorlesen. Es dauerte unendlich lang. Seinen hungrigen Gäste hinter den dampfenden Schüsseln lief das Wasser im Munde zusammen vor Verlangen. Endlich war das Gebet vorbei.  Johannes sagte darauf seinen Gästen: „Ihr dürft nun gehen.“ Sie waren schockiert und verwirrt. „Warum schaut ihr verblüfft?“, fragte er sie. „Habt ihr die Speisen nicht gesehen?“  „Das haben wir.“ „Hat es euch nicht nach ihnen verlangt?“ „Doch, das hat es.“ „Haben sich bei Euch nicht Geist und Körper infolge dieses Verlangens verändert?“ „Doch.“  „Nun“, sagte er zu ihnen, „dann war es doch ganz so, als hättet ihr die Speisen gegessen!“ 


   Mit diesem Streich gelang es Johannes Chrysostomos, diese strengen, aber geistlich unerfahrenen Christen davon zu überzeugen, dass es ein großer Unterschied ist, ob man eine Sünde in seinem Herzen begeht oder tatsächlich in die Tat umsetzt, so Vater Maximos.



4. Der Sieg des Logismos, von der Gefangenschaft zur Obsession

Wenn aus der wiederholten inneren Zustimmung zum Logismos keine Errettung geschieht, folgt die Niederlage. Denn mit jeder Wiederkehr wird der Logismos stärker und mächtiger.  Irgendwann kann man nicht mehr widerstehen. Aus Bestürmen, Einlassen und Zustimmen wird die Tat.  Diese Geiselnahme durch den Logismos nennen die Altväter auch Gefangenschaft. Daraus entsteht final eine Obsession. Im Bewusstsein des Menschen hat sich der Logismos zu einer festen Realität verhärtet. Nach den Worten der Altväter haben wir damit Satan Schlüssel und  Zugang zu unserem Herzen verschafft. Er kann nun ein- und ausgehen, wie es ihm behagt.  Wir sind machtlos. Da es sich hier um eine Art Sucht handelt, kann man sich nur schwerlich durch eigene Kraft befreien.  


"Durch die Gnade des Heiligen Geistes ist alles möglich, auch die Heilung der Logismoi."

Vater Maximos







Jahresgruppe 26.09. 2019 - Auszug

 

Umgang mit Gedanken


Wege lästigen Gedanken umzugehen aus der Werkstatt der Altväter:


1. Ignorieren und Gleichgültigkeit - Apathia

2. Die aktive Gegenwehr

3. Den Verstand  nutzen, bewusst einen anderen Gedanken setzen.

4. (Kraftvolle) Bewegung  und Arbeit    

5. Eine gute Struktur

6. Ora


Gebet ist natürlich die effektivste Methode.  Und das wichtigste Gebet ist das Efche, die wiederholte Anrufung des Namens Christi, das „Jesus Christus,erbarme dich meiner.“   Beten tut seine Wirkung in den tiefsten Tiefen des menschlichen Herzens und führt zu wahrer geistlicher Gesundheit.  Wenn unser Herz vom Gebet bewacht wird, dann kann sich ihm kein Bild oder negativer logismos, der uns über den Weg läuft, einprägen. Weißt du, das Gebet wirkt auf geheimnisvolle Weise in Herz und Verstand der Menschen und bringt sie nach und nach mit Gottes Liebe in Berührung. In dem Moment, in dem ein Mensch eine Kostprobe von der Kraft der göttlichen Liebe erhält, werden alle anderen Erfahrungen auf dieser Welt im Vergleich dazu belanglos.“


7. Lege

Nicht nur Gebet, auch z.B. die  Lektüre göttlich inspirierter Literatur erzeugen wir in unserer Psyche spirituelle Antikörper, die uns helfen gegen destruktive geistige Viren negativer Logismoi bekämpfen könnten.  Es gibt vom Heiligen Geist  inspirierte Bücher. Wer sie studiert, hat auf mystische Weise an dieser göttlichen Gnade teil.


Negative Logismoi können großen Schmerz, viel  Leiden und Unglück und bittere Erfahrungen verursachen. Dennoch sind solche vom Teufel betriebenen Geschäfte manchmal in der Pädagogik Gottes das einzige Mittel, das Gott bleibt. Wenn ein Mensch, stolz auf seiner eingebildeten Größe besteht,  wenn er stur und rücksichtslos sein rigides Konzept verfolgt, gibt es manchmal keine Alternative, seine Hochnäsigkeit zu stutzen. Manchmal dient dann das Unglück, das über ihn kommt dem Guten und ein Mensch erlangt auf diesem unangenehmen Weg Demut.


8. Alle Gelegenheiten, Anlässe, Orte, Kontexte und Gesellschaften meiden

ist wichtig bei Obsession durch einen Gedanken. Die Altväter nennen solche Obsessionen auch Philepistrofa. Das bedeutet, dass sie Freunde der Wiederkehr sind, wie bei einer Sucht.


Die Mönche sprechen von 3 deutlich unterscheidbaren Phasen auf dem spirituellen Weg.


  1. Die Katharsis Die Reinigung von egoistischen Wünschen und Orientierungen

  2. Die Fotisis   Die Erleuchtung der Seele nach gelungener Katharsis als ein Geschenk des heiligen Geistes

  3. Die Theosis Die Vereinigung mit Gott



Transformation statt Verdrängung

Im Westen sprechen manche vom Unbewussten, wo das abgelagert wird, was wir nicht so gerne sehen.  Aus der Sicht von Vater Maximos dürfen wir mit negativen Gedanken so nicht umgehen.  Die Herausforderung eines spirituellen Weges besteht geradezu in der Beseitigung des Unbewussten.   Daher sprechen die Mönche auch von einem inneren geistlichen Kampf.  Sie wissen, dass uns -  wenn es still wird - alles begegnen kann, was in uns steckt. Und das dürfen wir weder verdrängen, noch niederstechen oder vertagen.  Ohne rechte Auseinandersetzung kommen wir nicht voran. Die Katharsis gehört dazu. Wir merken  wie  in uns ein inneres Ringen und Kämpfen anhebt.  Dies geschieht am Intensivsten in der Stille und in der Sammlung. Das ängstigt manche Menschen sehr. Daher vermeiden sie dies.  Auch Gesellschaften, die an einer inneren menschlichen Bildung und Reifung nicht interessiert sind, verbannen das Stille und das Dunkel. Sie setzen auf gute Ausleuchtung, Reizerhöhung und die Beschäftigung damit. Digitalisierung ist jedoch kein spiritueller Weg. 

Einen spirituellen Weg gehen, bedeutet mehr als bloßes Mitmachen und Durchkommen.


Vater Maximos sagt es so:


Auf dem geistlichen Kampfplatz der Logismoi zielen wir auf die Umwandlung und Metamorphose unserer Leidenschaften und nicht darauf, sie im sogenannten Unbewussten zu verwahren.“


Wir haben gelernt, bestimmte Methoden anzuwenden, mit deren Hilfe wir bis in die Tiefen unseres Wesens vordringen können, bis in das, was der Westen Unbewusstes nennt. Und wir haben gelernt, anderen zu helfen, ihre eigenen Tiefen zu erkunden. Gemäß der Spiritualität der heiligen Altväter darf das Unbewusste nie im Dunkeln bleiben.  Das Ziel ist, es zu reinigen, zu destillieren und transparent zu machen. Wir dürfen unsere Schwächen und Leidenschaften niemals unterdrücken. Das Ziel ist es, den einzelnen Menschen mit seiner ganzen Person zu heiligen. (... ) Wer seine eigenen Leidenschaften unterdrückt hat, der wird wütend und entwickelt das Bedürfnis zu bestrafen. Wenn du einem solchen Menschen sagst, dass du Mist gebaut hast, dann wird er aufgebracht und urteilt scharf. Er wird intolerant, ohne eine Spur von Mitgefühl. Weißt du, warum? Weil er selber leidet. Er trägt sehr viele unterdrückte Gefühle und Wut in sich, viele verdrängte logismoi. Ein solcher Mensch ist moralisierend und fromm, aber kein Heiliger. Sein Kennzeichen ist nicht größte Demut.“



Leo Tolstoi

Die drei Einsiedler


Ein Bischof reiste zusammen mit anderen Pilgern per Schiff zum Kloster Solovki. Unterwegs hörte er Gerüchte, auf einer verborgenen Insel auf der Route lebten drei alte Eremiten, die ihr ganzes Leben mit dem Versuch zugebracht hätten, ihre Seele zu retten. Der Bischof war beeindruckt und bat den Kapitän inständig, das Schiff anzuhalten, damit er sie besuchen könne. Nach einigem Zögern war der Kapitän einverstanden und ließ vor der Insel Anker werfen. Der Bischof wurde sodann in ein Boot gesetzt und mit mehreren Ruderern ans Ufer gebracht. Die drei Eremiten waren in Lumpen gekleidet, und ihr langer weißer Bart reichte ihnen bis zu den Knien. In völliger Demut hießen sie den Bischof willkommen und verneigten sich tief. Dieser segnete sie und fragte dann, was sie täten, um ihre Seele zu retten und Gott zu dienen. Sie sagten, sie hätten keine Ahnung, wie man Gott dient. Sie dienten sich einfach gegenseitig und sorgten füreinander. Der Bischof erkannte, dass die armen Eremiten nicht einmal wussten, wie man betet; denn sie erhoben lediglich die Arme zum Himmel und sprachen: Du bist drei, wir sind drei, hab Erbarmen mit uns. Der Bischof betrachtete es als seine kirchliche Pflicht, die drei Eremiten das Vaterunser zu lehren. Sie waren jedoch schlechte Schüler und brauchten einen ganzen Tag Unterricht. In der Dämmerung und vor seiner Rückkehr auf das Schiff erteilte der Bischof ihnen sogar noch eine kurze Lektion in christlicher Theologie.

Doch siehe! Als das Boot die Insel bei Sonnenuntergang verließ, erblickten alle Passagiere auf dem Schiff in der Ferne eine Szene, die sie mit Furcht erfüllte. Die drei Eremiten liefen übers Wasser als sei es Festland. Als sie neben dem Schiff angelangt waren, flehten sie den Bischof an, ihnen das Vaterunser noch einmal beizubringen, denn die armen Kerle hatten es bereits wieder völlig vergessen. Der Bischof bekreuzigte sich in Ehrfurcht und sagte, sie mögen mit ihrem eigenen Gebet fortfahren, denn sie bräuchten keine Unterweisung. Dann verneigte er sich tief vor den alten Männern und bat sie, für ihn zu beten. Diese machten kehrt und liefen übers Meer zurück auf ihre Insel.  Und bis zum Morgengrauen leuchtete ein Licht an der Stelle, an der man sie zuletzt gesehen hatte.


»Die drei Einsiedler« in: Leo Tolstoi, Gesammelte Erzählungen, Diogenes 2006.



























Jahresgruppe, 26.06.2019 


Glück auf dem Weg der Kontemplation


Wir folgen Gedanken aus dem  Buch von Stefan Bauberger, Glück ohne Ratgeber



Glück als ein Wort der Religionen meint etwas anderes, als das, was wir im gewöhnlichen Alltag mit Glück beschreiben.  Im letzten Buch der Bibel wird solches Glück bebildert.


Dann sah ich einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, auch das Meer ist nicht mehr Und die heilige Stadt, das neue Jerusalem, sah ich von Gott her aus dem Himmel herabsteigen, bereit wie eine Braut, die sich für ihren Mann geschmückt hat. Und ich hörte eine gewaltige Stimme vom Thron her rufen: Seht, das Zelt Gottes unter den Menschen! Er wird in ihrer Mitte wohnen und sie werden seine Völker sein und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein. Er wird jede Träne von ihren Augen abwischen und es wird keinen Tod mehr geben; auch keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal wird es mehr geben; denn das Frühere ist vergangen. 

Und er, der auf dem Thron saß, sprach: Seht, ich mache alles neu. Und er sagte: Schreib, denn diese Worte sind zuverlässig und wahr. Er sagte zu mir: Es ist geschehen. Ich bin das Alpha und das Omega, der Anfang und das Ende. Ich werde dem Dürstenden umsonst vom Quell des Lebenswassers geben. ..)

Auch braucht die Stadt weder Sonne noch Mond, damit sie ihr leuchten; denn der Lichtglanz Gottes hat sie erleuchtet und ihre Leuchte ist Christus das Lamm.                                                                   Offenbarung des Johannes, Kapitel 21    


Im Lotus-Sutra des Mahayana-Buddhismus ähnliches, auch wenn es ganz anders klingt. Da wird der  Bodhisattva Maitreya mit folgenden Worten zitiert:


Warum erleuchtet unser Meister Buddha aus dem weißen Haarkreis zwischen den Augenbrauen alles mit großem Lichtstrahl? Der Regen von Mandarava und Manjusaka-Blumen, die Brise mit Duft von Sandelholz vermag das Herz von allen zu erfreuen. Auf Grund dessen ist die Erde ganz strahlend und rein und die Welten werden sechsfach erschüttert. Nun ist die vierfache Gemeinde ganz voll Freude, im Körper und Geist sind die Menschen beglückt, etwas zu erlangen, was noch nicht dagewesen.




Glück und Erfüllung jenseits menschlicher Vorstellungskraft. Das ist die Kunde des Religionen. Glück ist kein beliebiges Acessoire von Religion sondern ihr wesentlicher Grund. Solches Glück durchdringt in jedem Augenblick das ganze Universum, jeden Menschen, jedes Lebewesen. Es überschreitet  allen Schmerz und alles Leiden. Mose, Buddha, Jesus, Mohammed: Viele haben diese Wirklichkeit geschaut. Sie haben Trauer und Schmerz gekannt und manches durchlitten.  Doch das Band zum universalen Glück bewährte sich.  Ein Glück, das jenseits von Befindlichkeiten und Gemütszuständen liegt. Echte spirituelle Wege, sind immer Anwege zu diesem unendlichen Glück.  Das unterscheidet sie von religiöser Folklore und Vertröstung und säkularer Wellness und Wohlfühligkeit

 

 

Das Glück der Religion ist ein unendliches. Es ist transzendent. Daher geht es über das gewöhnliche Glück weit hinaus. Es lässt sich schwer bezeichnen und bebildern. Denn es liegt  jenseits des Normalen.  Es steht quer zu dem, was wir mit Glück meinen. Es liegt in einer anderen Dimension. Es ist keineswegs Fortführung oder gar Weiterentwicklung des gewöhnlichen Glücks, verschieden von bloßer Maximierung unserer eigenen Glückserfahrungen, auch unsere Sehnsucht nicht unterscheidet zwischen diesem und jenem Glück.  


Wird dieses transzendente Glück der Religionen auf das gewöhnliche reduziert, entsteht ein schales Gebräu: käuflich, machbar, selber herstellbar, teuer, nicht haltbar.

                       

Echte Religion sagt immer: Nur die Ausrichtung auf das »Nirvana«, auf das ganz Andere, auf das Transzendente kann Befreiung schenken.  Wer sich z.B. der eigenen Sterblichkeit stellt, ohne eine leicht-fertige Lösung zu bestimmen , ohne billiges Akzeptieren, ohne apathische Resignation, rauschhafte Flucht, rationale Beschwichtigung oder fruchtlose Resignation, dem kann diese echte und mächtige Begegnung eine neue Heimat im Transzendenten öffnen.  Buddha hat dies so erlebt, Jesus auch.




Jahresgruppe 08.05.2019


Kontemplation - Ein Weg in die Fülle   (Auszug)


In der Kontemplation und im Zazen geht es nicht um ein Nachsinnen über die göttliche Wirklichkeit, sondern um ein Überschreiten der alltäglichen, sinnlichen Wahrnehmung. Denn unsere Sinne nämlich beziehen sich immer auf ein Etwas oder Einen jemand, einen Gegen-stand.

In der Mystik geht es auch nicht um ein Bedenken und ein „Sich vorstellen“ der ersten Wirklichkeit.  Vielmehr transzendieren wir alles Denken und jedes rationale Begreifen. Denn das Denken trennt immer zwischen mir als Subjekt und einem Objekt des Denkens.

Unsere Übung zielt auch nicht auf einen religiösen Akt der Anbetung oder Verehrung. Wir machen also keine Statio vor dem Göttlichen. Denn das An-beten in Wort und Gesang setzt einen Unterschied zwischen dem „Ich“ des Beters und dem „Du“ des im Gebet oder im Gestus verehrten Göttlichen. 


Worum geht es dann in der Mystik? Wenn unser Üben uns alles Sinnen, alles Denken und alles Tun - selbst das Fromme – weg nimmt, so haben wir buchstäblich nichts mehr in der Hand. Herz und Be-wußtsein werden leer, auch von uns selber.  Zen for nothing, titelt daher ein Film. Nichts! Nada! Leere! Wer kontempliert wird merken, dass dieses Überschreiten der alltäglichen Wahrnehmung eine un-glaublich große Herausforderung darstellt und eine tiefe Hingabe braucht. Unsere menschliche Konditionierung ist dazu gänzlich anders. Daher macht Stille vielen Angstschweiß und die Vorstellung von Leere entsteht,  bereits echte Panik und Adrenalin zur Flucht.


Wir leben so, dass wir ständig etwas ein-nehmen. Wir verstehen das Lernen, also einen Vorgang des  "Ein-bildens" von Gegenständen und Erfahrungen.  Immer nehmen wir etwas auf, immer sind wir darauf aus, Neues auszumachen, um es uns anzueignen, immer sortieren wir ein, immer bewerten wir, immer speichern wir ab. Auch das soziale Miteinander besteht aus Eindrücken und Ausdrücken, einem ständigen Kommunizieren zwischen mir und anderen.  Der Wert unserer Übung besteht darin, dieses Projekt nicht zu verbessern oder zu entwickeln, sondern zu unterbrechen.  Neben die lauten Qualitäten, die wir für das alltägliche Leben brauchen, die uns in Trab halten und auf die wir im Alltag fokussieren, tritt ein Raum von Stille.  Neben den Betrieb stellt sich die Leere.  Im Üben entwickelt sich das und wird langsam eine Größe. Irgendwann kann es geschehene, dass Stille und Leere gewichtig werden, ja übergewichtig: Dann beginnen wir aus dem Nichts zu leben. Wir sind dann anderswo zu Haus.

Wir sind eins mit Gott.

 

Die neue, innere Heimat ist ein solch starker Raum, das er unser Leben von innen formt, unser Denken, Sinnen und Handeln vertieft, weitet, klärt, stärkt, intensiviert und verwandelt. Lebensqualität aus dem Nichts. Kontemplation und Zazen sind kein Lernen, wie wir es kennen. Wir üben etwas, was wir nicht können und verloren haben, wovon alle Mythen der Religionen aber berichten: Eine Weise des Einsseins. Unser Beitrag: Wir konditionieren uns um. Wir lernen beim Üben nichts dazu und gewinnen dennoch.  Es entsteht eine Bildung und Formierung, eine Neuformatierung von innen, aus unserem Wesen, vom Quell des Lebens her, aus Kräften, die wir nicht begreifen und aus einem Raum, über den wir niemals 

verfügen können, Bildung aus tiefer Stille, Formung aus dem Nichts.


Menschen, aus jüdischem, moslemischen, christlichen oder hinduistischem Hintergrund wählen für diesen tiefen Raum der Stille und des Schweigens das Wort Jahwe oder Allah oder Gott oder Shiva, Vishnu oder Brahman. Martin Buber spricht von der Stimme verschwebenden Schweigens. Gerade die jüdische Kultur setzt eine Grenze. Das Unaussprechliche, darf nicht mit einem Namen betitelt und mit der Stimme ausgesprochen sein.  Im Islam gibt es die 100 Namen Gottes, weil ein  Wort allein ihn nicht fassen kann. 


Im christlichen berührt uns das Geheimnis, dass ein Mensch namens Jesu, Gottes Sohn und wir daher Gottes Söhne und Töchter und damit Erben Gottes werden. Der Mensch ein Geheimnis, das in die Ewigkeit ragt. Und ein Gott, der Gesicht zeigt.




Jahresgruppe 15.05.2019


Kontemplation - Ein Weg zur Liebe   (Auszug)



Kontemplatives Üben wählt keinen äußeren Weg des Denkens, Sinnens oder Tuns, der in die objektive Welt auslangt, der daraus schöpft und sich darin erschöpft.  Das wäre ein recht enge Welt, eine Masse von Gedanken und Reizen zwar, aber keine Weite und kein Geschmack von Himmel. Jesus Anweisung verlockt uns dazu, uns in Gott hineinzubilden, uns mit ihm zu einen, statt etwas zu lernen. Wir dürfen so in Einklang kommen mit dem Raum der Stille und mit uns selber, statt weiter nach etwas zu suchen und uns nur zu nähren aus der Welt der Phänomene und Gestalten.  In Einklang kommen. Einklang statt etwas dazu. Das bedeutet heimzukommen und einzutreten in ein Fertighaus. Wir brauchen keines selber zu bauen, - eintreten: Das reicht. Und wenn es uns nach außen zieht, von Neuem eintreten und wenn wir zweifeln und zögern, ebenfalls eintreten mit allen Vorbehalten. Sie beginnen sich von alleine aufzulösen. Einklang, Einssein.


Christliche Mystik ist in weiten Teilen Liebesmystik. Sie beschreibt dieses Geschehen als eine Vereinigung in Liebe.  Ihr liebstes Buch das große Liebeslied der Bibel, das Lied der Lieder, das Hohelied, das den Prozess des Heimfindens und Einswerdens in erotischen Bildern von sehnsüchtig liebender Braut und heimgesuchten Bräutigam beschreibt. Aus dem Gegenüber von Ich und Du wird Einheit, aus der Trennung in Zwei ein einiges Eins.  Im Buddhismus sprechen wir vom Erwachen aus der Illusion der Trennung. Einssein: Ich bin nicht getrennt.


Zeugnisse, die solche Vereinigung mit dem tiefen Raum aus Nichts, mit dem unsagbaren Göttlichen beschreiben, gibt es, auch wenn der Weg dahin selten gegangen und noch weniger angeleitet und begleitet wird. Bernhard von Clairvaux spricht in einer Ansprache über das Hohelied davon, dass die Seele sich erst dann zufrieden gibt, wenn sie in Gott wohnt: Alles andere ist ihr zuwenig:


Eine so gestimmte und so geliebte Seele wird mit jener 0ffenbarung des Bräutigams nicht ganz zufrieden sein, 

die durch die geschaffenen Dinge der großen Masse zuteil wird,  noch mit jener, die nur wenige in Gesichten und Träumen erleben. 


 

 

 

 

Die Seele gibt sich erst zufrieden, wenn sie den besonderen Gnadenerweis erfährt,  den vom Himmel her sich ins Mark ihres Herzens senkenden Gott in zartester Liebe aufnehmen und ihn, nach dem sie verlangt, bei sich haben zu dürfen, nicht körperhaft, sondern eingegossen, nicht an die Sinne, sondern an die Seele rührend.

                       


Ohne Zweifel ist der Gast ihr um so angenehmer, als er innen, nicht außen ist.  Ist er doch das Göttliche Wort, nicht das tönende, sondern das durchdringende, nicht das geschwätzige, sondern das wirksame, nicht das ohrenbetäubende, sondern das herzumfangende Wort. Sein Gesicht ist nicht bildhaft, sondern bildend; es sticht nicht ins Auge des Leibes,  sondern erfreut das Antlitz des Herzens; es bezaubert durch seine Liebe, nicht durch seine Farbe.“









Stille Tage Pfinsten - Vortragsimpuls 1,  Auszug


 

CLAUSTRUM - SCHOSS DER GOTTESGEBURT



Hic est vere claustrum beatae Mariae virginis.“

Hier ist der wahre Schoß der seligen Jungfrau Maria.“


  

Der Weg des buddhistischen Zazen und der Weg christlicher Kontemplation entstammen beide dem Kloster. 

 Wir übersetzen das im Kloster gefundene quasi in die säkulare Realität und siedeln die Übung des Zazen in unserem gewöhnlichen Alltag an.  In einer nach außen und ins Vielerlei orientierten Zeit gehen wir darin komplementär.  Das Komplementäre macht unsere Welt erst komplett. Wir erhalten das Rettende, damit wir selber nicht in Geschäftigkeit und Trubel verloren- oder gar untergehen.  Daher leben wir ein wenig wie im Zenkloster, wenn dort ein- oder zweimal im Jahr eine besonders intensive Zeit, nämlich ein Sesshin stattfand. Daran orientieren wir uns.  Sesshin heißt übersetzt, den Herzgeist berühren.  

Dazu gehen wir in Klausur. Klausur: Ein Ausdruck der aus christlichen Klöstern stammt und viele zum Erschrecken bringt: Zu einer ganz anderen Sichtweise lädt eine Zen Geschichte ein: 


Ein Europäer sucht wochen- und monatelang einen allseits berühmten Weisen, der irgendwo in Tibet leben soll. Schließlich findet er den alten Weisen nach langer Suche auf einem einsamen Berg im Himalaya, fernab von allen Straßen und Pfaden, fernab von Betrieben und menschlichen Ansiedlungen. Der Europäer ist ganz überrascht, den Weisen in einer solch gottverlassenen Einöde anzutreffen und fragt ihn: „Ist es nicht furchtbar langweilig, so einsam zu leben, so weit weg von allem?“ – Doch der Weise wendet sich ihm völlig erstaunt zu und fragt: „Wovon weit weg?“


Zu Stillen Tagen kommen, heißt eine Klausur wählen, - ganz freiwillig und ohne Nötigung. Das tun wir nicht, um uns zu quälen und um uns soziale Kontakte und das Leben abzugewöhnen.  Das tun wir, weil wir uns davon etwas versprechen.  Solche Askese lohnt.


Horchen wir ein wenig in diese Tradition hinein. Wir treffen Bernhard von Clairvaux, „den Adler, der in die Sonne blickt“, wie die heilige Hildegard ihn nannte.   Eine Leuchte des Jahrhunderte und seiner Sprachbegabung wegen der "honigfließende Lehrer" genannt, doctor mellifluus.  Er prägte -  wie kein anderer - den jungen Reformorden der Zisterzienser.  Zisterzienser suchten eine neue Einfachheit, die man heutzutage am einfachsten an ihren erhaltenen Kirchen ablesen kann. Sie nannten sich nach dem Mutterkloster Citeaux. Zisterzienser. Das kommt wahrscheinlich vom Wort cistel her, einem Röhricht, der in die sumpfigen Gegenden wächst. Man sagt, die einfachen Blätter dieser Sumpfpflanze bildeten den erlaubten schlichten Schmuck für die Kapitelle ihrer Kirchen. Damit haben wir eine Bestimmung der Klausur. Sumpfige Gegenden, unbewohnte und einsame Orte, wo es reichlich Wasser und Wald gab, und Stille und Sammlung möglich war.

 

 

Himmerod wurde durch Bernhard von Clairvaux selbst gegründet. Er fand diesen Ort. Die Stiftungsurkunde des Erzbischofs Albero für Himmerod aus dem Jahre 1138 überliefert einen freudigen Ausruf Bernhards.  Wie dieser eine einsame aber wasserreiche und waldige Gegend im Salmtal sichtete, eine offene Talaue, rief er entzückt: „Hic est vere claustrum beatae Mariae virginis.“ - „Hier ist die wahre Klausur der seligen Jungfrau Maria.“ Lange Zeit übersetzte man das Wort „Claustrum“ mit Kloster. Den Ruf interpretierte man als Gründungsweisung: „Hier ist wahrhaft das Kloster der seligen Jungfrau Maria.“  Für die Zeit Bernhards aber ist das sachlich falsch. Warum? Zur damaligen Zeit war das gebräuchliche Wort für Kloster eben nicht „Claustrum“, sondern „Coenobium“.  


Wir müssen davon ausgehen, dass der Name Claustrum für das Kloster Himmerod eine besondere Qualität zum Ausdruck bringt. Der verstorbene Abt von Himmerod Ambrosius Schneider übersetzt den Namen daher fein spürend mit „Eiland“.   Das Wort Ei“ lässt aufhorchen!   Claustrum kann nämlich auch „Becken“ oder „Schoß“ heißen. Das geschlechtliche Bild  eines gebärfähigen Schoßes als Name für eine klösterliche Siedlung. Da klingt das Wort Klausur nicht wie ein Gefängnis, sondern nach einem ganz trächtigen Ort, einem verschlossenen und geschützten Bereich, einer dunklen Höhle gar, in welcher das Wunder neuen Lebens geschehen kann. Ein Ort, wo das Gezeugte sich einnisten kann, ein Eiland, wo Befruchtung stattfindet und das Gezeugte langsam heranreifen kann und etwas vorher nie Dagewesenes so ausgebrütet und geboren wird. Im Dunkel geborgen, im Dunkel geboren! 


Nikolaus von Clairvaux, der Sekretär des heiligen Bernhard beschreibt seinen Arbeitsplatz als abgescheidenen, geschlossenen Raum in dem Neues geboren wird. Auch hier die Dopplung von geborgen und geboren. In einem Brief berichtet er über die Arbeit der Mönche in der Schreibwerkstatt :  


In meinem Clairvaux (helles Tal) habe ich ein eigenes Skriptorium, das von allen Seiten geschützt und umgeben ist von himmlisch-vortrefflichen und das Skriptorium verbergenden Werkstätten.   

Drei Worte, die eine Art Klausur beschrieben: Das Skriptorium ist geschützt von allen Seiten, umgeben von Werkstätten, die es verbergen! Dann schreibt er weiter von einer Öffnung, die einen Einblick in das Gebären eröffnet. 


„Die Tür des Skriptoriums öffnet sich zur Zelle der Novizen hin, wo eine Vielzahl von Adligen und Literaturkundigen dabei ist, einen neuen Menschen in der Neuheit des Lebens zu gebären.“   

Die Schreibwerkstatt mit denn angrenzenden Zellen oder Klausen der Mönche als Geburtswerkstatt.


Was geschah also in der Klausur von Clairvaux, dort im Dunkel des hellen Tales?  Im Schoß von Clairvaux wird ein neuer Mensch in der Neuheit des Lebens geboren. In Chartres findet sich dazu eine interessante Darstellung, die  „immer wieder von neuem gebärenden Jungfrau“, die „virgo semper partitura“.  Geburten als beständiges Reifungsgeschehen, brauchen den bergenden Schoss der Klausur.  Die Metapher vom Geburtsschoss ist ein starkes und allgegenwärtiges Bild bei den frühen Zisterziensern.  Darum geht es dauernd! Sogar ein Kloster wird „Schoss“ genannt.  

 

 

 

 

 

 

 

 

Rezitationstext Jahresgruppen Februar 2019


 

Meister Eckehart - Weg nach innen   


  

Ich will sitzen und will schweigen und will hören, was Gott redet. (Q 423)


  

Der Mensch sollte allen Sinnen entweichen und alle seine Kräfte nach innen kehren und kommen in ein Vergessen aller Dinge und seiner selbst. Entziehe dich der Unruhe äußerer Werke! Danach flieh und verbirg dich vor dem Gestürm innerer Gedanken, denn sie schaffen Unfrieden. Darum soll Gott sein Wort in der Seele sprechen. (Q. 420)


  

Soviel die Seele in Gott ruht, so viel ruht Gott in ihr.  Ruht sie ganz in Gott, so ruht er ganz in ihr. (Q. 233)


  

Geh in deinen eigenen Grund, inwendig im Innersten der Seele; da ist dein Leben,  da allein lebst du. (Q. 268)


  

Wer sitzt, der ist bereiter, klare Dinge hervorzubringen, als wer geht oder steht. Sitzen bedeutet Ruhe; darum soll der Mensch sitzen, das ist in Demut sich niederbeugend unter alle Geschöpfe. Das Licht wird ihm dann gegeben in einer Stille, darin sitzt er und wohnt. (Strauch, Paradisus animae intelligentis, Berlin 1919, S. 37)


  

Du musst alle Menge lassen, und du musst in den Ursprung und in den Grund zurückkehren, aus dem du gekommen bist. Alle Seelenkräfte und alle ihre Werke, das alles ist Menge: Gedächtnis, Verstand und Wille, all dies macht dich zur Menge. Darum musst du sie alle lassen: Sinnlichkeit, Phantasie und alles, worin du dich selbst findest oder zum Teil setzt. Erst dann kannst du diese Geburt finden, anders geht es gewiss nicht. (M. 170)


  

Es gibt in uns einen äußeren Menschen und einen inneren Menschen, den alten Menschen und den neuen Menschen, den irdischen Menschen und den himmlischen Menschen, den knechtischen Menschen und den edlen Menschen. Zu dem äußeren Menschen gehört alles, was der Seele anhaftet. In den inneren Menschen ist Gottes Bild eingedrückt und Gottes Same eingesät. (M. 99-100,103)


  

Nimm den Rost weg, und dann erglänzt, was darunter verborgen liegt. Dies ist der Schatz, der verborgen lag im Acker, wie unser Herr im Evangelium spricht. (Mt 13,44), (M. 103)


  

Wenn einer reines Wasser in ein reines Gefäß gießt, das ganz lauter und rein ist, und lässt es still stehen, — und wenn dann ein Mensch sein Gesicht darüber beugt, so sieht er es am Boden so, wie es an sich selbst ist. Das kommt daher, weil das Wasser klar und rein und still ist. Ebenso ist es mit allen den Menschen, die da stehen in Freiheit und in Einheit in sich selbst und Gott empfangen im Frieden und in der Ruhe. (Q. 292)


  

Du sollst wissen, dass der äußere Mensch sich in Betätigung befinden kann und doch der innere Mensch davon gänzlich frei und unbewegt bleibt. Wenn der Mensch sich etwas Hohem und Edlem zuwendet, dann zieht die Seele alle Kräfte an sich und liebt Gott. (M.92)


  

Es gibt etwas in der Seele, das recht heimlich und verborgen ist, weit oberhalb dessen, wo die Kräfte des Verstandes und des Willens ausbrechen.  …  Was die Seele in ihrem Grund ist, davon weiß niemand etwas. Was man davon wissen kann, das muss übernatürlich sein, es muss aus Gnade sein. (M. 131-132)


  

Du befindest dich nicht besser, als wenn du dich ganz ins Finstere und ins Unwissen setzt. Es ist nicht anders als Möglichkeit zur Empfängnis. (M. III 173)


  

Durch Übung und durch Ablegen können die Kräfte der Seele empfänglich werden für das innere Licht. (Q. 201)


  

Mein Stillsitzen und hohes Sinnen und meine Vereinigung mit Gott, das hat mich in den Himmel gezogen. (Q. 444)


  


  

Abgeschiedenheit


  

Jede Bindung an das eigene Ich nimmt dir die Freiheit, in diesem gegenwärtigen Augenblick Gottes Eingebung zu folgen. (M. 116)


  

Abgeschiedenheit bringt mich dazu, dass ich für nichts empfänglich bin als für Gott. Abgeschiedenheit heißt gänzlich losgelöst sein von aller Kreatur. Abgeschiedenheit ist dem Nichts so nahe, dass zwischen vollkommener Abgeschiedenheit und dem Nichts nichts sein kann (85) Abgeschiedenheit steht auf einem reinen Nichts. (M.93)


  

Solange ihr den Willen habt, den Willen Gottes zu erfüllen und Begierde habt nach Ewigkeit und nach Gott, solange seid ihr nicht arm; denn das ist ein armer Mensch, der nicht will und nicht begehrt. (M.150)


  

Leer sein aller Kreatur ist Gottes voll sein, und voll sein aller Kreatur ist Gottes leer sein. (M.88)


  

Ganz still zu stehen und ganz leer, das ist dein Allerbestes. (M 435)


  

Abgeschiedenheit ist das Allerbeste: sie reinigt die Seele, entzündet das Herz, weckt den Geist, beschleunigt das Verlangen, lässt Gott erkennen und vereinigt sich mit Gott. (M.97)


  

Zitate aus: M = Dietmar Mieth, Meister Eckhart, Einheit mit Gott, Patmos Verlag, Ostfildern, 2014. Q = Josef Quint, Meister Eckhart, Deutsche Predigten und Traktate, Diogenes Verlag, München, 1979.

 



 Jahresgruppe Impuls 31.01. 2019  - (Auszug)



Der Weg des Zazen und der Kontemplation



Zazen wie Kontemplation sind Übungswege.  Wie beim Erlernen des Klavierspielens brauchen sie Geduld und einen langen Atem. Auf dem Klavier kann man Übungsfortschritte geradezu hören. Beim Meditieren sieht man den Fortschritt selten.  Das liegt auch daran, dass bei der Meditation eher indirekt Begabungen und Fähigkeiten durch Üben zu Fertigkeiten  entwickelt werden.  

 

Kontemplieren führt uns in tiefe Reifungsprozesse und Wandlungsprozesse. Wir arbeiten nicht an irgendwelchen Skills, sondern an der Bildung, Ganzwerdung des inneren Menschen, an der Transformation des „alten Adam“ in seine schönste Gestalt. Atemzug um Atemzug stellt sich heraus, was und wer wir wirklich sind. Dazu  werden alte Sedimente und Schichten abgetragen, statt ständig Neues dazu zu machen.  als dass nochmals  etwas dazu kommt. Es schält sich dabei heraus, wie Gott uns erträumt hat.  Seine Herzensstimme wird unser Atem.  


Wir arbeiten beim Meditieren also nicht an neuen Erkenntnissen und machen daher keine Fortschritte im Sinne von Weiterkommen und Fortbildung.  Atmend programmieren wir unsere Festplatte um. Je tiefer der Wandlungsprozess, desto schwieriger wird es, etwas davon zu sehen, zu begreifen oder in Worten darzustellen. Ein chinesisches Sprichwort sagt: Wenn du einen Baum pflanzt, so siehst du sein Wachsen nicht. Dennoch wird er groß.  Die Zeit, die wir für unsere Übung aufbringen, ist unbezahlbar wichtig. Mag man auch im Augenblick keinen greifbaren Gewinn fassen, so dürfen wir sicher sein, dass die Kraft dieser Übung uns umfassend zu wandeln imstande ist.  Jeder Atemzug illustriert das im Bilde: Altes und verbrauchtes, nicht mehr tragfähiges und überlebtes, unbrauchbar gewordenes und hinderliches lassen wir sein. Das geschieht ausschließlich durch Versenkung in unsere Wesensmitte, nicht durch Vorsätze oder Willensanstrengung, sondern leicht wie Einatmen und  Ausatmen. So geschieht Entleerung von überflüssigem Müll. Raum für Wirklichkeit und echt Neues entsteht. „Nur wer leer ist, kann empfangen.“  Solange wir nur dazu stopfen, sumpfen wir  irgendwann im eigenen Müll rum und stecken fest. Selbst Kunstwerke werden dann Hindernisse. Einatmend öffnen wir uns für Neues, empfangen und zeugen und bereiten so leichtfüßig den Boden des Herzens für anstehende Geburten. 

 


Jahresgruppe, Impuls vom 06.02.2019


Wandlungen von innen 


Wir wandeln uns nicht so leicht und nicht so schnell, wie manche denken.  Wandlungen, die schnell gehen, verdienen diesen Namen selten. Sie halten meist nicht lange. Es ist damit zu rechnen, dass sie nicht nachhaltig sind. Wir nennen sie daher besser nicht Wandlung, denn dieses Wort beschreibt eine bleibende Veränderung. 


Ein Pfarrer besuchte  einmal ein Fortbildungsseminar zum Thema Sterbeprozesse. „Sterben, um zu leben“ , so lautete der Titel. Er kam sehr beeindruckt und voller Motivation nach Hause. Der der alte Adam müsse sterben, so hatte er gelernt. Das war der Schlüssel. Und er war glücklich, ihn endlich innerlich geladen zu haben.  Er wollte dieses Projekt gleich umsetzen. Dazu fand er ein Ritual angemessen. Noch in  derselben Woche  errichtete er vor seinem Pfarrhaus einen großen Gedenkstein und begrub da den alten Adam. Er brachte eine Inschrift an, auf der zu lesen ware:

 „Hier ruht endgültig der alte Adam.“ 

Als ihn ein Kollege besuchte, gerieten sie wegen irgendeiner Bagatelle in großen Streit. Der Konflikt eskalierte. Beide wurden laut. Schließlich verließ der Kollege ärgerlich das Haus. Als der Pastor am nächsten Tag das Haus verließ, fiel sein Blick auf die Inschrift: Hier ruht endgültig der alte Adam, stand da. Darunter jedoch war eine neue Inschrift angebracht. Die stammte von seinem Kollegen. „Wieder auferstanden am dritten Tage.“


Ein Übungsweg, der zu einem solch großen Ziel führt, einer Transformation von innen, der braucht Geduld und Hingabe. Einen Weg zu gehen, der so hoch hinaus führt, wie kann der einfach sein? Wir haben dabei immer selber zu entscheiden, ob wir gehen.  Mitmachen trägt nicht weit. Eine äußere Motivation hält nicht lange.  Ob wir anfangen, weitergehen, stehen bleiben, umdrehen, unterbrechen oder entschieden den Anstieg zum Gipfel  in Angriff nehmen, das liegt an uns alleine. Zum Gipfel zu gelangen, das geht nur mit entschlossener Entschlossenheit, wie Teresa von Avila eine gute und passende Haltung benennt.  


Der Aufbruch genügt nicht. Unterwegs müssen damit rechnen, dass uns ein Leben lang eingeübte Prägungen ständig Zweifel bescheren.  Ein Prägemuster der Moderne etwa wird uns zu schaffen machen: :Etwas, bei dem offensichtlich nix  rauskommt, taugt nichts!“ 

Manche Haltung kann uns den Weg zur Hölle machen, etwa die Selbstdefinition durch Leistung, welche aus  der wunderbaren Übung des Zazen einen Spitzensport mit ganz viel Druck macht.  „Wenn ich nichts leiste, dann bin ich nichts.“  Beim Bergsteigen bringen manche so ihr Leben in Gefahr. 

Auch eine Sichtweise, die Mühe scheut, treffen wir auf dem Weg: „Warum sollte ich mich mühen, wenn die Sonne so schön scheint?“  Eine kleine Skizze von Teilhard de Chardin habe ich zu einer kleinen Geschichte von einer Gipfelexpedition ausgefaltet: Sie stellt Seiten vor, die wohl  in  jedem Menschen stecken. Auf dem Gipfelweg des Zen und der Kontemplation begegnen wir uns darin:


Die Gipfelexpedition


Eine Gruppe von Ausflüglern ist aufgebrochen, um einen schwierigen Gipfel zu ersteigen. Bereits kurze Zeit nach dem Aufbruch bilden sich drei sehr verschiedene Gruppen. 


 

 

 

 

Die erste Gruppe bedauert bereits nach kurzer Zeit, die gemütliche Herberge verlassen zu haben. Das sind die Müden, die Ängstlichen oder die Minimalisten. Sie scheuen Herausforderungen und machen  es sich lieber bequem. Sonnenschein ist für sie ein echtes Risiko. Die Anstrengung des Aufstieges und die Risiken des Unterwegssein  stehen für sie in keinem Verhältnis zum möglichen Gewinn.  Sobald sie außer Atem kommen, drehen sie bei und kehren um.  


Für diese Menschen ist das Leben etwas, was man möglichst unbeschadet überstehen muss: Überall lauern Hindernisse und Gefahren. Leben ist unberechenbar, mühsam und zermürbend. Man bevorzugt den Frieden des flachen und gepflegten Rasens: lieber Daheim, als so ein unkalkulierbares Abenteuer.  Schon Treppen sind ein Verhängnis, Steigungen viel zu schweißtreibend. Für sie geht es darum, sich so geschickt wie möglich aus der Affaire zu ziehen und einfach gut durchzukommen. Die Müden und Mutlosen habe ihre Urteile gefällt: Mühsames Suchen bringt mir nichts! Im Liegen bricht man sich keine Knochen. Wer viele Schritte macht, verbraucht viel Luft.  Es sind schon viele umgekommen, weil sie sich verausgabt haben.  Es ist besser, sich mit dem zu begnügen, was man hat, als nach den Sternen zu greifen.  Also kehren sie nach wenigen Schritten ins Tal zurück.


Die zweite Gruppe hingegen kann diesen Unmut und solche Laxheit nicht verstehen. Sie freut sich, aufgebrochen zu sein. Das sind die Genießer. Die Sonne scheint herrlich. Der Weg ist toll ausgeschildert und die Aussicht einfach prachtvoll. Auf der Alm angekommen, verkosten sie die frische Bergluft und lassen sich die Sonne auf den Pelz scheinen. Die grüne Almwiese ist doch ein wunderbarer Platz zum Ausruhen und Durchatmen; Kaffee und Bier gibt es in der Almhütte. Weshalb also noch höher steigen?  Auf dem Gipfel warten bestimmt Wind und Kälte. Verweile und verkoste den Augenblick! Er kehrt niemals wieder.  Nichts ist besser, als das zu genießen, was der Augenblick bietet. Was man erreicht hat, ist einem sicher, was kommen mag, ungewiss.  Daher bleiben sie auf der Alm und lassen es sich gut gehen. Sie  legen sich ins Gras und packen ihr Picknick aus. Die Genießer sind bereits am Ziel angekommen. Den Gipfel kann man auch von der Alm anschauen! Leben heißt für sie, den gegenwärtigen Augenblick zu verkosten, alles Schöne mitzunehmen und keine Annehmlichkeit auszulassen.  Der Weg ist das Ziel! Aber sie gehen nur soweit, wie der Weg  ausgebaut ist und das Laufen Spaß macht.  Sie pflücken Blumen und sind wunschlos glücklich, solange es Sonne gibt. Leben ist für sie eine Quelle des Genusses und der Freude.


 

 

 

 

Gipfel der Schlackenhalde - Grube Ensdorf

Die dritte Gruppe verliert den Gipfel nicht aus dem Blick. Da möchten sie hin. Den zu ersteigen, haben sie sich vorgenommen.  Nichts kann sie davon abhalten. Das sind die wahren Alpinisten, die Begeisterten, die Gipfelstürmer.  Sie rasten an der Alm, aber sie brechen von neuem auf, angetrieben von einem unwiderstehlichem Drang und der Sehnsucht nach dem absoluten Höhepunkt: Ziel ist der Gipfel  Für sie bedeutet Leben Aufstieg und Entdeckung, Weitung und Vertiefung. Ihnen genügt es nicht, in der Sonne zu liegen und zu genießen. Sie nähren sich von einem tiefen Drang, der sie beständig weiter treibt und Beschwernisse und Gefahren ertragen lässt. Das sind die wahren Abenteurer: Sie wagen unglaubliche  Wege, um das Leben bis zum tiefsten Grund zu vermessen. Sie bleiben nicht auf halber Strecke stecken. Ihr Herz gibt keine Ruhe, bis sie da ankommen, wo sie hinwollten. Ihr Weg hat ein Ziel.  Mit dem flachem Tal und dem bescheidenen Hügel geben sie sich nicht zufrieden, solange ein Gipfel winkt. Sie machen keine halben Sachen. Sie möchten nach ganz, allen Warnungen zum Trotz. Selbst wenn es keinen Pfad mehr gibt, wenn man im Weglosen suchen und klettern muss, drehen nicht bei und geben nicht auf. Glück bedeutet für sie, den Gipfel zu erreichen, Grenzen zu überschreiten und Höhe zu gewinnen. Sie möchten das Leben so innig berühren, als möglich. Leben ist ein unerschöpflicher Reichtum, den es zu finden und zu ergründen gilt und zwar bis zur höchsten Höhe und tiefsten Tiefe.  Weniger ist nicht genug! Dabei scheuen sie weder Nacht noch Nebel. Ihr Herz gibt erst Ruhe, wenn sie oben auf der Bergspitze ankommen.  Da finden sie Frieden, - im hellen Licht unbegrenzten Lebens.  Da atmen sie durch in klarer Luft. Da findet ihr Herz Genügen in grenzenloser Weite und Freiheit.                                                   


                 Bernd Schille, nach einer Skizze von Teilhard de Chardin




Die magische Wandlung und seine Fortpflanzung

Ein katholisches Missverständnis


Vielleicht kennt ihr den Witz von dem Juden, der in einem katholisch geprägten Dorf im Hunsrück zugezogen war. Immer freitags, wenn die Katholiken nur Fisch zu sich nahmen, zog ein feiner Duft von gebratenem Fleisch durch das ganze Dorf. Als die Leute dem Geruch des Bratens nach gingen, fanden sie den Juden. Der saß da vor einem Holzfeuer und grillte sich ein schönes Stück Fleisch. Das tat er Freitag um Freitag. 



Dass geht doch nicht, sagten die Leute. Das muss sich ändern, meinten die Dorfbewohner. Das lässt sich etwas machen, meinten die Katholiken und der Pastor stimmte ihnen zu und riet dazu, den Juden zu taufen. 

So griffen sie eines Tages den Juden auf und schleppten ihn zum Pfarrer in die Kirche. Der nahm kurz entschlossen Weihwasser, schlug damit ein Kreuz über den Juden und sprach zu ihm: „ Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes. Jetzt bist du Christ!“  



Alle atmeten durch. Der Jude wurde wieder freigelassen. Das Problem schien gelöst. Am nächsten Freitag jedoch roch es wiederum nach gebratenem Fleisch.  Man suchte nach der Quelle dieses feinen Duftes. Und tatsächlich war es wie vermutet: Der Jude saß wieder am Feuer. Auf dem Rost brutzelte ein feines Stück Fleisch. Die Dorfbewohner kamen näher. Und der Jude bemerkte die wachsende Bedrohung.

Da erhob er sich, nahm ein Zweiglein, steckte es ins Wasser und schlug ein Kreuz über dem gegrillten Fleisch. 

Dabei sprach er feierlich:  Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Jetzt bist du Fisch!







             




 

 

Teilnehmerblatt zum Start der Vorträge über die Ikonographie des ZENtrums

Abendgruppen  13.9.+14.9.2018

 

 

 

 

Die Ginkgo biloba



Wenn wir auf dem Weg zum Üben am Ginkgo vorbeikommen, dann erzählt er uns vom Üben, wenn wir für ihn offen sind.


Erdverbundenheit

Bäume verwurzeln sich tief in der Erde.  So können sie wachsen. Das heißt für uns: Üben ohne  Erdverbundenheit, geht garnicht. Erst guter Kontakt mit dem Boden gibt dem Übenden Sicherheit und lässt uns körperlich und seelisch ruhig werden. Die Übung braucht einen stabilen und keinen labilen Sitz, damit Sammlung möglich wird.  Auch übertragen auf unser Menschsein macht das Sinn. Wer von der Erde abhebt, wird leicht über-heb-lich und entfernt sich von der Basis, die ein echtes Wachsen erst ermöglicht. Humus: Im Wort steckt "humilis" drin, meist mit demütig übersetzt.  Demut meint Erdkontakt und Bodenständigkeit. Spirituelle Wege, welche uns einladen, Leibliches nicht zu achten,  Materie und  Erde zu verlassen, statt achtsam auf ihr zu gehen und mit ihr immer tiefer verbunden zu sein, sind Luftnummern. Wenn wir beim Eintrudeln die Ginkgo biloba sehen, dürfen wir den Boden unter unseren Füßen spüren und berühren. Gehend kann ich mich in einen guten Erdkontakt bringen.


Ausrichtung und Aufrichtigkeit

Bäume wachsen zum Himmel. Bei unserem Üben entspannen sich unsere Muskeln, aber dennoch fallen wir nicht relaxt zusammen, sondern richten uns wie  der Baum zum Licht aus. Wir sind zum Himmel und zum Kosmos aufgerichtet. In dieser Ausrichtung werden wir wie die jungen männlichen Ginkgobäume: Wir sind ganz gerade und wachsen geschwinde.  Wer sich mit dem Himmel verbindet, wird aufrecht. Aufrecht sein im Äußeren, - das nährt im selben die Haltung der Aufrichtigkeit in uns.  Wenn wir beim Eintrudeln den Gingko sehen, dürfen wir unseren Leib bereits bewusst zum Licht ausrichten, gerade und aufrecht sein und den krummen Gang beenden.


 

 

 

 

Balance und Grundspannung

Jeder Baum, auch unser Ginkgo stellt uns die elementare Spannung vor Augen, in der Menschwerdung  sich vollzieht. Wir achten auf eine gute Verwurzelung und auf eine feste Basis, damit Wachstum, Reifung und Entwicklung geschehen können.  Ruhende Erdverbundenheit ist das Eine.  Bei unserem Üben wird dies in idealer Weise  mit unserer Sehnsucht nach Reifung und Überschreitung des Enggewordenen ausbalanciert. Wenn wir beim Eintrudeln den Ginkgo sehen, dürfen wir beides zusammen spüren, das Verbundensein mit der Erde,  das intime Verweilen im Irdischen, die Immanenz und gleichzeitig das Streben darübert hinaus, unseren Hang zu transzendieren, zu wachsen und uns zu wandeln.


Solo dios basta – Nicht gleich in die Breite

Männliche Ginkgos wachsen  in die Höhe, später in die Breite. Sie treiben schnurstracks in den Himmel. Weibliche Bäume gehen stärker in die Breite.  Das ist ein wunderbares Bild für die schweigende Versenkung, die wir üben. Sie hat eine männliche und eine weibliche Weise.  Zunächst heißt es da: No social contact. Wir schweigen konsequent und kümmern uns nicht um irgendjemanden oder irgendetwas anderes.   Eines nur:  Wir suchen eine vollständige Ausrichtung und Sammlung, gleich ob wir auf Gott, auf Buddha oder auf unsere eigene Mitte hin atmen.  Im Bild gesprochen: Erst nach oben und Licht in den Kasten lassen! Dann den Leuchter nicht unter den Scheffel stellen sondern ihn leuchten lassen. Erst von der Quelle schöpfen, dann hergeben aus dem Überfließen, umgekehrt geht es schnell schief! Wir brennen dann aus.


Ruhen im Sturm

Der Ginkgo hat unglaubliche Resistenzen. Auch wenn die Welt beinahe untergeht, Ginkgos überleben die Katastrophen aufgrund ihrer unglaublichen Lebenskraft. Wenn Viren, Bakterien, Pilze und Schädlinge andere Bäume überfallen, krankmachen und umbringen, - Ginkgos bleiben gesund, stark und fest. Nun sind das auch Wirkungen der Übung, dass unsere Immunität, unsere Resistenzen und unsere Resilienz gestärkt werden. Üben hilft auch im Älterwerden, jung zu bleiben, denn sie erhöht die Telomerase, die der Körper gegen Zellalterung und Zellsterben braucht.


Zwei oder ein?

Ginkgos haben ein Blatt mit zwei Hälften. Ein schönes Bild auch für uns. Wir erfahren in uns zum Einen eine große Vielfalt gleich den vielen nebeneinanderliegenden Adern des Blattes. Wir erleben auch viele Ambivalenzen, Spannungen zwischen „Ja!“ und „Nein!“ Die Zweigeteiltheit des Blattes erzählt davon. Aber - so verrät das Gingkoblatt: Mit all der reichen Vielfalt in Dir, mit allen Widersprüchen und Ambivalenzen, kannst Du eins und ganz werden. Dem Hineinwachsen in eine wunderschöne Gestalt,  die alles umschließt, steht das nicht im Wege. Umgekehrt es braucht das! Wir wählen ein Eins-sein, welches die Zwei und die Vielheit beherbergt und integriert nicht ausschließt oder wegmacht. Einssein, das nicht Reduktion, Uniformität und Einfalt bedeutet, sondern immer Reichtum, Vielfalt und Vielschichtigkeit meint. Man muss sich nicht ummodeln, um in Form zu kommen.

 

 

 

 

 

 Aus dem Talmud

 

Achte auf deine Gedanken,

denn sie werden Worte.

 

Achte auf deine Worte,

denn sie werden Handlungen.

 

Achte auf deine Handlungen,

denn sie werden Gewohnheiten.

 

Achte auf deine Gewohnheiten,

denn sie werden dein Charakter.

 

Achte auf deinen Charakter,

denn er wird dein Schicksal.

 

 

 

 

20.08.2018 Bernhardstag - Rezitation II

 

Wachsein für Frieden

 

Meditieren in die Nacht hinein

 

 

COCHAM NON CANALEM

SCHALE SEIN UND NICHT KANAL


  

Wenn du weise bist,  wirst du dich daher als Schale und nicht als Rohr erweisen,

Das Rohr empfängt und zur selben Zeit ergießt es wieder, was es aufgenommen hat.

Die Schale aber wartet, bis sie voll ist.

Auf diese Weise gibt sie das, was bei ihr überfließt, ohne eigenen Verlust weiter,

denn sie weiß, dass der verflucht ist, der seinen Teil verringert. (...)

Wirklich, wir haben heutzutage in der Kirche  Rohre in großer Zahl,

aber nur sehr wenige Schalen.

Diejenigen, durch die uns der himmlische Strom zufließt,

haben eine so große Liebe,  

dass sie lieber ausgießen wollen als dass ihnen eingegossen wird,

dass sie bereitwilliger sind zu sprechen als zu hören,

dass sie schnell zur Hand sind zu lehren, was sie nicht gelernt haben,

und sich als Vorsteher über die anderen aufspielen,

während sie nicht einmal gelernt haben, sich selbst zu regieren.

Lerne auch du, nur aus der Fülle auszugießen und habe nicht den Wunsch,

freigiebiger als Gott zu sein.

Die Schale ahmt die Quelle nach.

Erst wenn sie mit Wasser gesättigt ist, strömt sie zum Fluss und wird sie zur See.

Die Schale schämt sich keineswegs, nicht überströmender zu sein als die Quelle (...)

Du tue das gleiche!

Zuerst anfüllen und dann ausgießen.

Die gütige und kluge Liebe ist gewohnt überzuströmen,

nicht auszuströmen (...)

Ich möchte nicht reich werden,

wenn du dabei leer wirst.

Wenn du nämlich mit dir selber schlecht umgehst, wem bist du dann gut?

Wenn du kannst, so hilf mir aus deiner Fülle,

wenn nicht, schone dich!


Bernhard v. Clairvaux, Sermo XVIII, Bd. V, 257

 

 

 

 

 

 

Segensgebet zur Einweihung des neuen Meditationssteges

 

Neuer Meditationssteg am Teich

Fest 

18 Jahre miteinander meditieren in Theley

Maria Himmelfahrt 15.08.2018
 


  


  

Mögen alle Menschen   

aus Verlorenheit und Zerstreuung  

zu Präsenz und Einssein finden.

Mögen alle Menschen   

die Kostbarkeit jeden Augenblicks

und jeden Atemzugs erkennen.

Mögen alle Lebewesen

aus der Ilussion der Trennung erwachen   

und die Verbundenheit mit allem Leben realisieren.   

Mögen alle Menschen damit aufhören, Leben zu zerstören, und lernen,   

es achtsam zu schützen, zu pflegen und zu fördern.

Mögen alle Menschen die  Realität von Heil, Frieden und Liebe im eigenen Herzen erfahren und damit aus einseitiger Betriebigkeit und äußerer oder materieller Orientierung befreit werden.   

Mögen Heil, Frieden und Glück sich ausbreiten über Natur, Menschheit und Kosmos, über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Möge die zerstörerische Kultur von Gewalt und Krieg  im Privaten und Öffentlichen transformiert werden in eine Kultur des Friedens und der Entwicklung.

Mögen alle Menschen dieser Erde zu innerem Reichtum und Seinsmacht

jenseits von äußerem Besitz, Positionen und Titeln finden.

Mögen alle Menschen gesegnet sein   

mit unverlierbarer Freude aus göttlichem Quell.

Dem möge dieser Steg am Wasser dienen.

Das mögen alle erwerben, die auf ihm meditieren.

Trage Du die Menschen zum Gemach der Fülle,

das kein Geld und keinen Aufwand braucht,

um darin Wohnung zu beziehen.

 

 

  

  

Abendgruppe 26.4.2017


  

RELIGION IM STERBEN - SPIRITUALITÄT IM WACHSEN              Auszug


  

Zen ist keine Religion. Zen ist ein Erfahrungsweg. Daher kann jeder Zen praktizieren, ob er nun Jude oder Buddhist, Christ oder Moslem ist und selbstverständlich auch, wenn er keiner Religion angehört oder sich als Atheist, Nihilist oder anders sieht.


Zazen – wie wir es üben – ist ganz ursprüngliches, unvermengtes Zazen. Es hat einen langen Entwicklungsweg hinter sich, der über Indien nach China und von dort nach Japan führte.  Yamada Koun Roshi war ein prägender und bedeutender Vertreter des sogenannten Laien-Zen in Japan: Er ging über 2 wichtige Grenzen. Einmal gehört er zu denjenigen in Japan, die das Tabu brachen und die Übung aus dem klösterlichen Kontext herauslösten.  Er hatte erkannt: Zazen ist nichts für besonders Begabte oder für Mönche allein. Die Übung gehört der ganzen Welt, nicht nur ins Kloster.  Koun Yamada übte und lehrte daher bei sich zu Hause und nach seiner Arbeit als Personalleiter eines großen Klinikums. Er tat es zusammen mit seiner Frau, die dort Ärztin war.  Zazen mitten im gewöhnlichen Alltag.    

Er ging auch über eine zweite Grenze hinaus: Er ernannte Menschen aus anderen Religionen zu Lehrern und Meistern des ZEN.  Lassalle lernte bei ihm, Niklas Brantschen, Willigis Jäger, Paul Shepherd und viele andere, welche die Übung dann nach dem christlichen Westen brachten. Zen lebt heute in der säkularen Moderne und in Kontexten von ganz unterschiedlichen Religionen.


Zen ist jenseits aller Worte. Fort mit allem Denken und Erklären.

Es gibt nur ein geheimnisvolles, schweigendes Verstehen.“  

Huang Po.


  

Im Zen lässt sich leibhaft erfahren, worüber Religionen nur sinnen, Worte und Rituale machen. Denkwelten, Glaubenssysteme und Fühlräume sind Bereiche, welche die Kontemplation nicht ausgestaltet sondern überschreitet. Die Bedeutungs- und Sinngebungungen der Religionen In Wort, Bild, Klang oder in Symbolhandlungen sprechen Verstand, Gefühle und Gemüt des Menschen an.  In der Kontemplation geht es nicht um das Fühlen und Begreifen Gottes. Wir wissen, dass dies nicht geht! Beim Kontemplieren lassen wir uns vom Unbegreiflichen Umgreifen.

Zu diesem Prozess leiten die westlichen Religionen nicht mehr an, weil ihnen diese Spiritualität abhanden gekommen ist. Religionen sind nicht das, wovon sie Auskunft geben. Sie verkörpern wenig, von dem, was sie feiern. Sie sind niemals "Gott". Ihre Ausdrucksgestalten sind bestenfalls Wegweiser auf Tieferes, auf ETWAS  oder auf WEN, sofern narzistische EGO's nicht den Weg verbauen. Aber Religionen sie sind nie das, worauf sie zeigen.  Religionen sind Kultur nicht Natur.


Wesensbegegnung beginnt gerade dort, wo die fühlige und denkerische Dominanz  an ihre Grenze stößt.  Tiefenerfahrung braucht ein Transzendieren aller Ausdrucksgestalten in Bild, Wort und Musik. Sie wartet jenseits von Wort und Klang auf uns.  Sie widerfährt persönlich. Sie besteht nicht in einer Gruppenerfahrung oder kollektiven Vollzügen, so prachtvoll und beeindruckend die daher kommen mögen. Die Kultur der Festivals und Kirchentage verführt! Sie hält Menschen im flachen Wasser. Tiefenerfahrung braucht ein gutes Maß persönlicher Sammlung und Hingabe; sie entwickelt sich in Stille und im Schweigen. Es will ausgehalten sein, dass sie im Vergleich zum bunten Treiben wie nichts aussieht.  Indem das hungrige ICH, dass sowieso dabei ist die Erde zu verspeisen, nun auch noch religiös gefüttert wird, gewinnen wir keine Tiefe, sondern indem das ICH frei wird und zurücktritt.


Zen macht zu den Religionen nichts dazu. Zazen ist kann jedoch eine Art Einlösung der religiösen Versprechen: Hier treffen wir auf das, was Religionen nur in Aus-drücken darzustellen versuchen. Darin beginnen wir Religionen von einer tieferen Warte aus zu kapieren, auch die eigene. Zazen vertieft daher meist das religiöse Leben. 

Was wir möglicherweise glauben: z.B. dass wir aus Gott stammen, durch ihn und in ihm wahres Leben finden: Da hinein führt uns Zazen allerdings jenseits von Lippenbekenntnissen.  Aus der religiösen Lehre der Religion und aus geglaubter Wahrheit wird im Exerzitium des Zazen eine ganzheitliche Realisation in unserem Leib, unserer Seele und unserem Geist.  Realisation meint: Das verwirklicht sich in uns. Wir sind Buddha. Wir sind Christus. (...)  


Religionen scheinen vielerorts in einem Sterbeprozess zu sein.  Genau besehen stirbt eine bestimmte Gestalt von Spiritualität. Es handelt sich um eine wortreiche und bildstarke, die sich mit optischer Vielfalt und sinnlichen Reizen vernetzt. Es handelt sich meist um eine Spiritualität, die Menschen etwas vorsetzt und sie so faktisch nicht selber suchen lässt. Das brauchen wir nicht mehr und dass wollen wir nicht mehr, das alte Speisen aufgekocht werden.  Religion bietet Haltepunkte in Ritualen und Lehren, also im Außen. Sie erspart es uns, einen praktischen Übungsweg zu gehern und leitet dazu nicht an.


Menschen, die nur Worte wiederkäuen, ohne einen Weg zu gehen, können nicht überzeugen. Spiritualität, die der Freiheit des Einzelnen und der Mündigkeit des Subjektes misstraut,  gehört ins Museum. Religion, die Menschen als unmündige  Kinder ansieht, muss sich auf der Kanzel präsentieren. Funktionäre geben, wofür sie bezahlt werden. Es reicht, dass wir verstehen und annehmen, was längst gesagt ist.  Darin ähneln sich Judentum, Islam und Christenheit, egal was drauf steht: Kirche, Luther, Papst, Tradition, Bibel, Koran oder Tora.  


Eigene Suchbewegungen werden oft als Betriebsstörung wahrgenommen. Sie sind dazu überflüssig: Es geht nur um innere Aneignung von Gegebenheiten und die Durchdringung offenbarer Vorgaben: Das reicht!  Mit Offenbarung ist längst Schluss!   Sie ist kein taufrisch neuer Prozess, der uns weitet und weiter geht. Sie ist vollständig und wir sollten das kapieren. Welche Enge und Scheuklappen hängt man da dem Göttlichen an.


Selbst was zu finden, wird oft als private Bastelei des Ego abgewertet. Mitlaufen reicht! Bis heute gilt in monotheistischen Religionen die subjektive und autonome Suche nach der eigenen Wahrheit und deren Erfahrung mehr oder weniger als eitle Anmaßung, die in die Irre führt.  Das moderne Subjekt wird abgewertet zugunsten eines kollektiven Mitlaufens in der Masse; Macht und Patriarchat werden mit Parolen wie "Gemeinsam auf dem Weg"  aufgepeppt und verkleistert, in ihrem unkontrolliertem Gewaltpotential verharmlost und durch attraktive Aktionen verfestigt statt überholt. Hierarchien und Diktaturen brauchen sich um Diener nicht zu bemühen.

 

In den westlichen Religionen wurden sehr wohl Wege spiritueller Tiefenerfahrung ausgebildet, aber sie bleiben verborgen, werden nicht mehr gegangen und noch viel weniger gelehrt. Es fehlt daher an herausfordernder Zumutung, die es für einen spirituellen Weg braucht.  "Menschen verhungern an reich gedeckten Tischen."  Schöne Bilder, bunte Kirchenräume und satte Orgelklänge stillen eher oberflächliche Bedürfnisse nach Wohlgefühl, Schönheit und Trost, kindliche Sehnsüchte nach Halt und Geborgenheit oder orale oder soziale Bedürfnisse nach Sättigung. Es gibt Lesemeister und keine Lebensmeister. Die Exerzitienkultur verflacht und stirbt.  Die Zeit höriger, folgsamer Schafe, die sich fertige Filme vorführen lässt um auf vorgefertigte Fragen wortreiche  Antworten zu suchen, ist gottlob vorbei! Von oben verordnetes Gut in sicheren, aber engen Kisten, das geht nicht mehr.  


Die Moderne sucht Gewissheit aus eigener, innerster Erfahrung. Dazu bräuchte es Qualität aus eigener Tiefenerfahrung  und Ermutigung zu Übungswegen statt vieler schöner Worte, gebürsteter Rituale und aufwendiger Events.  Die Berufsgruppe von reich bezahlten Kirchenbeamten mit nicht gepflegter sondern verödeter eigener Spiritualität  kann kein Brot reichen, dass sie sich selber abgewöhnt hat. Sie kann nicht spirituell begleiten, da sie meist unbegleitet ist.  


Die römisch katholische Kirche in ihrer Jetztgestalt bedient eher das menschliche Bedürfnis Kind zu bleiben, statt erwachsen zu werden und selbstständig zu gehen.  Deshalb wird gibt es in ihr soviel Trotz und Maulen ohnmächtiger Kleiner.  Eine große Zahl von Messdienern war der Stolz vieler Priesterrmänner. Auch den Kinderherzen der Großen schenkt Religion Glanz und Glücksgefühle.

"Vertiefung"  gibt es manchmal unfreiwillig mit unreifem Sex.  Sicherheitsbedürfnisse, die man voll bedient, werden gleichzeitig enttäuscht.   Menschen werden dabei krank! Wer dass unterstützt, ist auch dran Schuld! Wer nicht selber gehen will, findet in Religion einen guten Platz. Man wird von geweihten Häuptern, von einer vorgeblich reinen und geweihten Männerncrew geführt und manchmal verführt. Auf solche soll man hören, die selber nicht mehr hören, sich führten lassen von Ungeführten, Unterstützung erhalten, bei  Verlorenen und Hilflosen, bei den immer dieselbe Platte läuft:  Kapriziöse Vorführungen eingebildeter sich selbstbespiegelnder Ich's: Welch ein Graus!  


Das tiefe Bedürfnis nach Selbstwerdung und Selbsttranszendenz wird allerdings auch an neue Religionen, z.B. die  des "Money"- Theismus abgetreten. Moneytheismus hat enormen Zulauf.  Man findet ihn gar eingesickert in das, was sich Religion oder Konfession nennt.    Moneytheismus gibt sich als Religion der Erlösung. Doch trotz teurer Torturen und beständiger Ausgaben und Anschaffungen schafft sie das nicht.  Sie produziert ständige Wiedergeburten vor neuerdings zu kaufenden Waren.  Dennoch scheint ihre Bindungskraft sehr stark.  Viele jagen ihr nach.  Selbst bei den sogenannten Erlösten gibt es jetzt goldig aufpeppte Konserven mit gängigen Aufschriften des Mainstreams.  Aller Rost wird versilbert. Der Lärm von Versprechen und lauten Worten ist unüberhörbar.  Rede, die nicht aus dem Schweigen kommt, bleibt Geschwätz, dass einen nerven kann.   Das ist einfach ein wachsender Lärm bei sinkender Bedeutung. Da kommt nichts und niemand durch. Das geht zu Ende.   Gottlob!

 

 

 


"Sucht die Achtsamkeit das Gebet, so wird sie es finden.

Denn nichts anderes geht so sehr mit dem Gebet Hand in Hand wie die Achtsamkeit." 

Evagrius Ponticus (330-378)

De oratione

      




Öffne das Ohr deines Herzens!

Hören wir mit aufgeweckten Ohren!

Benedikt von Nursia

     



Halte deine Seele in Frieden. 

Lass Gott in ihr wirken.

Heiße Gedanken willkommen, die deine Seele zu Gott emportragen.

Mach das Fenster deiner Seele weit offen. 

Ignatius von Loyola

     



Das Gebet als letzte Hingabe macht still und vereinfacht viele komplizierte Dinge. 

Kardinal Franz König

     



Und das Feuer hat die Flamme und ist Lob für Gott,

und der Wind bewegt die Flamme und ist Lob für Gott,

und in der Stimme ist das Wort und das Wort ist Lob für Gott.

Daher ist die ganze Schöpfung Lobpreis (...) 

Hildegard von Bingen

   

 

 

 

 

 

 

VOM HASS UND DER FEINDESLIEBE

DA SEIN FÜR FRIEDEN - Friedensgebet   04.08.2018                        

Rezitationstext


Il suffit, qu'un seule homme haisse un autre  

pour que la haine gagne de proche en proche l'humanité entière.“ Sartre


Gewaltlosigkeit

Spiritueller Gleichklang Christenheit und Buddhismus


 

Wie ihr wollt, dass die Menschen mit euch umgehen, so sollt ihr mit ihnen umgehen.      Lk 6,32

Erkenne dich selbst in allem Sein.  Dhammapada 10,1

  

Wenn dich jemand auf eine Wange schlägt, so halte ihm auch die andere hin.           Lk 6,29


Wenn dich jemand mit der Hand, Stöcken oder einem Schwert schlüge, so sollst du alle gemeinen Regungen und alle gemeinen Gedanken leugnen und kein böser Laut soll deinem Mund entfahren.  Majjhimanikaya 21,6


Liebet eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen. Segnet, die euch verfluchen; betet für die, die euch misshandeln. Dem, der dir den Mantel wegnimmt, verweigere auch das Hemd nicht. Gib jedem, der dich bittet; und wenn dir jemand etwas wegnimmt, so verlange es nicht zurück.  Lk 6,27-30


Der Hass in dieser Welt endet nie durch Hassen, sondern durch Nichtfeindschaft; das ist eine ewige Wahrheit. …  Überwinde den Ärger durch Liebe, überwinde das Böse durch das Gute. Überwinde den Geizhals durch schenken; überwinde den Lügner durch die Wahrheit.  Dhammapada, 1.5/17.3

  

Stecke dein Schwert an seinen Platz. Denn alle, die zum Schwert greifen, werden durch das Schwert umkommen.     Mt 26,52


Indem er das Verletzen lebender Wesen vermeidet,  lebt der Asket Gautama in Zurückhaltung vom Töten, rührt keinen Stock und keine Waffe an.     Dighanikaya 1.1.8.                                                                                                               


 

Das ist mein Gebot: dass ihr einander liebt, so wie ich euch geliebt habe. Niemand hat größere Liebe, als wenn man das Leben für seine Freunde lässt.      Joh 15,12-13


Wie eine Mutter ihr einziges Kind mit ihrem Leben schützen würde, so sollt ihr ein grenzenloses Herz für alle Wesen pflegen. Lasst eure Gedanken der grenzenlosen Güte die ganze Welt durchdringen.                                                      Suttanipata 149-150


                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 

 

     

Rabindranath Tagore

 

Nein, nicht euch ist es bestimmt,

die Knospen zu erschließen zu Blüten.

Schüttelt die Knospe, schlagt sie; es geht über eure Macht, sie blühen zu machen.

Eure Berührung beschmutzt sie, ihr zerreißt sie in Stücke und werft sie in den Staub. Aber keine Farben erscheinen und kein Duft. Ach, nicht euch ist es bestimmt,  die Knospen zu erschließen zu Blüten. Er, der die Knospen öffnen kann, tut es einfach. Er schenkt ihr einen Blick  und der Lebenssaft strömt durch die Adern. Auf seinen Hauch breitet die Blume ihre Flügel aus und flattert in den Wind. Farben brechen heraus wie Sehnsüchte, der Duft verrät ein süßes Geheimnis. Er, der die Knospen öffnen kann, tut es einfach.

 

 

 

 

 

 

 

Mittwochsgruppe 11.04. und Donnerstagsgruppe 12.04.

Spiritualität in der Musik Bachs

 

In der Perfektion der kompositorischen Durchführung von Kontrapunktik und Harmonik in Bachs musikalischen Werken bildet sich etwas ab, was auch in den Reifungsprozessen Kontemplierender sich als Herausforderung zeigt, die Integration von Einheit und Verschiedenheit: Viele unterschiedliche Stimmen und Seiten in uns dürfen gesehen und gewürdigt werden, auch wenn sie uns als widerlich oder widersprüchlich vorkommen oder sich auszuschließen scheinen.  Wie das  kontrapunktische Komponieren Bachs besteht die Kontemplation in dem kunstfertigen Handwerk, die Vielstimmigkeit in eine stimmige und harmonische Einheit zu fügen zu lassen, ohne dabei reduktionistisch zu werden und eine uniforme "Einstimmigkeit" anzustreben. Ganzwerdung ist eine Kunst, die wir kontemplierend üben.Auch was Menschen über Bachs Musik  und deren Wirkung dachten und schrieben, kam zum Zug. Hier einige Skizzen dazu:

  


Bach ist der Vater, wir sind die Buben.

Wer von uns was rechtes kann, hat's von ihm gelernt.“

Mozart


Nicht Bach, sondern Meer sollte er heißen.“

Beethoven  


Das erstaunlichste musikalischste Wunder aller Zeiten.“

Richard Wagner


Ich würde in die Liste der fünf größten Religionsstifter auch nicht Gott aufnehmen.“

David Cope, zeitgenössischer amerikanischer Komponist  auf die Frage, warum er Bach nicht in die Favoritenliste seiner liebsten Komponisten aufnimmt.


In der Musik kommt keiner in die Nähe Bachs." 

Ton Kopmann, ein holländischer Dirigent


Hören, spielen, lieben, verehren und – das Maul halten!“    

Albert Einstein zu Bach's Musik


Hätte ich das Stück machen, empfangen können, ich weiß sicher, die übergroße Aufregung und Erschütterung hätten mich verrückt gemacht." 

Johannes Brahms  über die Chaconne für Violine von Bach in einem Brief an Clara Schumann


Natürlich kannte ich davor schon Musik.  …  Als ich die Chaconne das erste Mal hörte, … war ich gerade 7 Jahre alt. Diese Musik war so unendlich viel tiefer, als alles, was ich bisher gehört hatte. In dieser Musik war alles, jedes denkbare menschliche Gefühl, In ihr hatte alles Sinn, und in meinem Leben schien damals alles sinnlos. Also packte ich diese Musik und hielt sie fest, so fest ich nur irgend konnte. Sie war der Beweis, dass es Gutes in der Welt gibt. Die Welt konnte nicht nur böse sein, wenn diese Musik existierte.“ 

James Rhodes, britischer Pianist


Wir wissen so wenig über Bach, aber was wir wissen, ist so außerordentlich. Allein der Schmerz. Zwanzig Kinder hatte der Mann. Zehn davon starben. Und seine Geschwister sterben. Seine Mutter und sein Vater sterben. Mit 9 Jahren war Bach Vollwaise. Und seine erste Frau, seine große Liebe, stirbt. Bach war umzingelt vom Tod. Und doch hat er nie aufgegeben.“ 

James Rhodes, britischer Pianist


Jedes Mal, wenn ich in den Goldbergvariationen zu den letzten Takten komme, habe ich ein wahnsinnig berührendes Gefühl. Das Stück verabschiedet sich von mir. Als würde mir Bach selbst die Hand auf die Schultern legen und sagen: Wir sind jetzt zusammen gegangen und jetzt schließt sich etwas. (…) Ich kann nur persönlich sprechen. Und ich bin kein religiöser Mensch oder so. Das ist nicht mein Thema. Aber egal, was Bach schreibt: Ich fühle mich verstanden. Ich vertraue ihm. Ich fühle mich geschützt und geborgen. Ich gehe mit. Das kann ich nicht erklären. Aber ich fühle mich an der Hand genommen.  (...) Bach nimmt dich mit. Das ist einzigartig. Er ist wie so ein Geist, der dich anspricht und einfach zu dir selber wird. Wie Luft, die dich anspricht und einfach zu dir wird. Er wird zu dir." 

Igor Levit, russischer Pianist


Wenn man Gott mit seiner Musik nicht ehrt, ist die Musik nur teuflischer Lärm und Krach.“ 

Johann Sebastian Bach


Viele Komponisten nutzen den Kontrapunkt und lassen ihn dann wieder fallen. Bach aber konnte kontrapunktisch durchkomponieren.  Bach kann vier oder fünf Stimmen ein ganzes Stück lang miteinander verschiedenes singen lassen. (…) Dass ein Mensch dazu imstande war, ist für mich noch immer unvorstellbar.“   David Cope


... und alle Musik soll die Menschen erfreuen.“ 

Johann Sebastian Bach



 

 

 

Man wird sehen

 

 

 

Ein Bauer hatte ein Pferd, aber eines Tages lief es fort und der Bauer und sein Sohn mussten ihre Felder selbst pflügen.  Die Nachbarn sagten:  “Was für ein Pech, dass euer Pferd weggelaufen ist!”  Aber der Bauer antwortete:  “Man wird sehen.” 

Eine Woche später kam das Pferd zum Bauernhof zurück und brachte eine ganze Herde wilder Pferde mit. “So viel Glück!” riefen die Nachbarn, aber der Bauer sagte:  “Man wird sehen,” 

 

Kurz danach versuchte der Sohn des Bauern, die wilden Pferde einzureiten – aber er wurde abgeworfen und brach sich ein Bein. “Oh, so ein Pech!” Die Nachbarn hatten Mitleid, 

 

aber der Bauer sagte wieder:  “Man wird sehen” Ein paar Tage später zog der Landesherrscher alle jungen Männer in sein Heer ein, um in die Schlacht zu ziehen. Aber den Sohn des Bauern ließen sie wegen seines gebrochenen Beins zu Hause “Was für ein Glück, dass dein Sohn nicht in die Schlacht ziehen muss!” freuten sich die Nachbarn. Aber der Bauer bemerkte nur:

 

 

“Man wird sehen.” 

Zen    

 

 

 

 

 

 

Donnerstagsgruppe Aufbau Zazen - 01.02.2018 - Ausschnitt aus dem Impuls


 Meditation ist nicht Zazen, Meditation ist nicht  Kontemplation

 

 

 Der wahre Weg

 

Ein Schüler fragte seinen Lehrer:  »Was ist der wahre Weg?«

Der Meister erwiderte: »Der alltägliche Weg  ist der wahre Weg.«  

Wiederum fragte der Schüler: »Kann man diesen Weg erlernen?« 

Der Meister sagte: »Je mehr du lernst, desto weiter kommst du vom Weg ab.« 

Darauf fragte der Schüler: »Wenn man dem Weg nicht durch Lernen näher kommen kann, wie kann man ihn erkennen?« 

Da sprach der Meister zu ihm:  »Der Weg ist nichts Sichtbares und auch nichts Unsichtbares. Er ist nichts Erkennbares und auch nichts Unerkennbares. Suche ihn nicht,  lerne ihn nicht, nenne ihn nicht.  Sei weit und offen  wie der Himmel, und du bist auf dem wahren Weg.«

 Zen

 

 

... Zazen ist nicht das, was wir Meditation nennen. Im klassisch christlichen Sinn meint Meditation eine geistig-intellektuelle Auseinandersetzung mit bestimmten Objekten. Im Psalm 1 der jüdischen Bibel  heißt es: „Selig der Mensch, der Freude hat an der Weisung Ha Schems, der über seine Weisung nachsinnt bei Tag und bei Nacht.“ Dieses Nachsinnen wird mit dem Wort „Meditari“ d.h. Meditieren übersetzt.   

Man meditiert, indem man über Bibeltexte nachdenkt oder sinnend Texten, Worten, Bildern, Fragen oder Gegenständen nachgeht.   Dabei handelt es sich um einen bewussten und aktiven Prozess. Wir sind dabei als Hörende oder sinnlich wahrnehmende aktiv:  „Öffne deines Herzens Tor.“  Beim Meditieren erhält unser Verstand Angebote und er arbeitet daran. Beim Meditieren werden unsere Gefühle und Befindlichkeiten angesprochen. Wir nehmen sie wahr, reflektieren und integrieren, was an Gefühlen, Befindlichkeiten und Reaktionen in uns ausgelöst wird. Meditation ist immer Beschäftigung und erfordert Aktivität, selbst wenn es dabei stille ist.  Beim Meditieren arbeiten wir mit der Außenseite unseres Lebens, im Feld der Kognition und der psychischen Bewegungen. Wir finden hier daher eine Qualität von lauter Stille. Meditation kann sogar zur Pflege unseres Affengeistes genutzt  werden, wenn sie ohne Sammlung geschieht. Arbeit an Außenwänden, das ist nicht Zazen oder Kontemplation. Stille allein kann Zerstreuung pur sein.  


  

Zazen und Kontemplation

meinen hingegen ein Überschreiten und Seinlassen aller Meditation. Unsere Übung ist klar: Wir lassen alles außen außen sein.  Wir lassen Psyche Psyche sein, wir lassen Denken Denken sein.  Wir kümmern uns nicht ums Außen, wir kümmern uns nicht ums Seelische und ums Fühlen, wir kümmern uns nicht um Gedanken.  Kein Wort! Kein Bild! Kein Gegenstand! Keine Geschichte! Wir hüten uns davor, unsere Gefühle zu nähren. Wir hüten uns davor, unser Hirn mit Reizen zu füttern. Wir suchen  kein Event, weder Abwechslung noch Unterhaltung.  Wir zerstreuen uns nicht in den Zeiten von gestern und morgen.   Wir sind absichtslos da und streben keine Erfahrung oder Erkenntnis an.


Genau umgekehrt: Wir sammeln alle nach außen gerichteten Kräfte ein, halten an uns und richten uns vollständig nach innen. Wir stellen jedwede absichtsvolle Beschäftigung mit Worten und Bildern, Ideen und Geschichten ein.  Das heißt, wir üben etwas, was wir garnicht können, nämlich nicht zu handeln.

 

Solches Nichthandeln führt zum schlichten Dasein, in die pure Empfänglichkeit. Deren Gewinn können wir anfangs nicht merken, weil wir Gewinn zeitlebens anders buchstabiert haben. Was uns hier erreicht, hat eine Zartheit, die man anfangs nicht spüren kann. Sie ist wie nichts und trägt paradoxerweise alle Macht in sich, eine gewaltige Leere, eine Präsenz voll Kraft.

 

 

Kontemplation wie Zazen sind daher eine volle  Herausforderung. Sie stehen konträr, zu dem, was wir im alltäglichen Leben tun und was der Alltag uns abverlangt. Doch keineswegs werden wir lebensuntauglich auf diesem Weg.  Wir entwickeln eine neue Ressource, eine vergessene Lebenskunst, welche unser Leben und Dasein und unsere Beziehungen unendlich befruchten und bereichern wird. Es ist als ob wir übend einen archimedischen Punkt gebären, der das Unmögliche möglich werden lässt und den Lauf des Ganzen fortan bestimmt, Hier in der Stille gegründet, wirken wir anders und arbeiten  wir effektiver. 

 

 

 

Im Christlichen sprechen wir von Kontemplation. Weil die Ähnlichkeit zu Zazen so markant ist, wechsle ich jetzt in die christliche Sprache. Kontemplation gilt als höchste christliche Gebetsstufe.  Sie meint wie Zazen ein pures Dasein oder ein reines Verweilen vor Gott, eine vollständige Präsenz und ein Leersein von allem.  Darin kosten wir die Wirklichkeit hinter dem Augenschein, die Realität unter den selbst  geformten Bildern und den eigenen Vorstellungen.  Christlich formuliert: „Kontemplation heißt, den auf Gott gerichteten Geist zu erheben und die Freude der ewigen Glückseligkeit zu verkosten.“  (14. Jahrhundert).

 

Indem wir so langsam leer und damit frei werden von aller Einbildung, Überfremdung und Besetzung, geschieht eine innige manchmal überwältigende Berührung durch Gott. Sie geschieht, wenn alle kognitiven, intuitiven und willensmäßigen seelischen Kräfte in der Sammlung vereint werden und der Beter ganz eins wird und zu sich kommt.  Wir können sie nicht machen.

 

Gerhard der Karthäuser spricht vom Entgegenkommen Gottes: „Gott wartet nicht, bis die Seele aufgehört hat zu sprechen, sondern unterbricht den Fluß des Gebetes in der Mitte; plötzlich gibt er sich und eilt der verlangenen Seele entgegen, sie mit dem Tau himmlischer Süße benetzend.“  - Unser kostbare Übung führt also ins Verkosten des himmlischen Taus. Ps 33 und die christliche Mystik beschreibt dies immer wieder als Süßigkeit (Dulcedo oder Suavitas).

 

                                                       

  

     

„Strenge dich nicht so sehr an, wenn Du ein Sutra liest oder hörst. Sei wie die Erde. Wenn der Regen kommt, braucht sich die Erde ihm nur zu öffnen.  Gestatte es dem Dharma Regen, in dich einzudringen und die Samen zu druchtränken, die in der Tiefe des Bewusstseins verborgen sind. Kein Lehrer oder Lehrerin kann dir die Wahrheit zuteilen. Die Wahrheit ist schon in dir.“ 

Thich Nhat Than

 

 

      

Vor dem Allerheiligstem


Vor dem Betreten des Allerheiligsten musst du die Schuhe ausziehen,  

aber nicht nur die Schuhe, sondern alles,  Reisekleid und Gepäck,  

und darunter die Nacktheit  und alles, was unter der Nacktheit ist,  

und alles, was sich unter dieser verbirgt,  

und dann den Kern und den Kern des Kerns,  

dann das übrige und dann den Rest  

und dann noch den Schein des unvergänglichen Feuers.  

Erst das Feuer selbst wird vom Allerheiligsten aufgesogen  

und lässt sich von ihm aufsaugen;

keines von beiden kann dem widerstehen. (...) 

 

 Franz Kafka

 

 

 

 

 

 

 

Dasein für Frieden 27.01.2018 - Auszug aus dem Impuls

 

Friede ist Faktum - Doch wir stehen daneben.

 

„Der Frieden, den die Welt nicht kennt“ braucht ein Stillhalten. Unsere Augen und Ohren werden sich weiten für die ganze Wirklichkeit, unser Herz wird aufgehen, unser „Ich“ frei werden. Unsere Alltagswahrnehmung entwickelt sich in eine Tiefenwahrnehmung. Sie reicht bis über den Rand der Welt hinaus und erlaubt uns, eine Qualität von Frieden erfahren, an den andere nur glauben.  Frieden ist wirklich bereits da.  Weil wir das so einfach nicht glauben können, gehen wir einen Weg der Übung, um diese Wirklichkeit  selbst zu erfahren.  Wir lernen, ihn zu sehen und uns von ihm berühren zu lassen. In seiner Berührung wird sich unser Herz auftun.  Dieser Frieden findet uns, indem wir  ihm öffnen. Was wir in dieser Tiefe schauen, berührt nicht nur uns selber, sondern lässt die ganze Erde aufhorchen.  Was wir in der Tiefe berühren dürfen, das wirkt im selben überall hin.  Das hat eine allmächtige Energie. Dann erleben wir weiter Friedlosigkeit, aber wir stehen ganz anders da. Wir schauen sie aus der Kraft erfahrenen Herzensfriedens liebevoll und achtsam an.  Frieden wächst im Stillhalten und zu sich kommen ganz ohne Druck. Wir beginnen den Stürmen des Lebens souveräner zu begegnen, weil wir in unserer Mitte ruhen. Wir erlauben diesem Frieden, uns von innen  wandeln zu lassen. Wir werden Liebende.  Herzensfrieden ist eine Realität, die wir im Üben langsam oder schneller zu sehen, wahrzunehmen und zu berühren beginnen.  Er ist da, aber wir sind nicht drin. Das begründet unseren Weg der Übung, bei dem wir den Frieden in uns zu suchen beginnen, nicht sonstwo und uns von  seiner Gegenwart als Faktum erfüllen lassen. Wir sind dann wirklich fried-voll oder „in Christus“ und das hat eine unglaubliche Kraft.  


 

Ein Frieden der Verträge ist wichtig. Doch ein Frieden aus Worten bleibt kurzatmig. Frieden aus inneren Haltungen heraus wirkt nachhaltiger, schafft Raum für Wandlung.

 

                                                                                                                      

„Der sanfte Regen dringt ein in den Erdboden meiner Seele.

Ein Samen, der lange Zeit tief in der Erde lag, lächelt einfach nur.“  Thich Nhat Than

 

Da sein für den Frieden, eintreten in den Frieden des Herzens, das ist kein Akt der Ohnmacht, weil man sonst ja nichts machen kann, sondern eine Ermächtigung für uns und die Erde. Das hat Macht und macht Wandel möglich.

 

Das schafft den Boden für eine neue menschliche Realität. Es gibt keinen Frieden ohne den Frieden des Herzens. Und der Weltfrieden hat nirgends sonst einen tieferen Antrieb als in der Realität eigenen Herzensfriedens. Wer im Frieden ist, an dem tropfen die Parolen ab, die ein neues Gegeneinander propagieren. Herzensfrieden sagt: Alles ist möglich, weil wir den Keim des Friedens und des Verständnisses und der Liebe an allen Orten zu sehen lernen. Das bedeutet keineswegs, dass wir alles mitmachen können.

 

Weitet sich die Wahr-nehmung, dann wird das Unmögliche möglich. Das ist noch mehr als „Wir schaffen das!“ Das Tun ist jedes Einzelnen ist nicht belanglos, sondern die zentrale Chance für das Ganze. Das Tun des Einzelnen ist eine alles wesentlich bestimmende Kraft. Das bedeutet nicht, dass sie sich direkt zauberhaft im Außen zeigt.  Wir sind absolut wichtig und zwar jeder und jede Einzelne.

 

 

 

 

  

Morgenritual  - Stille Tage

Morgenexerzitien 

Selbstverpflichtung am Morgen des Tages

 

Eins mit Gott, dem Urgrund allen Lebens, sage ich ein großes Ja zu mir und meinem Leben und zu allem, was ist. Ich danke für diesen Morgen und nehme ihn an als Gnade eines neuen Anfangs.

  

Heute will ich mit all meinen Möglichkeiten, all meiner Kraft und all meiner Hingabe dem Leben dienen: der Menschheit, der Erde, dem Kosmos.

  

Mit wachem und  offenem Herzen bringe ich mich ein für Versöhnung, Frieden und Gerechtigkeit in mir, meinen Beziehungen und allüberall.

 

Ich bin bereit in Verantwortung für die Zukunft die Mühsal des Wachsens und Lernens auf mich zu nehmen. Ich bin entschieden, den Weg des Erwachens zu gehen, ein wahrhaft liebender Mensch zu werden. Göttlicher Grund, lass mich erfahren, dass dein ICH BIN mein ICH ist. 

 

 

 

 

 

Jahresgruppe, 31.01.2018

 

War Jesus ein Kontemplativer?

 

 

Verfolgen wir den Weg Jesu sorgsam, dann lockert sich möglicherweise eine weit verbreitete Überzeugung, worin Christsein besteht:  Nicht wenige meinen, es bestehe darin viele gute Taten zu vollbringen und sich selber nicht zu schonen, manchmal sogar darin, sich soviel Arbeit zu machen, so dass man irgendwann in blinder Hingabe völlig ausgebrannt auf den Stufen des Altars stirbt, um so den Himmel: zu erlangen Das war ein "wahrer" Priester!  Diesen sublimen Druck kennen viele: Christen müssen engagiert sein. Ein Muss! Ein absolutes Muss! Tut man es nicht, versinkt man in schlechtem Gewissen.  Schauen wir auf Jesus, so begreifen wir, dass es nicht primär um gute Taten, sondern um das Gutsein geht. Gut sein geht vor viel Tun. Ein liebender und gütiger Mensch zu sein, ist eben nicht dasselbe wie „Jeden Tag eine gute Tat.“  zu absolvieren. Wer nur Gutes tut, muss keineswegs gut sein. . Wer sich um sein Gutsein kümmert, sitzt am Quell und schöpft aus Unerschöpflichem.

 (...)

Tragen wir zusammen, was dafür spricht, dass Jesus das selbst so praktiziert hat, dass er nicht bloss  viel Gutes wirkte, sondern sich Raum und Zeit nahm, für seine eigene innere Bildung, dass er womöglich ein Kontemplierender war.

 

  • Das fast vollständige Fehlen der jüdischen Wortgebete in Jesu Mund.

  • Der häufige Rückzug in die Einsamkeit und Stille.

  • Das Stehenlassen der Leute und das Wegschicken seiner Jünger

  • Der ausdrückliche Hinweis auf eine Klausur auf dem Ölberg - „Bleibet hier und wachet  mit mir!“

  • Die Nähe zur Wüste, ein Wort der Eremitage,  die sich in der Bekanntschaft mit den Johannesjüngern und der Jesustaufe abbildet.

  • Die Weisung der Gottes-, Selbst- und Nächstenliebe, die Ermutigung  ein Liebender, eine Liebende  zu werden: Das braucht eine andere spirituelle Bildung als das kollektive Hersagen von Gebeten.

  • Jesus erscheint als Lernender: Ein fertiger Gottes Sohn braucht keine Kontemplation. Obgleich Gottessohn, hat Jesus gelernt (siehe Brief an die Hebräer).

  • Lange Wüstenaufenthalte: Jesus wurde vom heiligen Geist in die Wüste getrieben.

  • Die Gebetsanleitung Jesu


Jesu lädt zur Kontemplation an


Du aber geh in deine Kammer, wenn du bestest, und schließ die Tür zu.

Dann bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist.

Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten.“  (Mt 6,6-7)

 


  • Kammer, das bedeutet im jüdischen Kontext eine meist kleine Vorratskammer oder Schatzkammer.

  • Sie hat bloß eine Tür, aber kein Fenster.

  • Wenn die Tür geschlossen ist, wie Jesus das verlangt, ist es darin dunkel. Man sieht nichts mehr.

  • In solcher Klausur kann man weder von außen hinein noch von innen hinausschauen.

  • Es ist eine konsequente Abgeschiedenheit von allem.
  • Das bedeutet auf den ersten Blick,  es in einer völligen Reduktion zu leben, es in einem sehr kleinen Ambitus und es bei sich selber aushalten zu müssen.

  • In solcher Abgeschiedenheit können wir uns leichter sammeln und einen.

  • Wir üben „Bei uns selber zu wohnen“ und  „Bei uns selber zu bleiben“.

  • Das geht viel leichter, wenn wir uns dazueinen äußeren Raum nehmen und erlauben.

  • Jeder Mensch braucht eine solche Zufluchtsstätte, einen geschützten Raum nur für mich allein und die Intimität der Kontemplation.

  • Die vollständige Einsamkeit und das Ausschließen alles Gewohnten sind eine ideale Basis  für den kontemplativen Vollzug.

  • Nichts mehr im Außen sehen und greifen zu können kann helfen ein ganz anderes Schauen zu lernen und den Zugriff zu lassen: die eigenen Sichtweisen zu lösen.

  • Gott lebt im Verborgenen. Hier im verborgenen Dunkel ist man bei ihm und geborgen.

  • Denn Gott sieht im Verborgenen.

 

   

GEH IN DIE KAMMER  

Franz Jalics, SJ führt die Gebetsanweisung  Jesu so  aus:



Solange jemand sich im Gebet mit Gedanken, Gefühlen, Gemütsbewegungen oder mit Bildern befasst, ist er noch nicht in seiner Kammer.  Er ist vielleicht schon im Haus, aber er sitzt auf seinem Balkon und genießt einen herrlichen Blick auf die Umgebung, das heißt auf die Außenwelt. Seine Gedanken und Beobachtungen, sein Planen und Unterscheiden verbinden ihn mit seiner Außenwelt.  Er kann sich vergnügt mit seiner psychoreligiösen Landschaft beschäftigen. Denn Gedanken und Gefühle verbinden uns mit der Welt und mit unserer Psyche.   


In der Auffassung Jesu ist das noch nicht die Kammer, nicht der lichtlose Schuppen. Die Tür ist noch nicht verriegelt.  Man ist noch nicht in der Dunkelheit der Kammer. Man  hat die Wende noch nicht ganz vollzogen, ist noch nicht durch das eigentliche Nadelöhr gegangen. Die eigentliche Wende nach innen liegt zwischen dem Balkon und der inneren Kammer, in der uns nur der Vater sieht, wo kein Gedanke und kein Gefühl uns  mehr beschäftigt und nur die leere, fraglose Mitte, der dunkle Schuppen existiert.   


Dabei ist nicht gemeint, dass man die Gefühle verdrängt. Alle Gefühle dürfen kommen und gehen, sonst ist der Mensch blockiert. Aber in der Kammer, in der leeren Mitte, im Seelengrund gibt es keine Gefühle, nur das reine Gewahrsein. Gott ist unsere tiefste Mitte. Er verweilt in unserem Seinsgrund. Deshalb müssen wir vom Balkon weg weiter in die Kammer treten. Dort nur ist unser Blick ganz auf den Vater gerichtet.    


   Franz Jalics, Der kontemplative Weg, S. 35-36

 

 

 

 „Das ist der schönste Augenblick, wenn die Schöpfung in ihrer Unschuld um Erlaubnis bittet, noch einmal „sein“ zu dürfen, wie sie es am ersten aller Morgen getan hat. Wir haben uns zu selbstmächtigen Herren aufgeschwungen und wollen niemand um Erlaubnis fragen. Wir diktieren die Zeit und greifen in ihre verborgensten Gesetze ein. Wir nehmen uns das Recht dazu. Bei den Vögeln ist das anders. Sie rufen keine Uhrzeit aus, sondern bezeichnen den jungfräulichen Punkt zwischen Dunkelheit und Licht, zwischen Nichtsein und Sein.  

Hier ist ein unaussprechliches Geheimnis: das Paradies rings um uns, und wir verstehen nichts. Es steht weit offen, aber wir wissen es nicht. Wir können nicht kommen, denn wir sind verhindert. Weisheit ruft es im Morgengrauen, aber wir hören nicht hin.“

Thomas Merton, in: Zeiten der Stille

 
 

 

 

 Morgengebet

 

Lieber Gott, bis jetzt geht es mir gut heute. Ich habe noch nicht getratscht, die Beherrschung verloren, war noch nicht muffelig, gehässig, egoistisch oder anstrengend.

Ich habe noch nicht gejammert, geklagt, geflucht oder Schokolade gegessen. Auch die Kreditkarte habe ich heute noch nicht belastet.

Aber in etwa einer Minute werde ich aus dem Bett klettern und dann brauche ich wirklich deine Hilfe.

 

unbekannter Verfasser

 

 

 

 

 

Weihnachtsgruß 2017

 

 

 

"Ich glaube an Nächte" 

 

 

 

Allen, die bei uns in diesem Jahr zu Gast waren, wünschen wir ein segensreiche 

weih-nacht-liche Zeiten.  Wir verbinden diese Grüße mit einem Plädoyer für das Dunkel.

Rainer Maria Rilke wählt dazu folgende Worte:   

 

Du Dunkelheit, aus der ich stamme, 

ich liebe dich mehr als die Flamme, 

welche die Welt begrenzt, 

indem sie glänzt 

für irgend einen Kreis, 

aus dem heraus kein Wesen von ihr weiß. 

Aber die Dunkelheit hält alles an sich: 

Gestalten und Flammen, Tiere und mich, 

wie sie's errafft, 

Menschen und Mächte.

Und es kann sein:

eine große Kraft 

rührt sich in meiner Nachbarschaft. 

Ich glaube an Nächte.   

 

 

Das Dunkel klingt in den Namen der Feste. Wir sprechen von Weihnacht  und vom Heiligen Abend. Nacht und Dunkel prägen vom Wort her besehen seinen Kern. Das deutet auf hohen Wert und tiefgreifenden Sinn solcher Dunkelstunden. Rilke schreibt:

 

Ich liebe meines Wesens Dunkelstunden, 

in welchen meine Sinne sich vertiefen; 

in ihnen hab ich, wie in alten Briefen, 

mein täglich Leben schon gelebt gefunden 

und wie Legende weit und überwunden.  
Aus ihnen kommt mir Wissen, dass ich Raum 

zu einem zweiten zeitlos breiten Leben habe. 

Und manchmal bin ich wie der Baum, (...)    

 

 

Dunkelzeiten gehören zur Natur allen Daseins auf Erden. Im Winter drängt das Dunkel unausweichlich in den Blick: Die Stunden des Tageslichtes nehmen ab. Früh und früher dunkelt es allabendlich und spät und später lichtet sich die Nacht zum Morgen hin.  Die Natur zieht sich zurück; die Zweige der Bäume wirken steif und winterstarr.  Manch Tier schläft endlos lang. Das Leben läuft im Rückwärtsgang, nicht nur voran. Schlafend und schweigend findet es neue Kraft, bewahrt und hütet sie achtsam. In unscheinbarer Stille darf es ausruhen. Zeugendes Schweigen und Empfangen! Die Knospen unterm Schnee erzählen schon von neuen Geburten. Im leblos anmutenden Stillhalten erholt sich das Leben und schöpft fürs Wachsen, Blühen und Fruchtbringen im neuen Jahr. Tage des Lichtes, Stunden echter Vitalität und Zeiten reichen Fruchtbringens nähren sich aus winterlicher Dunkelheit und lichtloser Nacht.  Das Dunkel der Höhle als Basis und Schutz der Lebendigkeit. Erneuerung gar im Rückzug und der Sammlung aller Kräfte.     

 

Wir selbst sind Natur. Wir stehen ihr nicht  bloß als Andere gegenüber. Auch unserem Herzen rücken Dunkel und Nacht in diesen adventlichen Stunden näher. Wir erleben anders: tiefräumiger und weitreichender, inniger gar.  

 

Wir atmen durch und schalten womöglich einen Gang zurück. Wir erlauben es uns, die übermäßigen Beschäftigungen sein zu lassen. Wir lassen los. Unsere Dunkelheiten greifen Raum und malen darin auch das eigene Antlitz deutlicher.  Unser aktiver Modus darf zurücktreten und macht dem puren Dasein, der Leere des Wartens und dem Modus des Empfangens Platz. "Nur wer leer ist, kann empfangen," meint Meister Eckehart.   

Welch eine ideale Zeit zur Einkehr und  Sammlung.! Geh ins Verborgene, in die Krypta, ins Dunkel, lockt  Jesus! Dunkel als Basis neuen Lebens und Erhebens. . Und Johannes vom Kreuz rät: "Um alles zu schauen, geh dahin, wo du nichts siehst."  

 

Selten findet unsere Meditation solch gute Bedingungen und so leicht  tiefe Räume als wie jetzt.  Ich darf meine Dunkelstunden als Kostbarkeit achten, die undurchsichtige Nacht berühren als seltene doch gewichtete Gabe und Führerin.  

Im Dunkel sieht man besser, paradoxerweise auch die eigenen Schatten und kann beginnen, mit allem zu leben. So werden wir wirklich ganz.  Das Licht kommt nur in der Nacht; bei zuviel eigenen Lampen und Scheinwerfern sieht man es nicht mehr.   So halten wir  im Dunkel Wache, den Hirten gleich, in der Nacht!    

 

"Seid stets wachsam, niemals nachlässig, immer achtsam!" 

 

Totenruf des ZEN

 

 

 

 

 

 

 

21.10. 2017 Friedensgebet SB - Wohnstift Reppersberg


  

LASST UNS REIFEN WIE EIN BAUM

Nur alt werden oder reifen? - Auszug

 

 

Wenn du einen Baum pflanzest und ihn pflegst, so siehst du sein Wachsen nicht.  Dennoch wird er groß.

  

Chinesisches Sprichwort


  
  

Lasst uns reifen wie ein Baum. So beginnt ein Text von Rilke. Älter werden und Reifen, das liegt nah beisammen. Die anmutigen Frühlingsblüten wandeln sich zur Frucht. Ernte steht an.  Viele kosten vom reifen Obst. Es mundet. Und freigebig verschenken die Bäume ihren Reichtum. Reifung ist etwas ganz anderes als Veränderung. Veränderungen machen wir selber und fassen dazu Vorsätze. Reifung hingegen gleicht eher einer Wandlung, die uns zuwächst.
  

Lasst uns reifen wie ein Baum,

der seine Säfte nicht drängt

und getrost in den Stürmen des Frühlings steht,

ohne die Angst,

dass dahinter kein Sommer kommen könnte.

Er kommt doch.


  

Aber er kommt nur zu den Geduldigen,

die da sind,

als ob die Ewigkeit vor ihnen läge,

so sorglos, still und weit (…).


  

Man muss Geduld haben

gegen das Ungelöste im Herzen

und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben

wie verschlossene Stuben und wie Bücher,

die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind.


  

Es handelt sich darum, alles zu leben.

Wenn man auch die Fragen lebt

lebt man allmählich,

ohne es zu merken,

eines fremden Tages

in die Antwort hinein.


 nach  Rainer Maria Rilke

 

 

 

Reifung wie Wandlung geschehen von innen und von alleine, wenn man es ihnen nicht verwehrt.  Sie geschehen, indem man frei wird, frei vom „Alles selber machen“. Prozesse der Reifung laufen intensiver, wenn wir ihnen einen guten Boden bereiten. 
 

  • Es braucht dafür ein Stillwerden und Stillhalten: Stille

  

  • Es braucht dazu ein echtes Dasein wider alle Zerstreuung: Sammlung

  

  • Es braucht dazu ein nach innen gehen, eine Innenorientierung

  

  • Es braucht ein zum Daseinsgrund finden. Ein Ein-wohnen im Tiefengrund

  

  • Es braucht dazu ein Seinlassen, Gelassenheit

  

  • Es braucht dazu ein Entrümpeln: Leer werden


  

Dann geschieht Reifung. Sie nährt sich aus der Tiefe. Sie verläuft nach Vorlagen, die wir nicht selber fertigen. Wir geben diesen Reifungsprozessen nur Raum und öffnen uns dafür.

Reifungsprozesse sind meist unmerklich, aber sehr machtvoll. Obwohl nicht zu sehen, bewirken sie Wunderbares: Wie beim Baum:  Wenn du einen Baum pflanzest und ihn pflegst, so siehst du sein Wachsen nicht.  Dennoch wird er groß. Darauf dürfen wir vertrauen.


Lasst uns reifen wie ein Baum:  Der Baum muss. Er hat keine Wahl. Sein inneres Programm steht fest. Wir selber müssen nicht. Wir können uns dem Reifen entgegenstemmen. Altwerden geht von alleine, „Reifen“ geht nicht ohne uns. Es fordert mein „Zustimmen“ , mein „Ja!“, meine Bereitung: Wir haben darauf zu achten, nicht verloren zu gehen in Beiläufigem, sondern da zu sein. Wir haben darauf zu achten, bei uns zu wohnen und nicht in Gedanken: Gedankenverloren ist auch verloren.  Mit Meditation bilden wir  eine gute Basis für Reifungsprozesse aus. 
  

Zur Reifung gehört Verlust: Natürlich verlieren wir auch beim Älterwerden. Unsere Kraft nimmt ab. Für wenige Tage strahlt der Baum noch in herbstlich bunter Pracht. Wir kennen die einzigartige Schönheit des Alters. Gesichter, die das Leben selbst gezeichnet hat. Ein großer Reichtum: Faltenreich. Jede Falte erzählt vom Leben. - Dann streift der Baum sein Blätterkleid ab. Bald steht er nackt und dürr, dünn und karg da. Es wird Winter.


Reifen bringt es mit sich, solchem Verlust zu begegnen. Älter werden nimmt uns vieles weg. Wir verlieren! Das anzunehmen, fällt meist ganz schwer. Ein schmerzhafter Abschied von dem, was wir einmal darstellten. Wir trauern. Das spüren wir beim Stillhalten. Ein großer Verlust will ertragen sein. Tränen drängen. Gönnen wir uns das Wasser der Tränen, geschieht Erlösendes.


Verlust ist das Eine. Doch schwindende Energie und Lebenskraft ist manchmal Türöffner. Ein Friede wird möglich, den die Welt nicht kennt: Herzensfrieden. Solange wir stark sind, halten wir nicht selten Türen zu.  Solange wir im Saft stehen, bilden wir meist selber das größte Hindernis. Wir tun, was wir wollen.  Wir bestimmen selber. Sind wir alle, so öffnen sich Tore von alleine.  Und es zeigen sich Wege, die weiter führen. Gut möglich, dass letzte Vollendung nur so an uns geschehen kann, nicht nach unserer eigenen Mache. Wir dürfen uns daher das Lob der Schwäche erlauben.  Mag sein, dass unser ICH diese letzte Erschütterung braucht, um endlich vom Thron zu steigen. Mag sein, dass wir so erst in eine neue und andere Würde wachsen dürfen. Herzensfrieden und Seinsmacht haben gar nichts mit körperlicher Stärke und Potenz zu tun, nichts mit selber bestimmen und funktionieren.


  

Auch der Baum schafft es nicht allein.  Die wirklichen Wunder empfangen wir. Sie sind immer geschenkt. Sie fließen uns aus dem großen Erbarmen zu.  Wir können sie nicht basteln. Wir denken lange Zeit, wir hätten ganz viel in der Hand. Vielleicht eine Täuschung. Alles Wesentliche  bewerkstelligen wir nicht, noch können wir es kontrollieren.  Wir empfangen es.  Nimmt die Lebenskraft ab, findet die Gnade oft leichter den Weg zu uns und wir geben ihr den Raum, den sie braucht. Dann werden wir, was wir sind, Empfangende.   


Der Sommer kommt zu den Geduldigen, schreibt Rilke, die da sind, als ob die Ewigkeit vor ihnen läge.  Dasein, als ob die Ewigkeit vor uns läge, welch ein wunderschönes Bild. „... dem Wunder leise wie einem Vogel die Hand hinhalten“ . Dazu lädt die Dichterin Hilde Domin ein. Darin nicht müde werden, dem Wunder die Hand hinzuhalten, auch wenn wir älter und schwächer und müder werden.


Meditation, Schweigemeditation, auch Zazen und Kontemplation genannt, wie wir das heute üben, ist ein echtes Treibmittel für Reifung. Das ist, als ob man Hefe zum Mehl gibt, Wasser und Wärme dazu. Dann geht der Teig auf, die Basis für guten Kuchen. Die Stille, das Schweigen, die offene Hand, die wir dem Wunder hinhalten, das regt auch die Reifung unseres Lebens an.  So werden wir schmackhaft und nährendes Brot


  

Meditation, Schweigemeditation, Zazen und Kontemplation, wie wir das heute üben, führt uns zum Herzensfrieden.  Herzensfrieden ist etwas anderes als Zufriedenheit.  Es ist ein Frieden, den wir nicht machen können und nie für uns allein haben können. Wenn wir ihn berühren,  möchten wir ihn verschenken und nicht für uns behalten. Meditation wird so ein großer Dienst am Ganzen.

  

Wenn wir uns in der Stille sammeln und einen, dann ist  das im selben auch ein Impuls nach draußen: Wir tun etwas für die Sammlung und Einung der Menschheit. Unser Beitrag entscheidet darüber, wie es weiter geht.

Wenn wir uns in der Stille sammeln und einen, kann Ruhe und Herzensfrieden in uns wachsen: Das wirkt weit über uns hinaus. Das hilft unseren Beziehungen und einer Menschheit, die immer noch Krieg führt.  Die Erde braucht uns und unseren Beitrag, damit es gut weiter geht.

Wenn wir uns in der Stille sammeln und einen, kommen wir in Einklang mit uns selber.  Dieser Einklang in uns selber, ist ein unverzichtbarer Beitrag, dass Menschen zu sich kommen und aus wirren Gegeneinander auf dem Planeten, eine schöne gemeinsame Symphonie wachsen kann.

Gewiss nicht am nächsten Tag.   

Merken Sie es, haben Sie es gehört?   

Die Erde und die Menschheit brauchen und rufen uns,

gerade diejenigen, deren Hände und deren Herz im Alter frei werden.


  

Daher widmen wir unsere Meditation heute dem Frieden.

 

 


  

ZAZEN ALS ANTI-AGING

 

ODER: WARUM ZENMEISTER OFT SO ALT WERDEN?   

 

Am Freitag, den 2. Juni 2017 hat die Saarbrücker Zeitung eine ganze Seite (B7) über die erstaunliche Heilkraft der Meditation gestaltet. Dabei hat sie nicht zum ersten Mal Bilder gezeigt, die absolut keine Meditationshaltung abbilden, sondern zu Verspannungen und Beschwerden führen können.

 

Wir haben beim Lesen geschmunzelt, weil die Meditation - nun wissenschaftlich erwiesen - sehr entspannend wirkt, die Einfühlung erhöht,  Ängste minimiert und die Resistenz fördert. Unter anderem hilft sie, Entzündungsreaktionen im Organismus einzudämmen und die Anfälligkeit für Virusinfekte zu senken. Sie zeigt gute Wirkungen auf das Immunsystem.  

Und dann kam es! Und das wussten wir noch nicht!


Meditation stellt ein sicheres Mittel gegen die Alterung dar. In einer Studie lag die Bildung des Proteins Telomerase bei Übenden, die 3 Monate lang meditierten, um 30 % höher als in der Vergleichsgruppe. Telomerase ist ein "Wundermittel" gegen Alterungsprozesse. Der Körper selber stellt es her. Jetzt wissen wir, warum viele Zen-Meister so alt werden. Man kann also üben, um jung und möglichst gesund zu bleiben. Für manche eine absolut tolle Sache. Für uns allerdings nur eine kleine und bescheidene Nebenwirkung von Zazen, wenn auch eine mittlerweile wissenschaftlich bewiesene (...). 

 

 

 

Der Unterschied von Mensch und Tier

 

Ein Zen-Meister wurde gebeten, den Unterschied zwischen Mensch und Tier zu erklären, denn letztlich besäßen doch beide in gleicher Weise die Buddha Natur.  Der Zen-Meister lächelte: „Gut ich werde euch den Unterschied zwischen Ratten und Menschen erklären: 

Wenn wir eine Ratte wiederholt in ein Labyrinth mit vier Tunneln setzen und zuvor immer in den vierten Tunnel ein Stück Käse legen, lernt die Ratte schließlich, immer in den vierten Tunnel zu gehen um an den Käse zu gelangen.  

Ein Mensch lernt das auch. Du willst Käse, also gehst du in den vierten Tunnel, und dort ist er.  Jetzt verlegt aber der große Gott des Lebens nach einer Weile den Käse in einen anderen Tunnel. Die Ratte geht in den vierten Tunnel. Kein Käse im vierten Tunnel. Die Ratte kommt raus. Geht wieder in den vierten Tunnel, kein Käse. Kommt raus. Wieder in den vierten Tunnel. Kein Käse. Kommt raus. Und so weiter. Schließlich hört die Ratte irgendwann auf, in den vierten Tunnel zu gehen und sucht woanders.

Und hier zeigt sich jetzt der Unterschied zwischen Ratten und Menschen:

Menschen gehen immer in den vierten Tunnel! Ewig! Menschen sind vom vierten Tunnel überzeugt. Ratten sind von nichts überzeugt; sie interessieren sich für den Käse. Der Mensch aber entwickelt eine Überzeugung: den Glauben an den vierten Tunnel. Der Mensch fängt sehr schnell an, es für richtig zu halten, in den vierten Tunnel zu gehen, - ob Käse drin ist oder nicht. Der Mensch hat lieber recht als seinen Käse!  

Ihr seid hier und praktiziert Zen, um alle eure Käse verneinenden Überzeugungen zu verlieren.

Also merkt euch, ihr kriegt den Käse nie, wenn ihr ihn dort zu kriegen versucht, wo er gerade eben noch war. Denn der große Gott des Lebens verlegt den Käse ständig. Ihr aber habt zu viele Überzeugungen über zu viele vierte Tunnels. Ihr werdet nie glücklich werden, wenn ihr versucht, glücklich zu werden; denn eure Versuche werden gänzlich von euren Überzeugungen gesteuert, wo der richtige Platz ist, an dem der Käse zu sein hat.  

Sobald ihr eine Vorstellung davon habt, was z.B. Erleuchtung ist und wo ihr es bekommen könnt, habt ihr die Chance, Erleuchtung zu erlangen, verspielt. Weil jedeVorstellung oder Überzeugung das wirkliche Erleben zerstört.

Also wenn es einem von euch einmal gelingen sollte, Gott zu begegnen, versucht nicht, ihn dort noch einmal zu treffen. Gott kommt rum. Wenn du versuchst, ihn festzulegen wirst du ihn niemals wiedersehen.«

 

Zen 
  

 

 

 

 

 

Teilnehmerinnentext  Abendgruppe 15.02.2017

 

 

Die letzte Predigt des Gautama Buddha




Nichts ist in den sichtbaren  und unsichtbaren Welten außer einer einzigen Macht, die ohne Anfang und Ende ist und nur ihrem eigenen Gesetz folgt.   Versucht nicht, ihre Unermesslichkeit in Worte zu fassen. Wer fragt irrt schon, wer antwortet, irrt ebenfalls.

Erhofft euch keine Hilfe von den Göttern. Sie sind wie ihr dem Gesetz des Karma unterworfen, werden geboren, altern und müssen sterben, um wiedergeboren zu werden. Sie können ihr eigenes Schicksal nicht wandeln . Erwartet alles nur von euch selbst. Vergesst nicht: jeder kann jene höhere Macht erlangen.


Das Leben ist ein langer Todeskampf. Es ist nichts als Leid. Das Kind hat recht, wenn es weint, sobald es auf die Welt gekommen ist. Das ist die erste Wahrheit.

 

Die zweite Wahrheit ist, dass das Leid aus dem Durst der Begehrlichkeit entsteht. Der Mensch hängt sich an Schatten, er stützt sich auf ein falsches Ich und richtet sich in einer bloß eingebildeten Welt ein. Wenn er stirbt, ist er gesättigt von einem vergifteten Trank und wird wiedergeboren, um von neuem von diesen Trank zu trinken.

 

Die dritte Wahrheit ist, dass es ein Ende des Leides gibt. Du wirst dieses Ende aber nicht finden wenn du nicht alle Vorstellungen und Leidenschaften aus deinem Herzen verjagst.

 

Nun höre die vierte Wahrheit vom achtfachen Pfad zum Heil. Achte zuerst auf das Karma, von dem deine künftige Existenz abhängt.

 

Sorge sodann dafür, dass du positive Gefühle hegst und deinen Zorn überwindest. Schließlich bewache reine Lippen als wären sie das Tor zu einem Königspalast, damit nichts Unreines über sie komme. Danach richte deine Handlungen so ein, dass das Übel bekämpft und das Gute gefördert wird. Hast du in Befolgung dieser vier Wege den Egoismus beseitigt, den falschen Glauben, den Hass und die Verblendung, dann wirst du in der nächsten Existenz fähig sein, die vier nächsten Stufen des achtfachen Pfades zu beschreiten: rechtes Leben, rechtes Denken, rechtes Streben, rechte Versenkung. So wirst du ganz von selbst mit der Überwindung des Durstes nach dem Leben den Himmel gewinnen und mit der Überwindung des Hochmuts, dich auf dem Weg zum Heil zu wissen dem Nirvana näher kommen ."

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Jahresgruppe, 2. Quartal, 12.04.

 

 

 

Das Herz der Materie - Das universale Feuer

 

Rezitationstexte zum Vortrag des Abends über Teilhard de Chardin

 

 

Das Herz des universalisierten Christus (kosmischer Christus)

fällt zusammen mit dem Herzen der amorisierten Materie (amor=Liebe).       

Teilhard de Chardin, Das Herz der Materie, S. 72  

 

  

Im Zentrum Jesu stand nicht mehr der Purpurfleck, sondern ein brennendes Feuer, das in seinem Glanz alle Konturen verschwimmen ließ, zuerst die des Gottmenschen, dann die aller Dinge um ihn.  (…) Das Göttliche hatte für mich unter dem Symbol des Sacré Coeur für mich die Form, die Konsistenz und die Eigenschaften einer Energie, eines Feuers angenommen, d.h.  fähig geworden alles zu durchdringen, sich in was auch immer zu verwandeln (….). 

Teilhard de Chardin, Das Herz der Materie, S. 66

 

 


Wie verwandelt und unbezwingbar und wie ausgerüstet für alle Eroberungen würde die Welt sein, wenn die Menschen einander liebten in etwas, das größer ist, als sie selbst.     

Teilhard de Chardin, Geheimnis und Verheißung der Erde, S. 78   

 

 

Ich brauche …  nur zu wollen. Und alsbald erfüllt das Göttliche auf dem Weg meiner lauteren Absicht das Universum in dem Maße, als dieses in mir zentriert ist. Weil ich dank meiner Einwilligung eine lebendige Parzelle am Leib Christi geworden bin, dient alles, was über mich einströmt, schließlich dazu, Christus zu entfalten. Christus überflutet mich, mich und meinen Kosmos.              

Günter Schiwy,  Ebenda S. 35   


  

Plötzlich freigesetzt breitet sich ein Strom von Liebe in der ganzen Oberfläche und Tiefe der Welt aus. Und das nicht nur nach Art irgendeiner zusätzlichen Wärme oder eine zusätzlichen Parfüms – sondern einer Grundessenz, dazu bestimmt, alles zu verwandeln, alles zu assimilieren, alles zu ersetzen …   Teilhard de Chardin, Das Herz der Materie, S. 75

 


Bis zum Extrem in Richtung eines kosmischen Pols der Einigung getrieben, wird jede Leidenschaft (…) eine einmalige Neigung zeigen, sich in Liebe umzuformen. (…) Nachdem sie in ihren Anfängen nichts anderes als der Charme und die Anziehung, dann die wirkende Essenz aller geistigen Tätigkeit zu sein scheint, tendiert die Liebe in unserer Erfahrung dahin, stufenweise von all dem die Hauptsache zu werden und zuletzt die einzige und höchste Form. Sola caritas … Allein die Liebe.     Teilhard de Chardin, Das Herz der Materie, S. 76
  


  

 


Meine ganze Spiritualität besteht darin, mich immer mehr gleichsam Gottes Gegenwart und seinem Wirken aktiv zu überlassen. Mit dem Werden eins zu sein, das ist (…) die Formel meines Lebens geworden.     Teilhard de Chardin, Pilger der Zukunft S.62

 

 


Je mehr man darauf verzichtet, sich allzusehr mit sich selbst zu beschäftigen, je mehr man die anderen vor sich stellt, je sanfter und gutmütiger man ist – desto glücklicher ist man und desto mehr Wirkung hat man auf die anderen. Man müßte immer lächeln können.   Teilhard de Chardin, Entwurf und Entfaltung, S. 86

 

 


Du bist nicht in der Einsamkeit, um dich stark und strahlend zu fühlen: sondern vielmehr um dich zu vergessen und dich loszulassen und umgeschmolzen zu werden in DEN, der durch alle Wesen hindurch auf uns ausstrahlt  (…)

Teilhard de Chardin, Entwurf und Entfaltung, S. 240

 

 


Ich denke, dass wie im Evangelium, die bewegten Wasser tragen, soweit wir es wagen,, auf ihnen zu wandeln, wenn es nur in Richtung auf Gott hin und in der Liebe zu ihm geschieht. Teilhard, Briefe , S. 82

 

 


 

Diese Lebenslust, diese leidenschaftliche Liebe, diese Lust und Freude zu handeln liegen absolut nicht in unserer Hand: es ist eine Quelle, die ohne unser Zutun in uns sprudelt, die wir wohl nutzen und kanalisieren. Wir können sie aber nicht unterhalten und speisen.             

Teilhard de Chardin, Entwicklung und Entfaltung, S. 217

 

 


 

DU bist es, der mit einem unmerklichen Stachel eines sinnenhaften Zaubers in mein Herz gedrungen ist, um mein Leben in DIR verströmen zu lassen. Du bist herabgestiegen in mich (…) und hast Dich plötzlich vor meinen Augen in die Universale Existenz entfaltet. Lass mich Dich unter dieser so nahen und konkreten ersten Gestalt lange kosten, in allem, was belebt, was eindringt, allem, was umhüllt, (…) in dem Duft, in dem Licht und der Liebe und dem Raum …  Günter Schwiy, Kosmische Gebete, S. 15

 

 


 

Wie es nur eine einzige Materie gibt, die geschaffen wurde, das zunehmende Wachstum des Bewußtseins im Kosmos zu tragen, so gibt es auch nur ein Grundgefühl, das Fundament jeglicher Mystik, nämlich: die der menschlichen Person eingeborene Liebe, die sich auf das ganze Universum erstreckt.              Günter Schwiy, Kosmische Gebete, S. 15


  


  


  

 

 

 

 

 

Woche vom 25.3. bis zum 30.3.2017 - Abendexerzitien in der Fastenzeit

 

 

Wegweisungen des Johannes vom Kreuz

 

 

Worte aus vier Sammlungen der Merksätze des Johannes vom Kreuz,  "Worte von Licht und Liebe" benannt

 

 

 

 

 

Worte von Licht und Liebe   

 

 

 

 

Auch wenn der Weg eben und leicht ist für Menschen guten Willens:  Wer sich auf den Weg macht, wird nur wenig Weg zurücklegen  und noch dazu unter Mühsal,  wenn er auf diesem Weg nicht gute Füße hat, Mut und einen großen Dickkopf.


 


Die Fliege, die am Honig klebt, behindert ihren Flug; und ein Mensch der sich am geistlichen Verkosten festhalten will, behindert sein Freiwerden und seine Kontemplation.  

Lasse innerlich die Dinge los und hänge deinen Geschmack nicht an Vergängliches.

Dann wird deine Seele Schätze ansammeln, die ihr unbekannt sind.  


Ein Mensch, der in der Liebe wandelt, macht nicht müd und wird nicht müde.  


Die Liebe besteht nicht im gefühlvollen Erleben besonderer Dinge, sondern in großer innerer Entleerung und im Empfänglichwerden für den Geliebten.

 

 

 

Nimm dich in deinen Sehnsüchten zurück, und du wirst finden, was dein Herz ersehnt.



Mehr gefällt Gott der Mensch, der sich in Trockenheit und Mühsal dem unterwirft,  was vernünftig ist, als einer, der, während er dieses versäumt,  bei all seinem Tun von Trost erfüllt ist.


  

Wer den rechten Augenblick verpasst,  ist wie einer, der einen Vogel aus der Hand freigelassen hat; er wird ihn nicht wieder zurückbekommen.



Wenn du zur heiligen Sammlung gelangen willst,  sollst du nicht alles aufnehmen wollen,  sondern dich zurücknehmen.


  

  

Am Abend wirst du in der Liebe geprüft.

Lerne zu lieben,  wie Gott geliebt sein möchte und lasse deine Eigenheit.


  

  

Soviel du auch herumwirkst, du kommst in der Vollkommenheit nicht voran, wenn du nicht lernst, deinen Willen zurückzunehmen und dich zu beugen, indem du das Kreisen um dich und das Deine aufgibst.


  

Was uns am meisten Not tut, um Fortschritte zu machen, ist diesem Gott gegenüber das Bestreben  und die Zunge zum Schweigen zu bringen, denn die Sprache, auf die er am ehesten hört, ist einzig  die schweigende Liebe.



  

Mehr erntet man von den Gütern Gottes in einer Stunde  als von unseren im ganzen Leben.



Sucht beim Lesen und ihr werdet finden beim Meditieren. Klopft an beim Beten und man wird euch öffnen in der Kontemplation.



Der Himmel steht fest und ist dem Gezeugtwerden nicht unterworfen.  Die Menschen, die von himmlischer Natur sind, stehen fest und sind nicht dem Zwang unterworfen, Bestrebungen oder sonst etwas zu erzeugen.   

 

 

 

 

Der Frosch im Brunnen


 

Ein Frosch lebte seit langer Zeit in einem alten Brunnen, der sich am Rande des Meeres befand.

Er wurde in ihm geboren und aufgezogen.

Eines Tages fiel ein Fisch, der aus dem Meer gesprungen war, in den Brunnen. Als der Frosch sich von seinem ersten Schreck erholt hatte,fragte er vorsichtig den Neuan-kömmling: »Was bist denn du für ein sonderbares Wesen und wo kommst du denn her?«

Der Fisch antwortete: »Ich bin ein Fisch und komme aus dem Meer.« -

»Vom Meer?« fragte der Brunnenfrosch ganz erstaunt. »Wie groß ist denn das Meer?« -

»Sehr groß«, gab der Fisch zur Antwort.

Der Frosch streckte seine Füße aus und fragte: »Ist das Meer so groß?«-

»Es ist ­viel größer!« sagte der Fisch.

Da hüpfte der Frosch mit einem gewaltigen Sprung von der einen Seite des Brunnens zur anderen hin:

»Ist es etwa so groß?«

»Mein Freund«, sprach da der Fisch, »das Meer ist so groß, dass du es nicht mit deinem Brunnen vergleichen kannst.« -

»Jetzt hast du dich verraten, du Lügner!« rief da der Frosch,»denn etwas Größeres als meinen Brunnen kann es gar nicht geben!«

 

 

 

 

 

 

11.03.2017

 

Dasein für Frieden – Friedensgebet

 

Auszug aus dem Vortragsimpuls
 

Friedensengagement

 

Frieden hat bei uns im Schalom-ZENtrum für Kontemplation großes Gewicht. Nach der Begegnung mit dem Holocaust und mit dem Vermächtnis von Edith Stein ist mir der Friede ganz wichtig geworden. Edith Stein hat ihrem Sterben in Auschwitz-Birkenau einen Sinn gegeben. Es soll u.a. dafür gut sein, dass Friede werde. Man konnte Edith das Leben nehmen, aber nicht ihre Selbst- und Sinnbestimmung für das Sterben.


  

Friede war ein großes Anliegen meiner Lehrerin Pia Gyger.   Dass Jerusalem zu einer Stadt wird, in der Menschen Frieden lernen, das war ihre Vision. Das klingt mit Blick auf die Gewalt im Nahen Osten wie etwas unvorstellbares: Unrealistisch! Aber wichtig: Es braucht Visionen, die Israelis und Palästinenser einen und nicht trennen, Initiativen, durch die niemand verliert sondern "win" Situationen für Verfeindete entstehen.   


  

Friede ist uns ein Vermächtnis Pater Lassalles, ein Kernanliegen auch der Via Integralis, die seine Schüler Brantschen und Gyger gründeten. Wir tragen sein Anliegen, die Übung des Zazen zu fördern weiter. Zazen ist eine Übung, welche unser alltägliches unterscheidendes und trennendes Bewusstsein durch die Erfahrung des Einsseins in Verschiedenheit komplementiert. Solche Übungen braucht die Menschheitsfamilie für den globalen Einungsprozess und den Frieden.


Frieden war auch ein Anliegen unserer Schülerin Petra Zak. Daher begleiten uns Ihre Friedenstauben, die mittlerweile in vielen Kontinenten und an vielen Orten in der Welt an den Frieden erinnern.   

 

 

Friedensbemühen genährt von der Einheitserfahrung
 

Frieden scheint weit weg zu sein. Der Krieg in Syrien kommt seit Jahren nicht an ein Ende. Die Idee im Gegeneinander und jeder für sich die Probleme der Welt und Europas zu lösen wird wieder gehandelt. Ego-Nummern. Nationale Lösungen.  "Germany first". Das ist, als ob man im Rückwärtsgang vorankommen will. Wo sind Friedensbewegte? Wo bleibt angesichts einer Kultur von Waffenpflege und Gewalt das Üben für den Frieden: Friedensbewegungen?   


  

Wir merken, wie sehr wir im globalen Maßstab miteinander verbunden sind. Alles steht mit allem in Resonanz. Alles, was wir tun, ist nicht banal oder egal, sondern wirkt sich auf das Ganze aus. Nicht nur die großen Sachen, auch die kleinen.  Wenn wir da sind für den Frieden, entsteht ein Feld, das hoch wirksam ist. Nicht allein für uns, für unsere Partner und unser nächstes Umfeld, sondern all-ein, d.h. es wirkt auf das Ganze. Es ist hochpolitisch. Gebet ist eine große Kraft.


  

In der Stille des eigenen Herzens Frieden finden, das ist gewiss ein archimedischer Punkt, den es braucht, damit Friede wird. Es ist ein Dienst für die ganze Erde. Weil davon eine mächtige Bewegung ausgeht. Das ist ein unglaublich starkes Tun, anderes als ein Nebenjob oder weit mehr als eine Freizeitaktivität.  

 

Von unserem eigenen Herzensfrieden aus, nimmt die Evolution ihren Lauf. Von hier aus steuern wir das Ganze. Und wer meditiert weiß darum: Er kennt die Herzensöffnung, die dabei geschieht. Auf einmal passt die ganze Welt hinein. Wir waschen meditierend nicht nur uns selber rein. Wir reinigen und klären die Erde. Wir meditieren nicht für den eigenen Frieden, wir kreieren ihn allüberall.  Gewiss nicht so, dass morgen alle Waffen schweigen. Doch indem wir selber Wege der Gewalt im Hochofen der Meditation in Wege der Liebe umschmelzen, bleibt das nicht folgenlos. Es schafft den Boden für eine grundlegende Konversion: Irgendwann wird der Krieg nur mehr ein Museumsrelikt sein. Wir staunen ihn dort an und glauben kaum, dass das einmal Standard auf Erden war. Krieg wird geächtet, denn Krieg schafft immer Probleme, auch wenn er vorgibt welche zu lösen.

 


Nikolaus von Flüe ist ein Beispiel für Friedensmacht aus der Stille. Mit seinem Hinweis „Frieden ist alleweil in Gott“ erfährt der Einsiedler mitten in der Einsamkeit der Ranft Schlucht eine Realität von Frieden, die ihn zum Friedensstifter ermächtigt. Frieden ist da. Auch Jesus Christus als Auferstandener wählt dieses zentrale Wort bei jedem Gruß. Das neue Leben der Auferstehung ist Realität, ist Gegenwart.  Friede bekommt nicht erst  im Finish Bedeutung. Das Wiederkommen Christi wird Parusie genannt. Parusie meint „Gegenwart“,  nicht bloß Wiederkehr. Friede ist Gegenwart. "Meinen Frieden gebe ich euch ..." Frieden, eine Gegebenheit.  Wir hindern uns nur selber daran, in ihm und aus ihm zu leben. Wir wohnen nicht in Gott sondern sonstwo. Unsere Buddhanatur leuchtet, aber wir sehen ihren Glanz nicht. Das Licht ist da, doch wir gleichen Blinden.

 

Heute üben wir, einfach ganz da zu sein. Mehr nicht. Es ist eine riesige Herausforderung, nichts zwischen uns und diese freudvolle, friedvolle und lichtvolle Wirklichkeit zu stellen. Und wenn da doch etwas steht oder etwas auftaucht gegen unseren Willen, dann machen wir uns nicht daran fest.  Es nicht ins Zentrum zu rücken, das ist die Übung. So treten wir langsam ein in das, was wir sind, in die Wirklichkeit jenseits unserer lauten Gedanken und Konstruktionen, in ein Dasein in Gott. Wer mit Hingabe übt, darf sich immer der Gnade sicher sein, auch wenn er nichts davon  sinnlich spürt. Sie ist wirksam. Gott kommt immer entgegen, selbst wenn wir es nicht merken. Er will nicht unseren Tod sondern unser Leben. Er erlöst aus der Enge selbstgemachten Getrenntseins.  Indem wir üben, lernen wir, (darauf) zu vertrauen, selbst wenn wir das Wort Gott längst nicht  mehr in den Mund nehmen.


Wir sind dann nicht bloß wohlfühlig oder zufrieden: Wir werden, was wir sind: Frieden.  Das bedeutet Abschied von manch Liebgewordenem, aber Frieden verstörendem. Wir sind Frieden. Frieden sein, ist immer ein Segen: für uns und die ganze Erde.  Daran erkennt man ihn. Es gibt ihn nicht in nationaler Fassung. Es gibt ihn nicht für Privatiers. Er lässt sich nur offenen Herzens gewinnen. Als persönlicher Gewinn verkommt er schnell. Frieden ist immer so groß, wie unser Herz offen und weit  ist und bleibt!  Und ist es groß und weit, passen Erde und Kosmos hinein. Frieden geschieht den Durchlässigen, die weichgekocht sind im Brutkasten des Zazen.   


  

 

 

  

Ich bin kein Stern

von dir geworfen ins All,

dich zu umkreisen,

bis er verlöscht.

Brennen muss ich,

wie er,

an deinem Feuer aufbrennen zu dir,  

es geht nicht anders.

Dass ich dich liebe,

mein Gott, das weiß ich.   

 

Silja Walter

    

 

 

 

 

Jahresgruppe  22.02.2017 - Auszug

 

 

MITGEFÜHL FÜR LEBEWESEN - WIE WIR UNS ERNÄHREN

 

oder: Die Kuh, die weinte

 

Warum Tischrituale wichtig sind, unsere gängigen Tischgebete sich aber nur an Gott wenden, die Hingabe von Pflanzen und Tieren aber nicht ins Wort fassen, war eine der Fragen, die von der Geschichte "Die Kuh, die weinte", angestossen wurden.  Wir entdecken nicht bloß  in christlichen Kontexten, dass Lebewesen zu Nahrungsmitteln verkommen und keine echte Würdigung ihrer Freigiebigkeit und ihres Opfers geschieht.

 

Die Geschichte ist eine Wanderlegende. Es gibt sie in vielen Fassungen. 

  

Ein Häftling arbeitet auf dem Schlachthof einer Gefängnisfarm. Es gab starke Gitter aus Edelstahl, (…) die innerhalb des Gebäudes immer näher zusammenliefen, bis sie so schmal waren, das nur mehr ein einzelnes Tier hindurchpasste. Dort stand er als Schlachter mit seinem Bolzenschussgerät auf einem Podest. Kühe, Schweine oder Schafe wurden mit Hunden und Stöcken in Richtung der Engstelle getrieben. Alle Tiere sträubten sich und schrien, jedes auf seine Weise, und jedes versuchte zu flüchten. Die Tiere rochen den Tod, hörten den Tod spürten den Tod. Das Tier an der trichterförmigen Engstelle krümmte und wehrte sich ganz extrem. Es  stieß laute, klagende Schreie aus.  Kein Tier stand still. Also betäubte der erste Schuss und erst der zweite tötete. Ein Tier nach dem anderen. Jeden Tag aufs Neue. (...)


Eines Tages wurden Kühe geschlachtet. Ein Schuss zur Betäubung, ein Schuss zur Tötung. Nach vielen erfolgreichen Schüssen näherte sich dem Häftling eine Kuh auf eine ungewöhnliche Weise. Die Kuh war still. Sie schritt ruhig. Mit gesenktem Kopf näherte sie sich langsam.  Am Ziel blieb sie ganz ruhig stehen. Sie wehrte und wand sich nicht, schrie nicht und versuchte nicht zu entkommen. Langsam hob sie den Kopf und starrte ihren Henker bewegungslos an. Der  konnte weder sein Gewehr auf die Kuh richten noch ihrem Blick ausweichen. Die Kuh schien direkt in sein Innerstes zu schauen. Zeit und Raum waren verschwunden. Niemand weiß,  wie lange die Kuh diesen Blickkontakt aufrechterhielt, aber dann entdeckte er etwas, das ihn weitaus mehr erschütterte. Im linken Auge der Kuh, oberhalb des unteren Augenlids, begann sich Wasser zu sammeln. Es wurde immer mehr. Irgendwann lief das Auge über, und das Wasser tröpfelte heraus, rollte langsam über die Wange und bildete eine glitzernde Tränenkette. Längst verschlossene Türen begannen sich in seinem Herzen zu öffnen. Ungläubig beobachtete er, dass jetzt auch das rechte Auge der Kuh nass wurde und sich dort so viel Wasser ansammelte, dass bald darauf ein zweiter Tränenstrom floss. Die Kuh weinte. Das war zuviel. Der Mann warf sein Bolzenschussgerät zu Boden.  Den Wachen schrie er zu: " Ihr könnt mit mir tun, was ihr wollt, ABER DIESE KUH WIRD NICHT STERBEN! Von der Stunde an war er Vegetarier. Die Kuh, die weinte, hatte einen Gewalttäter bekehrt.
  


  

Ajahn Brahm , Die Kuh, die weinte, Buddhistische Geschichten über den Weg zum Glück

  

 

 

... Wir halten inne für alle Pflanzen und Tiere, die uns mit ihren Gaben, ihrem Leben und Sterben nähren und am Leben halten. Ihre Hingabe wollen wir ehren.  ...

aus dem Tischritual des ZENtrums.

    

 

 

 

Die Lebewesen sind zahlreich. Ich gelobe sie alle zu retten.

aus dem Boddhisattva Gelöbnis

    


  



 

 

Jahresgruppe 25.01.2017

 

 

 

DAS HERZ DER LEHRE BUDDHA
 


Mit 29 Jahren kurz nach der Geburt seines Sohnes Rahuka verließ Siddharta das komfortable Leben des Palastes, das ihm ein vordergründig sorgenfreies Dasein sicherte. Hintergründig aber fühlte er sich im vornehmen Adelsstand unzufrieden mit solchem Frieden und unausgefüllt trotz der Fülle an Gütern und Bequemlichkeiten.

Viele Geschichten von Bekehrung berichten von solchen radikalen Unterbrechungen bürgerlicher Existenz.  Auf seinen Ausflügen begegnete Siddharta dem wirklichen Leben. Und diese Lebensrealität war untrennbar durchsetzt von Leiden.  Er begegnet einem verkrüppelten Greis, einem Fieberkranken, einem verwesenden Leichnam und schließlich einem Asketen. Später sprach man von den vier Zeichen, welche die Grundlage für die vier edlen Wahrheiten abgaben, die der spätere Buddha als Lebensbasis beschrieb. Die vier Zeichen das waren:

das Alter, die Krankheit, der Schmerz und der Tod.

 

  

Die vier Zeichen

   

1. das Alter

2. die Krankheit

3. der Schmerz und

4.  der Tod

                 

„Nur eines lehre ich,

jetzt wie früher:

Das Leiden und das Ende des Leidens.“

  

Siddhartha Gautama, im Anuradha Sutta (SN 44,2

  


Siddharta verläßt den elterlichen Palast und siene junge Familie und wird Asket und Schüler von zwei angesehen brahmanischen Eremiten: Alara Kalama und Udaka Ramaputta. Dort erlernt er die yogische Praxis und Meditation. Sechs Jahre lang unterzieht er sich extrem schmerzhaften Übungen und hungert sich beinahe zu Tode, bis er erkennt, dass so keine Befreiung möglich ist. Er gibt die strengen Übungen und den entbehrungsreichen, rigiden, asketischen Lebenswandel auf, wird Wandermönch und widmet sich intensiv der Pflege der Meditation. Er intensiviert sein Üben.  Mit 35 Jahren in einer Vollmondmacht unter einer Pappelfeige – heute Bodhi Baum genannt – erfuhr Siddharta tiefe Erleuchtung. Seitdem ist er „Buddha“ und die drei Lebensgifte Hass, Begierde und Unwissenheit fallen von ihm ab.  DochErleuchtung ist bloss der Anfang, wie Pater Lassalle einmal schrieb. Nun stößt Buddha das Rad der Lehre an. Er beginnt den mittleren Weg, die vier edlen Wahrheiten und den achtfachen Pfad zu lehren und eine sangha – eine Übungsgemeinschaft - aufzubauen.  Unabhängig von gesellschaftlichem Status, Kaste, Geschlecht und Religion steht dieser Weg jedem offen, der ihm folgen mag. 

 

„Nur eines lehre ich, jetzt wie früher: Das Leiden und das Ende des Leidens.“

 

Siddhartha Gautama, im Anuradha Sutta (SN 44,2)  

 


 

Die vier edlen Wahrheiten


1

DUHKHA

Leben ist Leiden

 

  "Geburt ist dukkha, Altern ist dukkha, Krankheit ist dukkha, Tod ist dukkha; Sorgen, Trauer, Schmerz, Unwohlsein sind dukkha. Mit jemandem zusammen zu sein, den man nicht liebt, ist dukkha. Getrennt zu sein von dem, das man liebt, ist dukkha. Nicht zu bekommen, was man sich wünscht, ist dukkha."

 


2

SAMUDAYA

Ursachen und Ursprung des Leidens

 

Nur was wir wirklich berühren, können wir begreifen. In fühlendem Kontakt mit dem Leiden beginnen wir seine Quellen zu wahrzunehmen. Wir erkennen, woraus unser Leiden sich aufbaut und wie es sich entwickelt. Welches sind die Nährlösungen, die es braucht, um zu gedeihen, was sind unsere Zugaben, durch die wir es leben und wachsen machen.   


3

NIRODHA

Der Weg aus dem Leiden - Die Aufhebung des Leidens  

 

Die dritte Wahrheit erzählt von der Aufhebung des Leidens. Leiden verliert seine bestimmende Kraft und löst sich langsam auf, indem wir es anzunehmen und zu umarmen lernen.  Dazu gehört, den Kampf und den Krieg gegen das Leiden einzustellen. Das ist ein Reifungsweg und keine Technik.  Aufhebung des Leidens meint aber noch etwas darüber hinaus:  Auf dem Übungsweg hören wir langsam damit auf, all das zu tun, was weeiteres Leiden schafft.  


4

MAGA  / MARGA

Der Pfad der acht Übungen

 

 

Der achtfache Pfad zeigt uns eine konkrete Praxis, die uns hilft, kein Leiden mehr schaffen.

Da es sich um eine praktische Übung handelt heißt er im Chinesischen „Pfad der acht Übungen“.  

 

 

Der Pfad der acht Übungen


rechte Anstrengung

rechter Lebenserwerb

rechtes Handeln

rechte Rede

rechtes Denken

rechte Anschauung

rechte Sammlung

echte Achtsamkeit


 

Die Weitergabe von Herz zu Herz

Vom Hören und von der Weitergabe des Schatzes


Die Weitergabe des gefundenen Schatzes geschieht von Herz zu Herz, nicht von Kopf zu Kopf oder von Bauch zu Bauch.  Worte und Geschichten hören wir daher besser mit dem Leib und nicht mit dem stets wertenden, daher zustimmenden oder abweisenden Verstand. Sesshin heißt daher die zentrale Übungsgestalt. Das kann man übersetzen „Berühren des Herzens“ oder mit „Herzgeist“. 

Der Gründungsmythos von der Weitergabe des Lichtes, wie das Mitteilen des Dharma gelegentlich genannt wird, erzählt von dieser Vermittlung von Herz zu Herz, wie sie auch im Dokussan geschiehen kann. Das Mahaparinibhana Sutta berichtet davon.

 

 

 

Es erzählt vom 80-jährigen Buddha,  der zu seiner letzten Reise aufgebrochen ist, kurz vor seinem Tod. Seine Anhänger lauschen seinem letzten Teisho. Legendarisch mutet die Geschhichte an, die von einer Herz zu Herz Vermittlung berichtet.  Kurz vor seinem Ableben hält Buddha auf dem Geierberg eine Rede. Statt seinen Anhängern jedoch ein Wort zu widmen, schweigt Buddha. In der Hand hält er eine Lotosblüte und die dreht er schweigend vor den Augen aller, die auf seinen Vortrag warten.  Wie häufig entsteht Unruhe in solchen Situationen. Die Mönche werden ratlos und mancher tritt erwartungsvoll von einem Bein auf das andere.  Wann geht es endlich los? Ein Mönch jedoch mit Namen Mahakashyapa bleibt völlig ruhig. Er schaut aus der großen Menge der Anhänger still die Blume an und lächelt dabei. Die Qualität seiner inneren Wesensschau wird so anschaulich. Niemand merkt es, bis auf Buddha. Zur Überraschung aller erklärt Buddha daraufhin, sein Geist und seine Weisheit seien nun auf  Mahakashyapa übergegangen. Buddha reicht ihm die Lotosblüte.  Der erste der Patriarchen, die in einer Linie von Buddha ausgehend, das Dharma weitertragen, ist bestimmt. Der Gründungsmythos des Zen-Buddhismus ist eine Übertragung von Herz zu Herz.

 

 

 

 

 


 

Die letzte Rede des Gautama Buddha  

 
 

Nichts ist in den sichtbaren  und unsichtbaren Welten außer einer einzigen Macht, die ohne Anfang und Ende ist und nur ihrem eigenen Gesetz folgt.   Versucht nicht, ihre Unermesslichkeit in Worte zu fassen. Wer fragt irrt schon, wer antwortet irrrt ebenfalls.

 

Erhofft euch keine Hilfe von den Göttern. Sie sind wie ihr dem Gesetz des Karma unterworfen, werden geboren, altern und müssen sterben, um wiedergeboren zu werden. Sie können ihr eigenes Schicksal nicht wandeln . Erwartet alles nur von euch selbst. Vergesst nicht: jeder kann jene höhere Macht erlangen.


Das Leben ist ein langer Todeskampf. Es ist nichts als Leid. Das Kind hat recht, wenn es weint, sobald es auf die Welt gekommen ist. Das ist die erste Wahrheit.

 

 

Die zweite Wahrheit ist, dass das Leid aus dem Durst der Begehrlichkeit entsteht. Der Mensch hängt sich an Schatten, er stützt sich auf ein falsches Ich und richtet sich in einer bloß eingebildeten Welt ein. Wenn er stirbt, ist er gesättigt von einem vergifteten Trank und wird wiedergeboren, um von neuem von diesen Trank zu trinken.

 

 

Die dritte Wahrheit ist, dass es ein Ende des Leides gibt. Du wirst dieses Ende aber nicht finden wenn du nicht alle Vorstellungen und Leidenschaften aus deinem Herzen verjagst.

 

 

Nun höre die vierte Wahrheit vom achtfachen Pfad zum Heil. Achte zuerst auf das Karma, von dem deine künftige Existenz abhängt.

 

Sorge sodann dafür, dass du positive Gefühle hegst und deinen Zorn überwindest. Schließlich bewache reine Lippen als wären sie das Tor zu einem Königspalast, damit nichts Unreines über sie komme. Danach richte deine Handlungen so ein, dass das Übel bekämpft und das Gute gefördert wird.

 

Hast du in Befolgung dieser vier Wege den Egoismus beseitigt, den falschen Glauben, den Hass und die Verblendung, dann wirst du in der nächsten Existenz fähig sein, die vier nächsten Stufen des achtfachen Pfades zu beschreiten: rechtes Leben, rechtes Denken, rechtes Streben, rechte Versenkung. So wirst du ganz von selbst mit der Überwindung des Durstes nach dem Leben den Himmel gewinnen und mit der Überwindung des Hochmuts, dich auf dem Weg zum Heil zu wissen,  dem Nirvana näher kommen .

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Jahresgruppe 04.01. 2017

 

WORUM GEHT ES BEIM ZAZEN?                    Auszüge

 

(...) Es gibt ein Üben, das zu einem Können führt. Solches Können bildet sich in einer sichtbaren Leistung ab und kann beurteilt und benotet werden.   Üben im Zen zielt hingegen bezieht sich zentral auf einen inneren Reifungsprozess. Üben, das auf Können aus ist, möchte sich zeigen, d.h. einen Ausdruck schaffen, ein Werk vorzeigen oder ein Handeln im Außen aufweisen, möglichst perfekt, möglichst vollkommen.   

 

 

Üben, dass sich auf den inneren Menschen und dessen Bildung und Reifung bezieht, hält uns auf dem Weg nach innen, der so beständig wird und zielt nicht auf ein Resultat.  Darin ist Zazen für uns etwas Fremdes. Wir sind ganz anders konditioniert. Das Üben führt zu nichts Vorzeigbarem, sondern zu innerer Verwandlung aus der Erfahrung des Seins.  

 


 

Das Üben, das auf Leistung und Können abzielt, kommt auch ans Ende, wenn das Resultat perfekt ist. Üben im Zen endet nie: Klärung, Reinigung, Reifung, Wandlung sind Lebensprozesse ohne Zieleinlauf. Selbst was man Erleuchtung nennt, ist bloss ein Anfang und ruft uns noch dringlicher als zuvor auf den Weg weiterführenden Übens. (...)
 

 

 

Ein Beispiel für die Fertigkeit von innen: Auf dem Weg des klassichen Bogenschießens etwa steht man beim Üben  drei Jahre lang vor einem Strohbündel von 80x80 cm in nur 3 Meter Abstand. Drei Jahre lang! - Und solches Üben wird immer aufregender und nichts von langweilig! Beim Zazen merken wir das ebenso. Auch hier wächst bei Übenden eine Haltung von innen, die sich auch im Körper zeigt, aber ganz ohne dass wir den Lotussitz trainieren.  Der größte Antagonist des Übens am inneren Menschen ist die Versuchung Stehenzubleiben im Erworbenen.

 

                                                                                                        

Selbst die Kampfkunst im ZEN besteht in vollständiger Präsenz und Achtsamkeit.  Wenn man so übt, dann wächst langsam und von innen her eine Haltung, die auch eine vollkommene Perfektion hervorbringt, doch genau umgekehrt wie wir im Westen trainieren.


Die Vollkommenheit des Tuns, welches von innen reifen durfte, ist etwas ganz schlichtes, schönes, einfaches und geradliniges.  Üben ist der einzige WEG. Selbst in den Worten taucht daher immer wieder „Do“ auf. Do meint WEG. Bogenschießen heißt  Kyo-do und Schwertkampf Ken-do, Ringen Ju-do, der Weg des Tees Cha-do. 

   

Dürkheim folgend lässt sich die Erfahrung so beschreiben:


Das Erwachen zum Wesen nennt man die große Erleuchtung. Es ist ein entscheidendes Erlebnis im menschlichen Leben.  Es ist das Ereignis der großen Wende. Ein neuer Mensch wird geboren. Im ZEN heißt diese Erfahrung Satori.  Darin schmeckt der Mensch das Sein als überweltliche Wirklichkeit und gleichzeitig als Realität der Welt. Er erfährt dass nicht hinter, über oder unter  der Welt. Er erfährt, dass er selbst und die ganze Welt dieses größere Leben und Sein sind. Auf diese Kernerfahrung sind ganz viele Texte des Zen bezogen und nur von hier aus schlüsseln

 

 

 

Dürckheim schreibt:

 

„Im Zunehmen bleiben muß der Mensch, im Zunehmen ohne Ende.“  

Die Frucht solcher Reifungswege durch Üben ist der in der Wesenserfahrung gewandelte Mensch.

 

 


 

Ist der Mensch mit seinem ICH identifiziert, dann bangt  und sorgt er sich um seine Stellung. Er verfängt sich immer wieder in Schlingen, vor allem in Begriffen, mit denen er das Leben einzufangen und festzuhalten sucht.  Darum leidet er.  Die Befreiung aus der Verstrickung des ICH zum wahren Wesen hin und der Aufbruch eines neuen Lebens aus diesem Wesen, das ist die Neugeburt, welche die Übung des ZEN hervorbringt.    

 

 


  

Das Wesen ist kein Gegenstand von Glauben, keine Behauptung, sondern eine tiefe Erfahrungswirklichkeit, die uns im Maße unserer Hingabe geschenkt ist.  Um diese Erfahrung geht es im Zen. Das ist eine große, wuchtige, alles umstürzende Erfahrung. Unser verborgenes Wesen in dem wir zwar ständig leben, dass wir aber in unserem Bewusstsein als getrennt erfahren, wird auf einmal wahrnehmbar.  ZEN meint die erschütternde Erfahrung des Seins im Durchbruch zu unserem Wesen.  Christlich gesprochen: Wir sind dann in Christus. Es ist die Erfahrung des Erwachens aus dem Wahn des gegensätzlichen und gegenständlichen Bewusstseins, dass unsere alltagstaugliche, aber etwas zu kurz geratene Weltsicht bestimmt.    


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Friedensgebet - 19. November 2016

 

 

 

DASEIN FÜR FRIEDEN


Fragile Konstruktionen

Wir Menschen erfinden und entwickeln: Beziehungen, Position, Reichtum, Demokratie, Frieden. Und wenn unsere wunderbaren Konstruktionen sich eine Zeitlang bewährt haben, zählen wir sie zum Bestand.  Wir haben sie dann scheinbar sicher; unsere Beziehungen, unsere Position, unseren Reichtum, unser demokratisches System, ein Deutschland ohne Krieg.  Alles sicher? Bei genauem Hinsehen stimmt das gar nicht. Was wir als sicheren Besitz postulieren, kann verdorben sein, weil wir es zum Beispiel anderen Menschen wegnehmen,  siehe Afrika. Dann brechen Menschen aus dem Dunkel des ewigen Verlierens auf, riskieren Kopf und Kragen und kommen als Flüchtlinge zu uns: Was wir so sicher haben, gehört uns manchmal gar nicht. Es liegt viel Unrecht in unserem Reichtum. Darüber hinaus kann alles, was wir sicher in Händen halten, kaputt gehen, kann zerbrechen, kann uns verloren gehen. Nicht einmal unser Leben gehört uns.  Wir tragen Verantwortung, weil so vieles fragil ist. Wir tragen Verantwortung, solange Unrecht ist.
 

 

Frieden braucht Pflege

Dasein für den Frieden steht über unserem Üben. Frieden gehört zu den großen Schätzen, die unsere Aufmerksamkeit verdienen. Er braucht unsere Zeit und Zuwendung, unsere Achtsamkeit und Sorgfalt. Frieden braucht Pflege. Leider beschäftigen sich immer noch viel zu oft und viel zu viele und in großen Manövern mit dem Krieg.  Für den Krieg wird täglich geübt. Wir geben dafür ganz viel Geld aus und machen mit Waffen grpße Geschäfte. Für den Frieden haben wir weniger Mittel. Frieden ist kein Lehrfach.  Für den Frieden bauen wir selten Häuser, um ihn zu lernen.  Rüstung als Verteidigung weist darauf hin, dass Frieden eben nicht von alleine läuft. Frieden ist keine automatische Gegebenheit.

 


 

Aufklärung und Krieg

Unser mentales Zeitalter neigt dazu stets ein Gegenüber zu setzen. Nicht die Symbiose sondern Polarität und Abgrenzung ist seine Leistung: Hier bin ich und ich bin nicht du.  Und beide lassen wir uns nicht mehr von außen bestimmen, uns in eine Uniform bringen oder unter Zwang setzen. Wir sind frei: Subjekte, individuell, einzigartig und unvergleichlich. Wird das eigene „ICH“ stark und kommt der Mensch zu sich, findet er in seine Würde. Das ist etwas Wunderbares, doch nur eine Seite.  Mit der Autonomie wächst auch die Gefahr des entgrenzten „Ich“s, das sein Eigenes gegen den Rest der Welt stellt und vor allem anderen sich selber durchsetzen muß. Ichzentrierung wird leicht zu Ichfixierung.  Dann transzendiert das ICH sich nicht mehr und wird zum engen und gefangenen, manachmal isolierten und getrennten ICH.  Auf der gesellschaftlichen Ebene gibt es vergleichbares. Nation wird geboren und kann zum Kampfbegriff gegen fremde Nationen und alles Fremde verkommen.  Wir sehen: Das Zeitalter der Aufklärung trägt in sich auch eine Drift zu Entzweiung, zu Polarisierung, zu Entfremdung und zur Spaltung. Das schafft Krieg und das macht krank. Die furchtbarsten Kriege der Menschheit hat unsere Zeit hervorgebracht nicht das finstere Mittelalter und nicht die Pest, trotz Aufklärung und Vernunft. Frieden ist kein Kind der Vernunft, auch wenn es vernünftig ist und ganz praktisch, friedfertig zu sein. Und Frieden geht nicht mehr national, auch wenn manche dahin zurückrudern.

Daher setzen wir uns heute nicht mit dem Frieden auseinander, sondern wir überschreiten das Paradigma der Auseinandersetzung. Wir tun dies, indem wir Frieden einüben. Wir üben Frieden, indem wir still halten und für ihn da sind. Wir sitzen, um ihn zu erfahren. Man könnte auch sagen: Wir setzen uns nicht ein für den Frieden, sondern wir sitzen uns ein für den Frieden. Wir sitzen still, üben Zazen und Kontemplation.  



Frieden - Gottesfrieden

Stillhalten, damit Frieden wird, - geht das überhaupt? Ich frage anders: Wie soll es sonst gehen? Frieden nimmt seinen Anfang doch immer bei dem, was uns am Nächsten ist. Was uns am Nächsten ist, das sind wir selber. Und da gibt es reiche Potentiale, die auf Entwicklung warten,  große Begabungen aus dem Herzen Gottes, die sich in Kompetenzen ausformen wollen.  Fähigkeiten, die darauf warten, sich zu Fertigkeiten auszuwachsen: Echte Schätze, die entdeckt, geweckt, angeschaut und gelebt werden wollen: Friedensressourcen. Dass Frieden in uns selber wird. Das ist entscheidend. Das ist der springende Punkt, vielleicht gar der archimedische Punkt, an dem alles hängt. Wir brüten nicht nur uns selber, sondern eine neue Erde aus.  Aber das beginnt bei uns, genauer: in uns. Frieden in uns selber, so lautet die große Aufgabe unserer Übung.  Anderen, die in Wort und Tat rassistisch, sexistisch, aggressiv, kriegerisch, gewaltätig oder patriarchal gebärden, nicht in derselben Tonlage und mit ebensolchem Hass zu begegnen. Darum geht es! Das ist nicht einfach, aber ein Weg jenseits der Gewalt. Es ist anspruchsvoll, dass wir der Einladung, die unterste Schublade aufzuziehen, nicht folgen. Wir brachen auf Hass nicht mit Hass, auf Ungerechtigkeit nicht mit Unrecht, auf Kleinlichkeit nicht mit Kleinlichkeit resonieren. Der Weg von verbaler Verrohung und Kriegsgeschrei ist kein Weg.  


Schalom als Gabe

Innerer Frieden als Aufgabe unseres Übens, ist zum Glück eine Gabe.  Das heißt: Schalom ist ein Geschenk, für das wir uns lediglich bereiten. Sitzen in Stille ist also keine Technik, um in uns Frieden und Erleuchtung zu machen, sondern bloss ein Weg der eigenen Bereitung. Für den großen Schalom, braucht es eine Schale, die ihn aufnimmt. Mit unserem Üben entwickeln wir dieses Gefäss, das den kostbaren Wein des neuen Lebens aufnimmt und in sich bewahrt. Das ist alles, was wir tun.  Wir sammeln uns ganz konsequent im Atmen, bis wir im Einatmen Schalom empfangen und  bis wir Schalom ausatmen.  Was wir empfangen heißt Schalom und lässt sich nicht festhalten und besitzen.  Schalom ist Gottesfrieden und gleicht dem Atem, der lebendig erhält, weil er sowohl ein „ein“ und ein „aus“ kennt. Diese Qualität von Frieden finden überhaupt nicht in der Außenorientierung, nur Hinweise, Zeichen, Spuren, Sichtbarkeiten des Unsichtbaren, Wirklichkeit als Sakrament des Göttlichen.   

Im gesammelten Dasein empfangen und verkosten wir Schalom, Gottesfrieden. Das ist Himmel auf Erden. Die Himmel und Erde sind nicht aufeinandergeklebt  wie zwei Sachen, sondern eins.  Daher empfangen wir auch nicht etwas wie Schalom, sondern indem wir Schalom empfangen, werden wir Schalom.  

Auf dem Weg vollständiger Sammlung findet uns der Schalom, wir erfinden ihn nicht.

Wir stellen ihn nicht her, wir werden in ihn hinein gestellt. Wir verfügen nicht über ihn, sondern sind auf einmal eingefügt in ihn; wir machen ihn nicht, aber machtvoll kommt er über uns. Wir empfangen.  Und diese Bewegung der Öffnung und das Eintreten des Gottesfriedens, ist ein und derselbe Moment. Also garnicht fern von uns.  Schalom ist Frieden, der uns ganz und vollständig und heil werden läßt. Ein Friede, wie ihn die Welt nicht kennt.  „Friede ist alleweil in Gott, denn Gott ist der Friede,“ so der Einsiedler und Friedensaktivist Nikolaus von Flue.  Schalom, Gottesfriede in uns selber, ist die beste Basis um ein friedvoller Mensch zu werden.  Wer friedvoll ist, kann Wüsten und Einöden tränken. Wer friedvoll ist, der braucht kein Kriegsgeschrei mehr. Er ist frei.

Nichts ist wirksamer, als ein Mensch, der mit sich selber eins und friedvoll ist.  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Abendgruppe 05.10.

 

 

FRÜCHTE DES ÜBENS

 

 

Poetische Verdichtung - Erfahrungen eines Übenden

 

 

 

  • Je tiefer die Erfahrung, desto heller wird ihr Gesicht. Sie tritt ans Licht, unscheinbar, denn ihre Macht besteht nicht in einem grellen, blendendem Lichtstrahl, sondern im zarten Glanz, der sich von innen speist.


  

  • Je weiter ich gefunden wurde, desto beständiger wird mein Handeln, ganz unspektakulär, denn seine Kraft demonstriert es nicht in großen Aktionen, sondern sein Tun wird angetrieben von sanfter Energie, gespeist aus innerem Einssein.


  

  • Je inniger meine Erfahrung, desto mehr beginne ich davon auszustrahlen. Diese Mitteilung jedoch  ist  leise und ohne den Windhauch eines Wortes, nicht erzählend und dennoch hörbar, völlig still und dennoch eindringlich und einnehmend, getragen vom Klang des Schweigens, einer Weise unendlicher Kraft.

 

  • Je mehr ich in Einklang kam, desto großzügiger wird mein Lieben, maßlos geht es über selbst gesteckte Grenzen und Mauern der Angst hinaus. Es braucht keine gemalten Herzen und keine Erklärungen, denn unbezwingbar ist sein stetiger Puls und unaufhaltsam sein Fluten. Aus ewigen Überfluss gespeist, bleibt sein bewegtes Fließen unaufdringlich stark und kennt doch wie der Herzschlag kein Ermüden.


  

 


  • Je mehr ich eins bin, desto mehr findet alle Verlorenheit der Welt in mir seine Heimat.  Nicht so, dass sie sich abbildet, so dass jeder aufmerkt und sie benennt.  Eher indem ein feiner Frieden einen Stoff wirkt, der alles Versprengte und Verlorene umfängt und nach Hause trägt, ein Schultern ohne schleppen zu müssen.


  • Je mehr ich eins bin, desto tiefer entfaltet sich vor mir die Welt in neuer Schönheit. Nicht als ob ich zurückkehre, aus dem Weltall ins vertraute Heim.  Eher so, als ob ich selber da bin wie ein Heimgegefundener aus Anderswo. Und jeder meiner Sinne schafft die Erde gänzlich neu, obgleich sie vor mir liegt wie ehedem.  Mein Sehen und mein Hören reichen tiefer als der Farben und der Töne Grund. Und alle Welt beginnt zu leuchten, ganz ohne Zauberwort.
  •  Bin ich bei mir, hebt mich der Flügel eines Schmetterlings und trägt in Leichtigkeit, wo früher dunkler Ernst, den Schritt mir hemmte und tiefe Sorgen meinen Schritt beschwerten. Der sanfte Flug kennt keinen Druck und seine Schwingen tragen jedes Herz voll Schmerz in freier Grazie.
  • Bin ich eins, pocht weiter das Zerbrochene an mein Tor. Doch jedes Anklopfen gerät zum Eintreten und jedes Eintreten wird zur Umarmung, und alles darf darin bleiben und ein Heim finden: Auch das Kaputte, das Unfertige und das Missglückte. Nichts muss mehr weg.  Das Ende allen Krieges ist da. Nur ein gebrochenes Herz ist ein ganzes Herz. Wer keine Vollkommenheit begehrt, wird im Unvollkommenen vollendet.

 

 

 

Stille als barmherziger Zustand 

 

 

Einen Weg zu beschreiben, den man ohne Gedanken geht, ist nahezu unmöglich, da man die Dinge nur noch ungefiltert und ohne  sie zu bewerten wahrnimmt. Und wertfreies Wahrnehmen lässt sich später kaum schriftlich formulieren. Alles wird eins, mein Atem, meine Schritte, der Wind, der Vogelgesang, das Wogen der Kornfelder und das kühle Gefühl auf der Haut. Ich gehe in Stille. Drücke ich während des Wanderns mit meinen Füßen auf den Weg oder drückt der Weg auf meine Füße? Ohne meine Gedanken bin ich ohne Ausdruck und die Landschaft, die Geräusche und der Wind beeindrucken mich nicht. Auch Hässlichkeiten wie eine tote Katze auf dem Weg oder Schönheiten wie die schneebedeckten Gipfel des kantabrischen Gebirges hinterlassen keinerlei Eindruck. Diese totale Abwesenheit von Druck ist ein barmherziger Zustand.  … Und am Ende des Weges stelle ich fest: Wenn ich mich nicht in Wort und Gedanken ausdrücke, beeindruckt mich auch nichts! Weder Wind noch Regen. Wenn man seinen Ausdruck im Denken und Handeln, Sprechen, Singen, Tanzen nicht gelegentlich pausieren lässt, verselbstständigt er sich und das Ergebnis ist die Erzeugung ständigen Drucks. Jeder eigene Ausdruck führt zu einem Eindruck bei anderen und der erzeugt in ihnen neuen Ausdruck, der wiederum für einen selbst beeindruckend ist. Wer sich ständig ausdrückt, ist auch immer beeindruckt. So entstehen Ehekräche und Weltkriege. Irgendwann legt dieser ständige Druck jeden lahm. In der Stille herrscht kein Druck. Wenn ich nichts denke, nichts ausdrücke, bin ich aber trotzdem immer noch da. Auf dem Weg treffe ich eigentlich immer, wieder nur auf eins: Auf mich. (…) Meine Erkenntnis des Tages kann ich erst morgen formulieren. Denn eigentlich ist sie unsagbar. Ich habe Gott getroffen!

 

in: Hape Kerkeling, Ich bin dann mal weg

 

 

 

 

Abendgruppe 21.09.  - Ausschnitt des Vortrages


  


GELASSENHEIT UND REINIGUNG


In der christlichen Mystik wird der Prozess des Loslassens oder Seinlassens auch mit dem Bild der Reinigung veranschaulicht.  Damit ist nicht gemeint, dass wir selber unrein und im Kern verdorben wären.  Wir sind in unserem Daseinsgrund aus Gnaden wie Maria „immaculata“, d.h. ohne Schaden. Unser Selbst ist aus Gott und kann nicht von außen verletzt oder beschmutzt werden. Dieses unbeschädigte und ungebrochene Selbst, dieses heile und ganze ICH wird auf dem Weg des Zen und der Kontemplation langsam wieder frei gelegt und aus dem Vergessensein und der Verdunklung  oder Überwucherung in die eigene Erfahrung gehoben. Es richtet sich auf als schöne Gestalt, zentriert uns als unsere Lebensmitte und gewinnt Gewicht als unser Lebensschwerpunkt. 

 Eckehart hat das meisterlich formuliert:

 

„Geh in deinen eigenen Grund.

Dort in im  Innersten deiner Seele, da ist dein Leben und da alleine lebst du.“


  

 

Das Seinlassen von Kostbarkeiten und Schmuckstücken

 

Meistens sind wir in die Hindernisse verliebt, die wir selber zwischen uns und unserem wahren ICH platziert haben.  Dann handelt es sich nicht um Einschränkungen sondern um Schmuckstücke, an denen wir uns freuen und die wir gerne zeigen.  Das macht das Seinlassen  besonders schwer. Das kann unsere berufliche Kompetenz sein, unser Dasein für unsere Familie, unsere Tüchtigkeit und Professionalität, eine Beziehung, eine Vision, ein Engagement oder eine liebe Gewohnheit. Üben ist wie älter werden. Wir legen die Schmuckstücke des Lebens langsam ab und dürfen entdecken, dass wir dabei immer vollständiger werden. Übende merken: Wir leben keineswegs reduziert, wenn wir reduzieren. Verluste mögen schmerzen, aber haben wir sie angenommen, sind wir immer noch da, nur wesentlich reifer.   Reinigung löst unsere Fixierungen. Sie lockert woran wir uns zwanghaft oder ängstlich festhalten. Sie befreit von der irrigen Einbildung, dies und jenes sei absolut notwendig.

  

Solche Lockerung unseres Festhaltens führt zu Relativierungen und kommt es vor, dass etwas oder jemand seinen falschen Platz verliert. Es entstehen Lücken. Was uns vordergründig als furchtbar erscheinen mag, schafft real jedoch ein „win“ Situation, wenn wir uns dem stellen und es bejahen. Das nun freier einfallende Licht wird dann nicht durch Barrieren der Klage ausgebremst.  Verluste und Einschränkungen öffnen Fenster. Wir dann auf einmal im Licht . Wir sind noch da, nicht verloren, sondern vollständiger als zuvor. Unsere Liebe fließt freier  und reichlicher, wenn manch Steckenpferd nicht im Weg steht und Energie bindet.


  

 

Manchmal sind wir auch verliebt in unsere Krankheit, unsere Verletzungen und Wunden. Man kann sich an vieles binden und auf viel Vorläufiges fixieren.  Mit dem Atmen geschieht dasselbe wie beim Fensterputzen. Alle Aufkleber, die Schlieren und festgepappten Partikel der Fensterscheibe, die unser Sehen erschweren und an denen wir uns tagtäglich aufhalten und meinen abarbeiten zu müssen, werden langsam im Atem geweicht und gelöst.  Auch unsere schweren Probleme, unsere biographischen Beeinträchtigungen, dunkle Erfahrungen und Schuldgefühle, können uns anhängen. Wem dient das?  Beim Üben lassen wir daran arbeiten Unsere zu starke Identifikation lockert sich langsam. Wenn wir nicht mehr in unseren Problemlagen sumpfen, kann der Lichteinfall größer werden, ohne dass wir positiv denken müssen oder den Sumpf trockenlegen müssen. Das heißt: Üben wirkt Wunder. Aus dem fixierten „homo incurvatus in se“, dem in sich selbst eingerollten, in sich und seine Wunden verliebten Menschen wird ein aufgerichteter und neu ausgerichteter.  Incurvatus in se“ meint „in sich selbst eingerollt“, ein altes Bild von Sünde.  

 

Dasein wie ein eingerollter Rollladen, im sicheren Glauben, das sei die Welt und das sei die Wirklichkeit, dunkel halt. Aber Realität enthält Fenster und Licht. Der Rollladen darf mutieren zum durchlässigen, seidigen Schal. Reinigung heißt: Wir dürfen so vieles sein lassen, womit wir uns selber und anderen das Leben schwer machen und unseren freien Gang behindern. Je mehr wir entdecken, was in uns steckt, umso offener und weiter wird unser Herz.  Wir dürfen langsam auch unsere "dunklen" Schmuckstücke und Kostbarkeiten sein lassen.


  

Was wir für so ganz wichtig und völlig unverzichtbar halten, ist meist das größte Hindernis auf dem Weg zu unserem wahren Selbst. Reifen, älter werden bedeutet diese Bindungen nicht fester zu zurren, nach dem Motto „Mehr desselben“, sondern uns langsam aus einer vorläufigen Identität zu verabschieden: Weder Beruf, noch Arbeit, noch Familie, noch Ehe sind alles. Auf dem Weg der Reinigung stellen wir neu die Frage: „Wer bin ich wirklich?“, wenn all die Bärenhäute, die wir uns übergezogen haben und all die Schuppen, die uns gewachsen sind abfallen.


  


 

 

 

 

Abendgruppe 24.08.2016 
  

GELASSENHEIT – Teilnehmerblatt zum Abendimpuls   


  

APATHEIA

 

Niemand kann jemand Böses zufügen

sondern jeder fügt sich durch seine eigenen Werke Böses zu.“

 

Was mich betrifft, so können Anytos und Melitos mich töten,

aber einen Schaden zufügen können sie mir nicht.“   Epiktet


  

Epiktet meint, man solle „die äußeren Dinge daran hindern, dass sie (…) den geheiligten Bereich des wahren Ich betreten. Dazu muß der Mensch zunächst auf dem Weg des „Erkenne dich selbst“, sein wahres Sein, sein Autos, entdecken und eingrenzen.“  Epiktet


  

Die Menschen werden nicht durch die Ereignisse verwirrt, sondern durch die Vorstellungen, die sie über die Ereignisse bilden.“   Epiktet

 

   

Keiner kann verletzt werden, außer er verletzt sich selbst.“  

Johannes Chrysostomos  

     

Wer so lebt „ … hat sein ICH zur unzugänglichen und unbezwingbaren Festung gemacht, wo die Freiheit,

die Ataraxia (Unerschütterlichkeit),

die Apathia,

die Eustatheia (Festigkeit, Beständigkeit),

die Euroia (Glück, reiches Fließen)

herrschen, mit einem Wort: die Glückseligkeit.“      Epiktet 

 


 

Ein Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er, aber keinen Hammer. Der Nachbar hat einen.  Also beschließt er hinüber zu gehen, um den Hammer zu borgen. Doch da kommt ihm ein Zweifel: Was, wenn der Nachbar mir den Hammer nicht leihen will? Gestern schon grüßte er mich nur so flüchtig. Vielleicht war er in Eile. Vielleicht hat er die Eile nur vorgeschützt, und er hat was gegen mich. Und was?  Möglich, dass er mir nicht ausborgen mag. Ich habe ihm nichts getan; der bildet sich da etwas ein. Wenn jemand von mir ein Werkzeug borgen wollte, ich gäbe es ihm sofort. Und warum er nicht? Wie kann man einem Mitmenschen einen so einfachen Gefallen abschlagen? Leute wie dieser Kerl vergiften einem das Leben. Und dann bildet er sich noch ein, ich sei auf ihn angewiesen. Bloß weil er einen Hammer hat. Jetzt reicht´s mir wirklich. - Und so stürmt er hinüber, läutet, der Nachbar öffnet, doch bevor er "Guten Tag" sagen kann, schreit ihn unser Mann an: "Behalten Sie Ihren Hammer".


nach Paul Watzlawick: Anleitung zum Unglücklichsein




Was also ist die Kraft des Menschen? Nicht das Geld, als ob du Armut fürchten müßtest. Nicht die Freiheit, dass du vor der Knechtschaft fliehst; sondern die Sorgfalt im Umgang mit den wahren Vorstellungen und die Richtigkeit in Bezug auf die Lebensführung.“ 

 

Johannes Chrysostomos

 

 

 

 

 

 

 


zum Quell des Lebens


Zum Fest unserer Sangha am 15.08.2016

 

Maria Himmelfahrt


  

Jesus

Vogeltränke - Handarbeit von Karin

Wer von diesem Wasser trinkt, wird wieder Durst bekommen. Wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben; vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt.“ (Johannes 4, 13-14)


                                                                   

Bernhard von Clairvaux

"Die Quelle des Lebens ist die Liebe. Wie aber kannst du daraus schöpfen, wenn du nicht an der Quelle bist?"        

Edith Stein

Wer zu Gott findet, der gelangt zu sich selbst und zum Quell des ewigen Lebens, der in seinem eigensten Innersten auf ihn wirkt.

 


  

Teresa von Avila

Stell dir zwei Behälter vor, die mit Wasser gefüllt werden.  In das eine Auffangbecken fließt Wasser von weither durch viele Röhren und andere künstliche Leitungen.  Das zweite Auffangbecken steht genau dort, wo das Wasser einer Quelle entspringt. Es füllt sich ohne jegliches Geräusch schon bald randvoll, und das Wasser fließt über und wird zu einem Fluss. Das Becken wird niemals leer, da ohne Unterlass Wasser nachströmt. Das erste Bild entspricht den Erfolgen, die aus der Betrachtung entstehen. Wir erwerben sie durch Nachdenken, wobei wir uns des Anschaulichen bedienen und Gedachtes vergegenwärtigen. Diese Vorgehensweise lässt das Denken und den Verstand schnell ermüden, da wir uns ständig anstrengen müssen. Das Bild spiegelt dies mit dem geräuschvollen Einströmen des Wassers aus den verschiedenen Rohrleitungen wider. Die Anstrengungslosigkeit und der verminderte Aufwand, die du im Gebet der Ruhe triffst, werden aus dem zweiten Bild deutlich. Der andere Behälter nimmt das Wasser unmittelbar von der Quelle auf - von Gott selbst. Dieser Vorgang - vorausgesetzt, der Schöpfer lasst ihn zu - geschieht in unserem Inneren in äußerster Ruhe und größtem Frieden. Das Überströmen wird nicht, wie bei der Betrachtung, im Herzen als Trost empfunden, sondern das Wasser strömt unmerklich in alle Kräfte der Seele, bis sich dann die Ruhe und der Friede sowohl in deinen Gefühlen als auch in deinem Körper ausbreiten. Das geistige Strömen beginnt in Gott und endet in uns. Wir sind nicht nur innerlich, sondern auch äußerlich davon berührt. Im Gebet der Ruhe ist es nicht nur dein Herz, das der Herr weit macht sondern auch deine Seele.  Sobald das Wasser aus der Quelle in der Tiefe deiner Seele aufbricht, erweitert und erfüllt es dein Inneres und schenkt der Seele unaussprechliche Güter. Die Quelle, aus der das Wasser strömt, ist zwar nicht sichtbar, doch du spürst, wie du von diesem lebendigen Wasser an Leib und Seele durchdrungen und erfüllt wirst. ,,Trink Wasser aus deiner eigenen Zisterne, Wasser; das aus deinem Brunnen quillt. Dein Brunnen sei gesegnet!" (Sprichwörter 5,15.18a)


  

Johannes vom Kreuz

In der Kontemplation wirst du dir auf wunderbare Weise der ganzen Harmonie deiner Seele und deines Leibes bewußt und zu einem vollkommen von Gott bebauten Paradies. (...) Du gleichst einem Brunnen lebendigen Wassers, der von Gott herniederrauscht. (...) An dir erfüllt sich das Psalmwort: „Des Stromes Wogendrang erfreut die Stadt Gottes.“ O wunderbarer Vorgang! In dieser Zeit strömt die Seele von göttlichen Wassern über. Es gießt sich über sie aus, wie eine überfließende Quelle, die überall göttliche Wasser ausströmen lässt. So ist Gottes Mitteilung obwohl Feuer zugleich auch Wasser. Alles, was man über diesen Punkt sagen kann, bleibt hinter der Wirklichkeit zurück. Denn die Umgestaltung der Seele in Gott ist etwas Unaussprechliches.

(Lebendige Liebesflamme, S. 90-91)

 

 

 


  
 

WEGZEICHNUNG  IM NEUEN LEBENSABSCHNITT


 

„ … ES IST NICHT NÖTIG, JEMANDEN EINZULADEN“ - EREMITAGE PFLEGEN


Zum 01.07.2016 habe ich meine Arbeit als Seelsorger beim Bistum Trier gekündigt, um in anderer Weise seelsorglich da zu sein.  Wie geht es für mich weiter?  Zunächst werde ich viel Zeit für die eigene Klausur haben. Mit intensiverem Üben habe ich begonnen, und das tut mir sehr gut.  Im Juli  habe eine neue Tagesstruktur für mich und die gemeinsame Praxis mit Christiane entwickelt.  Sie hat sich bewährt und verstetigt, so dass ich sie im August für Gäste öffnen kann.

 

 

 

 

 

ZEN FOR NOTHING?

 

Sawaki Kodo Roshi - ehemals Zenmeister im Kloster Antajiji, das manche aus dem Film „Zen for nothing“ kennen, begleitet mich mit seinen Gedanken aus dem Buch "Zen ist die größte Lüge aller Zeiten." Es fiel mir in die Hände. Ich besitze es seit 5 Jahren, aber gelesen habe ich es noch nicht.  Sawaki Kodo hält mich davon ab, die  Zeit zu geschwind zu füllen, z.B. Neues zu erarbeiten oder nur eine klassische Stellensuche zu beginnen. Es braucht anderes.

Mit dem Üben habe ich nun die Basis gewonnen, die auch ein fleißiges Planen ermöglicht. 


Ein Satz Kodos hat mich sehr an meine trotz Parkinson sehr engagierte Mutter erinnert:

Ich mag es, wenn ein Mensch seine ganze Kraft aufbietet. Wenn ich sehe, wie einer mit seiner Energie spart, möchte ich ihm am liebsten eine Ohrfeige geben. (…) Was auch immer du tust, das Beste ist, alles von Dir zu geben.“ (…)   


So wie du das ganze Jahr über, ja das ganze Leben keine Pause beim Atmen nehmen kannst, so darf es auch keine Pause beim Üben geben. … Wenn du an dem Ort, an dem du dich jetzt befindest, alles von Dir gibst, dann gibt es da nichts mehr von dir. Wenn du dich an diese Praxis ganz hingibst, dann wirst du auch erkennen, dass es umgekehrt keinen Ort gibt, an dem du nicht bist:“  (…)

 


ES ARBEITET - SELBSTSTÄNDIG WERDEN IM ALL-EIN-SEIN


(...) Mir geht meine Oma durch den Sinn, wie sie stundenlang im Schaukelstuhl saß und nichts tat, als ein altes Gebetbuch Seite um Seite betend zu lesen. Kein Wort fiel. Sie blieb dabei völlig still. Dennoch ging der Schaukelstuhl unaufhörlich hin und her und her und hin. Einklang von Regungslosigkeit und Bewegung, von Stille und Wirken.  Im Schweigen bleiben. Aus der Stille wirken.  Keine Gegensätze!  Alleine bleiben. Wenn ich anfange Pläne für die neue Zeit zu schmieden, bin ich froh um die Verlangsamung, die mit dem Wort „All-ein bleiben!“ eintritt.  Allein ist nämlich all-ein. Dennoch mache ich Pläne!  

Nicht aktiv  „Weichen stellen“, sondern „weichen“ und „mich stellen“; „weichen“ nicht einmal im Sinne von „weg von der Amtskirche“, sondern im Sinne von Durchlässigwerden im Wasser erneuerter Taufe, die nur empfängt, wer am Quell sitzt und nicht anderswo lebt.  Gelassene Offenheit, für das, was sich auftut.  


All-ein: Gerne mag ich von dieser Basis mit anderen üben und dazu einladen.  Und da hinein fließen lassen, was mir geschenkt und an Liebe und Achtsamkeit möglich ist. Und weiter lernen und dafür all-ein leben, mit ganzem Herzen, ohne die tausend Baustellen oder vielleicht gar mit neuen?

 

 

 

   „Wenn Du weißt, worum es in deinem Leben geht, dann setze alles daran, es in die Tat umzusetzen. Es ist nicht nötig, andere einzuladen, es mit dir zu tun. Kein anderer kann das für dich tun: Du mußt dein eigenes Leben schöpfen.“  

Sawaki Kodo

        

„Übung bedeutet, mit sicheren Schritten voran zu gehen, indem du mit deiner Taschenlampe nur das Dunkel vor deinen Füßen ausleuchtest. Es wird dir nicht gelingen, Überblick über das ganze Dunkel zu gewinnen. (…) Gib alle Kraft, die du hast einfach hin an diesen einen Augenblick.“ 

Sawaki Kodo

  

        

 „Wir müssen soviel verlieren, wie wir können. Du darfst keinen Erfolg haben. Am besten ist es, wenn du dich ganz versteckt für die leidenden Wesen hingibst.  (…) Dein Körper und deine Kraft sind begrenzt. Auf dem Weg des Buddha geht es darum, über deine Grenzen hinauszugehen und dich dem Grenzenlosen hinzugeben.“

Sawaki Kodo

    

 

„Weichen stellen“ oder  „Weichen und Stellen“.

Ein Unterschied wie Tag und Nacht!  Daraus darf ein Weg wachsen. Sitzen und sitzen, wird stellen und stehen und Stand. Eine einzige bescheidene Selbstver-ständlichkeit.  Basis für den neuen Lebensraum: Stand im Selbst: Selbst-ständig.

 

  

 „Sei so arm wie möglich

 und hüte dich vor Erfolg."

Dogen Zenji.

 

 

  

 „Die Menschen versuchen, es selbst beim Zazen noch zu etwas zu bringen. Selbst auf dem Buddhaweg machen sie sich noch Stress.“ (..)  „Die Praxis muß unauffällig und bescheiden sein. Da darf es nichts zu bewundern geben.“  

Kodo Sawaki

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Tricherusa - Die Ikone der Gottesmutter mit den drei Händen

 

Stilles Wochenende 4.+5.6. - Abendimpuls 8.6.2016

 

 

 

KONTEMPLATIVE HALTUNGEN  IM BILD DER GOTTESGEBÄRERIN


  


 

Zazen und Kontemplation sind bildlose und gegenstandslose Wege. Wir haben nichts in Händen, an dass wir uns halten. Falls beim Meditieren Bilder und Gedanken, optische oder akustische Phänomene kommen, haben wir uns nicht mit ihnen zu beschäftigen, sondern solch aktives Tun vollständig sein zu lassen. Das bedeutet aber nicht, dass Träume, Bilder oder Impulse, die wir erfahren, nicht wichtig wären. Kommen sie aus der Tiefe, so machen sie  manchmal innere Prozesse, die wir nicht sehen und begreifen können, ausdrücklich und anschaulich.  Das kann uns auf dem Weg helfen und bestärken, uns ermutigen und motivieren. In einem äußeren Bild können wir – als Übende – sehr wohl auch unseren inneren Weg entdecken. Beim Üben selbst aber lassen wir alle Beschäftigung damit sein. Wir bleiben passiv: Nur so entwickelt sich ein anderer, anstrengungsfreier Modus des Daseins. Wir sind in der Übung nicht mit etwas optisch Attraktivem, akustisch Schönem, gedanklich Interessantem oder mit unseren Träumen befasst, nur wach im Atem. Beim Sitzen meditieren wir keine Ikonen.

Tricherusa - mit freundlicher Genehmigung



Ruhen in sich selber


  

Für die christliche Kontemplation ist Maria immer eine wichtige Person und sprechendes Symbol gewesen. Auf vielen Ikonen wird Maria in sich ruhend, gesammelt, still und in sich gekehrt dargestellt.  Auf diese Maria trifft ein Wort zu, dass vom heiligen Benedikt gesagt ward: Sie liebt es, bei sich selbst zu wohnen.  Wer bei sich selber zu Hause ist, der strahlt auch etwas von einer feinen, inneren Würde aus, die Maria auf unserer Ikone auszeichnet.


  

Dass sie dabei ein Kind auf dem Arm trägt, tut dem keinen Abbruch.  Ohne von irgendetwas oder irgendjemandem abgelenkt zu sein, ruht Maria in sich selber.  Sie ist keine Helikopter-mama, die übergriffig das Kind Schritt um Schritt überwacht. Sie bleibt auf diesem Bild ganz Frau. Das ist unverzichtbare Basis für Muttersein oder Großmuttersein. Sie ist eine Mama, die nicht vom Kind aufgefressen oder gar absorbiert wird.

 

Wir kennen diese Haltung vom Üben. Wer gut bei sich selber ist, ist gleichzeitig gut beim anderen. Und wer nicht da ist, kann 1000 x berühren und umarmen: Das ist wie nichts, wenn ich selber dabei weg oder in 1000 Gedanken verloren bin.  Maria bleibt Frau. Bei sich selber sein: Das beinhaltet immer auch eine angenhme Zugewandtheit und  eine feine Aufmerksamkeit. Das Kind jedoch  bestimmt nicht. Dennoch ist Marias Kopf  ein wenig in seine Richtung geneigt; gleichzeitig berührt ihre Blick jedoch auch den Betrachter, nicht aufdringlich sondern achtsam, nicht frontal und dennoch intim. Viele Marias der Ikonen ruhen in sich selber.  Und das ist der Schüssel für guten Kontakt mit Kind und angenehme Präsenz für den Betrachter.   


  

Maria, die gesammelte, in sich gekehrte, die in sich selbst wohnende, die alle Worte innerlich aufnimmt und im Herzen bewahrt, veranschaulicht darin eine wichtige kontemplative Haltung.  Im „Bei sich selber wohnen“ wird sie Mutter über ihr eigenes Kind hinaus:   

Mutter Gottes und Mutter und der ganzen Schöpfung, Mutter der Barmherzigkeit gar. 

Wer in sich selber wohnt, wovon ist der weit weg? Auch die alle Wesen rettende Boddhisattva Kannon hat neben der alle Grenzen sprengenden Orientierung nach außen, mit vielen Händen und Augen und Gesichtern, einen gleiche, basale Ruhe. Ihre Hände sind in der Gassho Haltung gefaltet und damit gesammelt. Ihr Erbarmen mit allem Lebewesen, ihr Mühen um deren Rettung hat seine Basis in der vollständigen Innenorientierung, im Ruhen in sich selbst.


 

Empfangen und Gebären


Jeder Mensch ist dazu berufen, etwas ganz eigenes zur Welt zu bringen. Darin ist er unvertretbar. Das kann er sich nirgends abgucken. Das geht nicht durch Nachahmung. Seine Bestimmung ist das, was genau für ihn stimmig ist.  Solche Stimmigkeit ist etwas anderes als ein flaches Bauchgefühl oder ein "Gefällt mir, gefällt mir nicht!"  Dieses Besondere ist meist etwas sehr einfaches, aber auch vollständig eigenes, etwas was aus meiner Einzigartigkeit wächst. Es muss mir nicht einmal gefallen.

 

Solche Berufungen wandeln oder verdichten sich im Lebensverlauf. Neue Lebensabschnitte brauchen oft neue Orientierung. Je reifer wir werden, desto weniger lassen wir uns darin von außen leiten. Klarheiten finden uns von innen. Berufungen können wir nämlich nicht basteln, weder durch Ausbildung noch durch Heirat gewinnen. Sie kommen nicht daher,  was wir beruflich tun, noch brauchen sie eine bestimmte Lebensweise oder etwas Äußeres als Basis.  Wir empfangen sie. Sie geschehen uns: manchmal unterwegs, manchmal im Traum, manchmal wie im Reifen eines edlen Käses. Selten fallen sie vom Himmel. Eher gleicht ihre Entwicklung einer Schwangerschaft mit  „Ich weiß nicht was“. Manchmal ereignen sie sich als Geburt, selten durch Arbeit und Seelenklempnerei.  Maria veranschaulicht Essentials für diesen Prozess der Hervorbringung oder Erwachens unserer Bestimmung. 


Von Geburt spricht diese Ikone. Allerdings nicht auf den ersten Blick. Da ist sie ein Mutter-Kind Bild. Genauer besehen aber beschreibt sie den Prozess der Menschwerdung. Der hat zentral damit zu tun, dass etwas in uns wächst, dass wir im Laufe des Lebens zur Welt bringen. Wir wollen fruchtbar sein und gebären, Männer wie Frauen. 


 Dabei geht es keineswegs um leibliche Kinder. Kinder kann man viele gebären, ohne dass man etwas zur Welt bringt. Kinder kriegen ist gewiss nicht der Aufruf der Ikone.  Eher geht es um neue Lebendigkeit, neue Lebensmuster, neue Geburt, ja Gottesgeburt.  Und solches geschieht in einem unsichtbaren Lebensraum, den die Ikone sanft andeutet. Die riesige Verehrung der Gottesgebärerin Maria erklärt sich auch daher, dass Menschen in ihr zutiefst ihr eigenes Schicksal und Lebensdrama sahen. Menschwerdung hat mit Gebären zu tun. Neugeburt, Gottesgeburt sind die Stichworte. „Kann jemand neu geboren werden, der schon des Lebens Mitte überschritt? Mir geschah es, ...“ so beschreibt Edith Stein solch entscheidende neue Orientierung als nicht mehr junge Frau.



Offenheit und Empfänglichkeit


  

Es braucht dafür Offenheit und Empfänglichkeit. Das ist etwas anderes, als sich an etwas Festhalten oder  Sicherheiten suchen. Alle drei Hände der Maria sind offen und empfänglich, sowohl die obere, wie auch die untere und selbst die, welche Jesus stützt, hält ihn nicht fest, sondern hält sich dabei offen. Die Haltungen der Offenheit und Empfänglichkeit sind in jeder Hand sogar doppelt gegeben. Denn alle drei Hände sind Vexierbilder. Die Offenheit geht einmal nach innen. So sieht es der erste Blick.  Doch wenn wir die Hand in die entgegengesetzte Richtung springen lassen, dann öffnet sie sich auch zur anderen Seite.  Am Interessantesten wird das bei der Hand, die vordergründig besehen Jesus hält.  Lassen wir sie springen, so sitzt Jesus selbstständig und der Arm kommt wie von links ins Bild und  die Hand ist ist nur mehr offen. Offenheit und Empfänglichkeit sind Haltungen, die im Üben wachsen.  „Offene Weite und nichts von heilig,“ heißt es bei Boddhidharma.   

 


 

Raum schaffen - Den Samen des Neuen bergen

 

In der zweiten „Vater Unser“ Bitte heißt es „Geheiligt werde dein Name“. Das klingt für unsere Ohren sehr seltsam. Das Wort „Heiligen“ aber bedeutet in der Sprache Jesus - dem Aramäischen - etwas anders, als unsere vertraute aber nicht immer präzise Übersetzung des „Vater Unsers“ aus dem griechischen. Dort steht „Netkadesh“. Das bedeutet eben auch „Raum schaffen“. Raum bereiten, Tempel des heiligen Atems werden, so nennt es später Paulus in seinen Briefen. 


Ein möglicher Lebensraum entsteht auch auf der Ikone bei unserer Maria mit den drei Händen. Zwischen den drei Händen in der Mitte des Feldes, das sie eröffnen, liegt  ein leerer Raum, Herzbereich und Beckenbereich, Atemraum.  Und der Engel Gabriel hat Maria auf die Frage „Wie soll das gehen?“ bekundet, wie die nicht aktiv betriebene, aber anstehende Geburt vonstatten geht: Heiliger Atem wird über dich kommen, höchste Energie dich überschatten. Es geschehe, spricht Maria. "Es geschehe!" heißt, wir bleiben passiv, aber wir bieten Raum an. Sammlung und Leere: Raum bereiten. Der leere Atemraum in uns wird so zur Geburtshöhle neuen Lebens, nicht an uns vorbei, wie ein fremdbestimmter Auftrag, nicht ohne uns, wie eine Vergewaltigung, sondern in uns und mit uns und durch uns. Nur mit unserer freien Zustimmung und im Maße unseres „JA“ entsteht neues Leben.   

 

Die goldene Blüte in der Mitte deutet es an: Es darf etwas in uns befruchtet werden. Es wird so etwas in uns wachsen und aufblühen. Dieser Vorgang ist ein zarter und unscheinbarer. Er entzieht sich den Begriffen. Er braucht sanfte Zuwendung. Er darf nicht verstört und verletzt werden. Es braucht Zeit und Geduld. Stets von Neuem bereiten wir den Raum.  


  

In einer schönen Weise sprechen auch die Hände davon: Man kann ihre Haltung nämlich auch so lesen: Sie berühren den Herzbereich in der Höhe der Brust. Sie spüren den eigenen Takt, den Herzschlag. Sie berühren den Bauchraum, schützen und fühlen hin zum neuen in ihm gezeugten und  wachsendem Leben. Das geben uns die Hände der Maria mit: Das neue Leben in uns braucht Zuwendung, Pflege, Berührung, Schutz, Sorgfalt, Zartheit und Berührung, damit es nicht vom Alltagslärm zugemüllt wird.  Es braucht Stille. Wir bereiten den Raum, indem wir unsere Praxis pflegen und immer tiefer Übende werden beim Sitzen und im Alltag. 
 

Der göttliche Samen will angenommen sein, nach innen finden, dort bewahrt, behütet, geschützt, gespürt, zu Herzen genommen werden und aufgehen. „Fiat“, es geschehe, spricht Maria zu der Zumutung des Engels. „Du wist empfangen und ein Kind gebären. Und dessen Name wird groß sein.“  Im Leibe in den Eingeweiden (viscera) wird das Göttliche gezeugt im heiligen Atem. Hier wächst es heran, gewinnt Gestalt und wird spürbare Realität. Nehmen wir das hebräische  Wort für Eingeweide im Singular bedeutet es Mutterschoss und im selben „Erbarmen“.   

Maria die Mutter des Erbarmens wird Gottesgebärerin. Und was der Ikonenbetrachter anschaut, das wird er selber. Das Geheimnis des Menschseins enthüllt sich dem kontemplierenden Betrachter: Gottesgeburt im Menschen. Weg nach innen, das führt zu Empfängnis und Geburten. 

 

  

Die Geschichte der Ikone

Die Darstellung der Gottesmutter mit den drei Händen stammt aus Griechenland. Im 19. Jahrhundert ist sie entstanden. Ikonen sind Abschriften eines vorhandenen Werkes. Die erste dreihändige Maria steht Im Kloster Chiliander auf dem Berg Athos. Das Original soll der heilige Johannes von Damaskus im 8. Jahrhundert gemalt haben. Es war seine ganz persönliche Ikone, vor der oft und gerne verweilte. Damals gab es einen Bilderstreit durch den byzantinischen Kaiser, Leo III., der die Zerstörung von Ikonen anordnete. Johannes war ein glühender Freund der Ikonenverehrung. In Predigten und Schriften wandte er sich gegen das bilderfeindliche Vorgehen des Kaisers. Er blieb widerständig und unbeugsam. Das erboste Kaiser Leo III. so sehr, dass er Johannes verleumdete.  Mit einem Brief, in dem Johannes per gefälschter Unterschrift forderte, den Kalifen von Damaskus abzusetzen, rächte sich Leo.  Der Brief wurde dem Kalifen von Damsakus zugespielt. Das führte dazu, dass der Kalif dem vermeintlich „intrigierenden“ Johannes zur Strafe die rechte Hand abschlagen ließ. Die Legende erzählt, dass Johannes die abgeschlagene und öffentlich aufgehängte Hand erbat und schließlich erhielt. Er trat damit vor seine Ikone. Unter Tränen bat er um Heilung und presste dabei die Hand fest auf die Armwunde. Dann fiel er in eine tiefe Ohnmacht.  Während des Schlafens träumte ihm, wie aus der Ikone eine Hand heraustrat und seine abgeschlagene Rechte mit dem Armstumpf verband. Als er erwachte, war die Hand wieder angewachsen.  In großer Dankbarkeit formte dann eine Hand aus Silber und befestigte diese an der Ikone. Beim ersten Abmalen der Ikone wurde die beigefügte Hand als echte dritte Hand  wohl gemalt und damit ins Bild integriert. Fortan gab es eine neue Ikonenlinie, die Gottesmutter mit den drei Händen auf griechisch: „Tricherusa“. (...) 


Die Ikone erhielt einen besonderen Platz in der Ikonostase des Klosters Chiliander auf Athos, angeblich weil von ihr ein wunderbarer Schein ausgegangen sein soll. Dort verschwand sie jedoch regelmäßig und wurde jeweils auf dem Sitzplatz des Abtes, der neu gewählt werden sollte, wieder gefunden. Dreima wechselte sie auf mysteriöse Weise den Standort. Als ein Einsiedler das Kloster erreichte, gab dieser eine Erklärung für das Geschehen. Ihm sei Maria erschienen mit der Botschaft, sie selbst werde ab sofort als Äbtissin das Männerkloster leiten.  Tatsächlich wählte man ab diesem Zeitpunkt keinen Abt mehr und das Gnadenbild der Tricherusa steht bis heute noch auf dem Platz des Abtes. Auch im Speisesaal hat man eine Tricherusa auf den Platz des Abtes gesetzt. Verheerende Brände überlebte die Ikone schadlos. Ihr  wird auch heute noch Heilkraft zugeschrieben. (...)  

  

 

 

 

 

 

 

 

 

Dein Atem - mein Atem, Kostproben aus den Impulsen der Stillen Tage

 

11.-15. Mai 2016 Kloster Engelthal

 

 

 

ACHTSAMKEIT UND ATEM 

 

 

(...) Üben wir Achtsamkeit, so beginnen wir das Leben in einer größeren Intensität zu verkosten. Denn immer, wenn wir weg sind, wenn wir nicht bei uns sind, schreiben wir ein Kapitel unseres Lebens, über dem „verloren“ steht.  Wer nicht wirklich da ist, sondern nur in Gedanken, der lebt sehr bescheiden.  Selten merkt er das. Eigentlich ist das eine armselige Weise von Leben, wenn es nur Gedankengedudel gibt und wir selber darin nur in Gedanken und nicht wirklich vorkommen. Jeder Augenblick darf meiner werden. (...)

    

In wirklich allem, was wir tun, können wir uns in Achtsamkeit  üben. Und sind wir achtsam, können sogar die ganz gewöhnlichen Dinge zu einer "besonderen" Sache werden.  Dann wird das Gewöhnliche zum Heiligtum, das Schlichte zu etwas Großartigem, das Einfache gewinnt eine Schönheit ohnegleichen. Alles, was wir vollständig und nicht nebenbei vollziehen, hört auf eine tote, maschinenmäßige und von uns getrennte Handlung zu sein.

 

Achtsam findet sich ein neuer und angemessener Tonus. Wir leben eu-tonisch.  Wir bleiben tendenziell gesund. Nicht zuletzt werden wir überrascht merken, wie sehr unsere Lebensfreude wachsen kann, wenn wir nicht nur ab und zu da sind, sondern unsere Präsenz ausweiten auf möglichst jeden Augenblick und jeden Atemzug, so als wollten wir keinen einzigen verpassen. Wir tun uns selber und unserer Lebensqualität einen großen Gefallen.

 

Unser Leben hört dann irgendwann auf, aus verpaßten Möglichkeiten zu bestehen. Ob wir in ein erfülltes Dasein finden, das liegt gewiss sehr daran, ob wir es lernen, achtsam zu werden und achtsam zu bleiben.  In konflikthaften Situationen ist das am Schwierigsten. Im Grunde aber ist das recht einfach: Wir brauchen uns nur ins „Jetzt“ zurück zu rufen, sobald wir weg sind:  Jetzt, jetzt, jetzt! Ganz da! Ganz wach!   


Achtsamkeit bedeutet, das Bewusstsein für die gegenwärtige Wirklichkeit wach zu halten. Das üben wir beim Zazen, aber nicht nur da. Unser ganzes Leben, unser gesamter Alltag ist ein geeignetes Übungsfeld. Wir müssen auch nicht erst Stille Zeiten abwarten. Wer wirklich sein Bewusstsein fürs Dasein im Augenblick wach halten will, der kann auch im Stau auf der Autobahn und mitten im Geschäft Achtsamkeit üben. 

 

 

 

Achtsamkeit ist eine wirkliche Kunst. 
 

Aber man braucht dafür nicht begabt zu sein. Jeder und jede kann sie lernen. Achtsamkeit ist wie gesagt der Mittelpunkt unseres Übungsweges. Achtsamkeit ist die Fähigkeit, in jedem Augenblick unseres täglichen Lebens wirklich präsent zu sein. Im Sanskrit heißt Achtsamkeit smrti, auf Pali sati. Achtsamkeit ist eine Art von Energie, die jedem Menschen zur Verfügung steht. Wenn wir sie pflegen, wird sie stark, wenn wir sie nicht üben, verkümmert sie. Der Samen der Achtsamkeit schlummert in unserem Bewußtsein, und wenn wir uns täglich gut um ihn kümmern, wird er wachsen und kräftig werden. Achtsamkeit läßt uns erkennen, was im gegenwärtigen Augenblick in uns und um uns herum wirklich geschieht. Jeder kann es lernen, achtsam zu sein.

 

Zum Beispiel: Ich halte ein Glas Wasser in der Hand. Meistens bin ich mir dessen nicht gar nicht bewußt. Ich kann es mir aber auch voll bewußt klarmachen, daß ich ein Glas Wasser in der Hand halte. Dann übe ich Achtsamkeit beim Halten. Wenn ich einen Schluck Wasser in Achtsamkeit trinke, ist mein Geist auf nichts anderes als auf dieses Trinken gerichtet. Wir alle trinken mehrmals am Tag, selten aber in Achtsamkeit, weil unser Geist meist mit ganz anderen Dingen beschäftigt ist.

 

Wir müssen es üben, alles, was wir tun oder hören oder fühlen in dem Augenblick des Entstehens achtsam zu registrieren Achtsames Atmen heißt, mit unserem Geist bei nichts anderem zu sein als bei unserem Ein- und Ausatmen. Ich atme ein und ich weiß, daß ich einatme. Ich atme aus und weiß, daß ich ausatme.Ich bin da, hundertprozentig bei mir selbst Körper und Geist sind eins, und die Energie der Achtsamkeit bleibt ganz beim Einatmen und beim Ausatmen. Ich kann meinem Atem zulächeln.

 

Übe ich Gehmeditation, so werde ich mir jedes einzelnen Schrittes bewusst. Und jeder  Schritt verschafft mir inneren Frieden und Freude und Kraft. Mein Geist ist ganz auf das Gehen gerichtet. Ich höre auf zu denken. Es gibt keine Gedanken mehr. Da ist nichts anderes mehr, als eins zu sein mit jedem einzelnen Schritt. Es ist genauso wie beim Ein- und Ausatmen. Ich bin eins mit meinem Atem. Wenn ich sitze und achtsames Atmen praktiziere, denke ich überhaupt nicht mehr. Denn wenn ich denke, geht mir die Bewußtheit von dem, was im gegenwärtigen Augenblick da ist, verloren. Ich denke, also bin ich nicht voll da.

 

Meditieren heißt, ganz präsent zu sein, unerschütterlich, Körper und Geist vereint. Deshalb definiere ich Achtsamkeit gern als die Energie der vollkommenen Präsenz. Vollkommene Präsenz ist die Grundvoraussetzung für wirkliches Leben, denn wenn du nicht hunderprozentig bei dir bist, geht das Leben an dir vorbei.

 

Im Bhaddekaratta-Sutta lehrte der Buddha, daß Leben nur im gegenwärtigen Augenblick wirklich erfahren werden kann. Er sagte: ,,Laufe nicht der Vergangenheit nach. Verliere dich nicht in Sorgen um die Zukunft. Die Vergangenheit ist nicht mehr. Die Zukunft ist noch nicht gekommen." Das Bhaddekaratta-Sutta ist der älteste Text, der von der Kunst des Verweilens im gegenwärtigen Augenblick spricht. Weise Menschen ruhen fest im gegenwärtigen Augenblick und erleben ihn tief, indem sie Achtsamkeit üben. Das ist sehr wichtig. Du hast eine Verabredung, eine sehr wichtige Verabredung mit dem Leben. Und diese Verabredung findet im gegenwärtigen Augenblick statt. Denn Leben ist nur im gegenwärtigen Augenblick verfügbar. Wenn du ihn verpaßt, verpaßt du deine Verabredung mit dem Leben. Das ist einfach, das ist klar."


Aus: Schritte der Achtsamkeit, Ein Reise an den Ursprunge des Buddhismus,   

von: Thich Nhat Hanh, S. 19-20

 

 

 

 

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SPAZIERGÄNGE MIT DER RUACH 


  

„Atmet Gott?“ - Eine Kinderfrage. Wie sähe unsere Antwort aus? Gott ist doch anders und kein Mensch.  Können wir daher ein menschliches Geschehen auf ihn übertragen? „Atmet Gott?“ Als Bischof Kamphaus von einem achtjährigen Mädchen so befragt wurde, antwortete er:   

„Natürlich atmet Gott! Das ist der Grund, warum wir atmen und aufatmen können.“

(Franz Kamphaus, Zwischen Nacht und Tag, S. 123).

Gott atmet. Gleich wie wie man die Frage beantwortet: Auf jeden Fall sieht die hebräische Bibel Gott als Atemgeber. Und sie sieht Gott als Atemnehmer.  Leben und Tod kommen aus Gott. Der jüdische Gebetsschatz formuliert es bezeichnend:   


Der Atemnehmer

„Nimmst du ihnen den Atem, so schwinden sie hin und sinken zurück in den Staub.    


Der Atemgeber

Du sendest aus deinen Geist und sie werden geschaffen.   

Und das Angesicht der Erde erschaffst du neu!“   


  

Ps 104,29-30.   


  


  

Leben und Sterben


Damit sind wir bei einer ersten Auskunft. Was wir heute Heiligen Geist nennen, hat seine Wurzeln in der jüdischen Tradition.  Es ist die Ruach – wie sie im Hebräischen genannt wird – die das „Lebendigwerden“ wirkt. Ruach, die belebende Kraft: Vivificantem. Wird diese Lebenskraft entzogen, so sterben wir.  Das ist ein Grundgeschehen unseres Lebens, das sich im eigenen Atmen abbildet. Das erste Einatmen des Neugeborenen nach der Entbindung heißt: Ich lebe und ist manchmal voll Schmerz über den Abschied von der geliebten Höhle.  Und bei Sterbenden kann es geschehen, dass der Atmen langsam verlischt, so dass man oft den letzten Atemzug nicht mehr merken kann, so fließend gestaltet sich manchmal der Übergang, wie ein sanftes Gleiten bis mit dem letzten unmerklichen Atemzug das Leben ausgehaucht wird. Manchmal tritt ein Friede ein. Manchmal entspannen die Gesichtszüge. Manchmal wirkt das Antlitz wie von innen beleuchtet, klar und lichtvoll. Sterben und Leben auch hier nah beisammen. Einatmen und Austamen: Ich lebe. Ich sterbe. Wenn wir  automatisiert atmen und konzentriert arbeiten, tritt das Atmen in unserer Wahrnehmung meist zurück. Wir merken es garnicht oder nur, wenn wir außer Atem kommen, wenn der Atem stockt, wenn es keine Luft mehr zum Atmen gibt.   


  

Im Alltag ist uns der Atem wenig bewusst. Da steht uns diese ergreifende, elementare Botschaft des Atmens, die Nähe von Geburt und Tod, leben dürfen und Sterben müssen, garnicht vor Augen. Bei Stillen Tagen ist das ganz anders. Hier üben wir durchgängig mit dem Atem. Auch in den Intervallen sind wir gehalten, im Atem zu bleiben. Wenn wir also im Atmen Achtsamkeit begegnen, werden wir merken, dass wir in diesem basalen Vollzug innig verbunden sind mit Leben und Sterben und das ohne Angst. Lässt die Achtsamkeit nach, kann direkt Angst entstehen.

 

Selbstverständlich tun wir dies, ohne über den Atem nachzusinnen und groß daran zu denken. Wir atmen nur.  Wir bedenken nicht das Atmen. Atmen wird so zur Einübung in Wirklichkeit: Realisation. Realisation von dem, was ist,  beginnt beim Leib mit seinen Zellen, Organen und Abläufen und wirkt über unseren Leib in alle Räume unseres Menschseins „bis in der Seele Grund“, wie es im Pfingsthymnus heißt. Mit dem Atem geschieht auf diese Weise auch die Entdeckung und Einübung einer damit verbundenen Haltung: Leben annehmen und Leben sein zu lassen. Wir üben das Annehmen und das Loslassen. Ein großes „Ja!“ zu beidem: Achtsames Atmen führt zum Einklang mit der Wirklichkeit.   

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Ruach ist nicht von uns getrennt: Dein Atem - mein Atem


Unser Verstand macht im Nachdenken eine trennende und manchmal polarisierende Differenz zwischen meinem eigenen Atmen und dem heiligem Atem, zwischen mir und Gott, zwischen Zeit und Ewigkeit, zwischen Himmel und Erde. Sprache legt auseinander und stellt gegenüber. In unserer Erfahrung jedoch gibt es nicht zwei verschiedene Atemtypen, eine himmlische und eine irdische, eine eigene, die mir ist und eine heilige, die über mich kommt. In der Erfahrung gibt es nur einen einzigen Atem. Im Hier und Jetzt gibt es auch nur eine einzige Atemqualität, die jetzige nämlich. In diesem einen Augenblick, - ein  einziger Atem. Die Atemweise wechselt: Atem ist mal stark und mal schwach, mal zart und mal fest, mal ruhig und mal unruhig, mal schnell und mal langsam, mal tief und mal flach, mal frei und mal unfrei, mal fließend und mal gehemmt, … doch jetzt, in diesem Augenblick gibt es nur einen einzigen erfahrbaren Atem.  


Unser intuitives Spüren mag nicht wie das Denken unterscheiden zwischen Heiligem Geist und meinem Atem. Es lebt im innigen Zusammenhang, es nimmt Ganzheit wahr, die bis in die Einheitserfahrung reicht. Ganz eins! Eines nur! Ungeteilt! Völlig da! Im Einklang.  Eine Seite unseres Hirns tendiert zu solch ganzheitlichem Sehen. Polarität und Einssein, beides gehört zu unserem Leben. Beim Üben lösen wir nicht die polare Wirklichkeit auf. Es ist nicht unser Ziel, das Autofahren zu verlernen und das Denken zu entwerten.  Aber es tritt eine komplementäre Erfahrung hinzu. Sie heißt ganz schlicht:  Alles ist eins!  Von dieser Basis aus, bewegen wir uns anders in der vielgestaltigen Welt. Und vom Standpunkt der Einheit aus, gestalten wir die Vielfalt anders.  Vielfalt in Einheit (Elohim in Jahwe). Im Üben lassen wir die mentalen Unterscheidungen zwischen dem Körpergeschehen „Atem“ und dem „Atmen meiner Seele“ (zwischen Körper und Seele), aber auch die zwischen Körper und Verstand. Vor allem aber die zwischen eigenem Atem und göttlichem Atem.

 

Damit lehnen wir uns auch an das jüdische Empfinden an, das nur eine von der Ruach belebte Ganzheit von Körper, Seele und Geist kennt. Ein Leben oder Weiterleben eines menschlichen Segmentes wie dem der Seele kennt das jüdische Empfinden nicht.  Das wird im Übergang vom mythischen zum mentalen Bewusstsein eher in der griechischen Philosophie behauptet. Beispielsweise: Die Seele ist unsterblich. Sie sei das Wesentliche. Für das Judentum und die nach ihm das Christentum gibt es nur ein volles Sterben und ein leibliches Auferstehen, einen geeinten, einigen, einzigen, also ganzen Menschen.


Mein Atem – Dein Atem: ein Atem. Beim achtsamen Atmen spüren wir das: Da ist nur ein, einziger Atem und nicht zwei. Es kommt von außen nicht etwas hinzu, wie uns die Pfingstgeschichte mit den Bildern von Feuerzungen, die vom Himmel regnen, suggerieren mag.  Nicht von ungefähr wird jedoch die „eine“ Sprache betont.  „Jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache sprechen.“  Die polare Welt kennt Tausende von sehr unterschiedlichen Sprachen. Beatmet von der Ruach, eins in Gott, da hört auch die sprachliche Trennung auf. Jeder versteht alles.  

 

Die äußeren Bilder der Bibel sind oft anschaulich erzählte innere Wirklichkeiten. Atemqualität, heiliger Atem gar, ist im Eigenen, nicht in der Fremde und im Anderen. Er kommt nie von außen als ein Zusatz – so wie es vom Himmel Zungen regnet - sondern sein Feuer kann sich in mir entfachen, als ein Kerngeschehen.  

 

Heiliger Atem/Ruach bracuht unsere Achtsamkei, hängt aber nicht von unserem Handeln, von unserem Machen ab.  Atmen ist und bleibt immer Gnade. Wir können Atmen nicht herstellen noch können wir ihn anhalten.  Menschlicher Atem-Göttlicher Atem: eine einzige geschenkte Wirklichkeit, eine sich durch Achtsamkeit entfaltende Qualität in uns mit großer Wirkkraft. Lebenskraft, die uns aufblühen lässt. Aufblühen! Jeder weiß das: Das geht über unsere Macht. Jede Blüte öffnet sich von ganz allein, und nur so. Nie, weil wir an ihr rummachen.  Wir schaffen mit dem Üben bloß den leeren Raum, den offenen und empfänglichen Schoß, der ein Aufblühen ermöglicht.

 

 

(...)

 

Aus dem Impuls der Jahresgruppe 27.04.2016

 

 

INTEGRATION UND GANZWERDUNG

 

Anfangen
 

Kontemplation bewirkt eine Öffnung unserer Wahrnehmung. Unser Sehen entwickelt eine feinere Qualität. Wir schauen weiter und tiefer. Wenn wir diesen Prozess pflegen möchten, so ist es wichtig, immer wieder einen neuen Anfang zu machen. Indem wir dies tun, gewinnt unser Üben Verbindlichkeit und wird zu einer alltäglichen Praxis.

 

 

Klärungen
 

Wenn wir mit Anfängergeist üben, entstehen immer wieder Klärungsprozesse. Wir sind nie fertig. Dabei arbeiten wir nicht, sondern lassen dem Atem das Feld. Wir atmen nur. Wir brauchen für die Via purgativa, den Weg der Reinigung, keine Mittel von außen und keinen Schweiß aus innerer Anstrengung. Umgekehrt: Wir dürfen uns entspannen und atmen: wach und achtsam. So entsteht langsam Sammlung. Und Sammlung, weniger Konzentration ist reale Basis für tiefe Klärungsprozesse.

 

Einheitserfahrung
 

Unser Weg führt in die Erfahrung der Einheit. Kommen wir dahin, so wird unser festes ICH locker, beweglich und durchlässig. Wir sind ganz offen und ganz transparent: Wir gewinnen dann Neuland.  Wir schreiten über unser kleines ICH hinaus, und das große ICH Gottes findet uns. Man kann auch sagen: Wir werden was wir sind: Erleuchtete, Buddha. In diesem Prozess werden wir eins mit uns selber und mit Gott. Unser ICH wird frei von Enge und Begrenzung, von Angst und Kleinlichkeit.  Es wandelt sich in das große ICH Gottes hinein.   
  

Vor und neben dieser möglichen Einheitserfahrung laufen vielfältige innere Prozesse. Öffnung und Klärung, Weitwerden und Reinigung kommen nie zum Abschluss. Statt ans Ende zu kommen intensivieren sie sich manchmal, je länger wir üben und uns atmend öffnen. Unser Üben hat eine  enorme therapeutische Wirkung. Integration und Ganzwerdung sind wichtige Stichworte.

 

 

 

 

 

 

 

Integration, Ganzwerdung  und Heilung im großen Atem

 

Um Pfingsten herum, kommen wir mit alten Texten in Berührung, welche das Wirken des großen Atems beschreiben, den die Christen "heilig" nennen.  Veni Creator Spiritus. Komm Schöpfer Geist. Üben heißt, wir stellen wir uns voll und ganz hinein in diesen wandelnden und heilenden Atem.  Wir setzen an bei dem, was uns am Nächsten: Das ist unser Leib. Das ist der Atem. ES strömt in uns ein auf dem zarten Gefährt unseres eigenen Atems, bringt uns in Fluß, öffnet Welten, klärt und reinigt, stärkt und schützt, macht uns ganz und vollständig.   Licht, gute Gaben, Trost, Erleuchtung, Freude, Glückseligkeit, Ruhe in Unruhe, Kühlung in Hitze, lebendiges Wehen, Heilung und Gesundung, Reinigung, Eingießen von Lebendigkeit, Wärme bei Kälte und Härte, Erlösung aus Starre und Steifigkeit, Führung von innen. Eine wunderbare Ermutigung für unser Üben.  


  

Es fällt auf, das der heilige Atem oft komplementär geht: Zum Dunkel gesellt er das Licht, zur Krankheit die Heilung, bei Hitze kühlt er, bei Kälte und Starre wärmt er. Das bedeutet, dass unser Prozess uns immer durch die Wirklichkeit führt mit Blick auf Ganzwerdung. und nicht an der Wirklichkeit vorbei, nicht reduzierend, sondern vervollständigend. Hinzutreten manchmal auch unsere Schatten.  Es gibt kein Paradies auf Knopfdruck, sondern im Zuge unseres Gehens durch die Realitäten unseres Lebens. Das Licht hat nichts besonderes an sich, wenn wir die Nacht nicht kennen. Kühlung ist lästig, wenn wir nicht  unter Hitze leiden. Ruhe hat kein Gewicht, wenn wir die Unruhe nicht spüren.  Wer Krankheit wirklich wahrnimmt, schätzt erst so recht den Wert von Gesundheit. Wer seine Holzwege merkt, der wird feinfühlig und achtsam für innere Wegweisung.

 

 

 

 

 

 

Heilung auf dem Weg der Wirklichkeit


  

Was heißt das? Auf dem Weg des Übens stellen wir uns der ganzen Wirklichkeit.  Wir drängen nichts weg, sondern geben allem seinen Platz, auch den unangenehmen und nicht geliebten Seiten unseres Lebens, allem, was wir nicht an uns mögen, unseren Schatten, allem, was uns Angst einjagt und was wir meiden. „Geh an die Orte, die du meidest“, heißt das Buch einer Zenlehrerin. So geschieht eine Integration. Alles darf dazu gehören.  Wir gehen nicht am Dunkel vorbei, sondern durch das Dunkel hindurch. Waren wir unserer Selbsteinschätzung bisher nur Opfer, so werden wir nun auch Täter. Menschsein heißt Opfer und Täter sein, nicht bloß eines davon.


  

Auf dem Weg des Übens stellen wir uns der ganzen Wirklichkeit. Das kann auch heißen: Es gibt Zuwachs. Wenn sich unser Sehen öffnet und verfeinert, sehen wir uns selber besser. Wir entdecken Seiten uns, die wir nicht kennen oder bisher wahrnehmen durften. Wir geben allem, was wir in uns antreffen den Raum, den es braucht.  Wir wachsen so über unsere bisherige kleine Gestalt in eine große Weite hinaus. Im Grunde nämlich tragen wir die ganze Welt, ja das ganze All in uns. Das Üben wird zur Entdeckungsreise nicht betretener Areale des Lebens:  Es entsteht Lebensraum, ohne dass wir dazu Kriege bräuchten.  So werden wir langsam komplett und ganz und leben nicht mehr halbiert oder laufen auf 5%. Integration und Ganzwerdung sind wichtige Prozesse, die bei allen Übenden laufen. 

 

 

 

 

 


 

Zum Friedensgebet 23.04.



BLEIBET IN MEINER LIEBE - FRIEDEN AUS STILLE

 

 

LIEBE
 

Liebst du mich?“ fragt Jesus den Petrus dreimal in der allerletzten Geschichte des Evangeliums von Johannes. „Bleibt in meiner Liebe!“, das hören wir auch heute.   Liebe: Das ist die Essenz des Christseins, sein wirkliches Zentrum. Es tut uns gut, daran immer von Neuem erinnert zu werden.  Jesus macht das: „Liebet einander!“

 

WORTE

 

Christsein besteht nicht in großen Worten.  „Wenn ich in den Sprachen der Menschen und mit himmlischen Worten redete, hätte aber die Liebe nicht, so wäre ich bloss eine laute Pauke, - Lärm also.“  Ohne Liebe wird Sprache Lärm.

 

WISSEN

Christsein besteht auch nicht darin, viel zu wissen. „Wenn ich alle Geheimnisse wüßte und alle Erkenntnis besäße, hätte aber die Liebe nicht, so wäre ich nichts.“ Ohne Liebe bleibt unser Wissen kalt und ohne Wirkkraft. Wir können es sogar gegen das Leben verwenden.

 

GLAUBEN 

Und Christsein besteht auch nicht darin, dass mein Glauben stark ist. „Wenn ich alle Glaubenskraft besäße, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich nichts.“  Ohne Liebe glauben wir bloss an „etwas“, - halten wir bloß Vorstellungen fest. Liebendes Glauben jedoch wird Hingabe.

 

GUTE WERKE

Und Christsein besteht auch nicht darin, dass ich mich bemühe Gutes tue. Wenn ich meine ganze Habe verschenkte und sogar mein Leben hergäbe, so hat das keinen Nutzen. Ohne Liebe bleibt es Aktion und Betriebigkeit.

 

 

LIEBE
 

Das Größte nämlich ist die Liebe!“ Christsein heißt, in der Liebe sein und aus ihr leben. Und wer in der Liebe ist und aus ihr lebt, teilt im Grunde mit uns das Zentrum des Christseins, auch wenn er sich niemals Christ nennen würde. Wir haben nämlich Christus und die Liebe nicht für uns allein.  Die Christuswirklichkeit, die Liebe ist eine universelle Kraft. Diese kosmisch weite Kraft pulsiert im Weben der Evolution. Sie atmet in jeder Zelle unseres Leibes.  Sie bindet die Atome zu Gestalten: Der Stein fällt nicht auseinander. Er wird von der Bindungskraft der Liebe zusammengehalten.  Sie steckt im Kern jeder Religion. Es ist die tiefe Liebe Jesu Christi, die alles Leben treibt, es entwickelt und es wandelt. Sie macht Altes sterben und erfindet neue Gestalten. Allüberall schafft sie neue Wirklichkeit.

 

Zu ihr bringen wir unser irdisches Brot und unseren menschlichen Leib. Auf dem Altar geschieht Verwandlung. Unsere menschliche Liebe wird göttliche Macht, unser Leib wird Leib Christi. Immer tiefer dürfen wir werden, was wir sind: Kinder der Liebe. Liebe ist die innerste Triebkraft allen Daseins und das Herz des dreifaltigen Gottes. Die heilige Hildegard beschreibt sie so: „Liebe durchströmt das All!“ In der Liebe bleiben, das heißt: uns in diese Urkraft stellen. In der Liebe bleiben, das heißt: in Christus sein. In Christus sein: Das ist unspektakulär, und doch weit mehr als äußeres kennen und bekennen.  Wir können jeden Tag damit neu anfangen. Erst die Liebe macht katholisch und weit. Katholizität ohne Liebe wird bestenfalls zum gnadenlosen Servicebetrieb.


  

BLEIBET IN MEINER LIEBE

 

Jesu Aufruf an uns: „Bleibet in meiner Liebe!“ steht unmittelbar nach dem Bild vom Weinstock.  Es ist ein Bild tiefer Verbundenheit von Mensch und Gott. Erde und Himmel sind darin eins. Wir sind Zweige am Lebensbaum. Das macht uns Menschen im Kerne aus.  Wir sind nicht getrennt, sondern verbunden, auch wenn wir dies in dunklen Stunden anders erfahren.  Unsere Erfahrung von Trennung und Verlorenheit ist eine Seifenblase, eine Illusion. In Wahrheit und in Wirklichkeit sind wir in Jesus. „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben.“ In Wahrheit und in Wirklichkeit leben wir aus seiner Liebe. Christsein heißt: Aufwachen aus dem kalten Traum der Trennung und eintreten in diesen warmen Raum der Liebe.  Wir brauchen uns nicht um Liebe zu bemühen. Sie ist eine Gegebenheit. Christsein heißt nicht „Liebe machen“ sondern einfach zu leben, was wir sind: Wir sind Liebe. Das ist die Basis echter Einung und  realer Entfeindung. 


  


  


 

 

Aus dem Impuls Jahresgruppe 19.05.

 

 

MÜLL UND  KOMPOST - REINIGUNG UND WANDLUNG


 


  

Die inneren Prozesse beim Zazen wandeln langsam unsere Lebensmuster. Daher hat Zazen eine solch nachhaltige Wirkung. Entspannung verflüchtigt sich, Zazen aber bildet in uns langsam eine Haltung, die morgen nicht wieder vorbei ist.

Pflanzt du einen Baum, so siehst du sein Wachsen nicht. Dennoch wird er groß, heißt es in einem chinesischen Sprichwort.


Im Gegensatz zu Entspannungsverfahren entfaltet Zazen in uns Bleibendes und wandelt es stets von Neuem. Wenn wir achtmal im Quartal abends in der Gruppe Zazen üben, so ist das ein guter Anfang. Aber es ist ein Anfang vor dem Anfang. Damit das Tor der Stille sich auftut, braucht es ganz bestimmt solches Anfangen, aber auch das Aufhören des Anfangens, das Überschreiten der Selbstbegrenzung, eine Weise der Hingabe, bei der der innere Rechner abgestellt ist, der immer kalkuliert, was gebe ich her an Zeit und Geld und Aufwand. Wir wissen dann von innen sicher, dass es lohnt, dass der Gewinn unseres Einsatzes ein x-facher ist. Wir ziehen nichts mehr der Meditation vor.


Die Wirkungen von Zazen sind außerordentlich und längst noch nicht alle erforscht: Nicht nur unser innerer Druck sinkt und der Kopf wird frei. Vielmehr: Unsere Seele wird gewandelt und wie computertomographische Aufnahmen von Zen-Mönchen zeigen, wird sogar unser Hirn umgebaut. Kontemplieren ist hoch wirksam,  ohne Eingriffe von außen  und ganz ohne Medikamente. Sie ist trotzdem nicht frei von Nebenwirkungen. Aber die Nebenwirkungen sind angenehm. Unsere Kollegen, Freunde und Partner erleben uns offener, achtsamer, zugewandter und liebevoller.

 

Zazen löst langsam Muster, die das Leben behindern. Früher hat man daher in der christlichen Mystik vom „Weg der Reinigung“ gesprochen. Auf dem Weg der „via purgativa“ wird ausgeräumt, was uns innerlich den Weg verstellt. Unser einziges Reinigungsinstrument ist der eigene Atem. Diesen automatischen Scheibenwischer, den Atem haben wir zum Glück immer dabei. Er läuft immer mit, - wir brauchen keinen Gebetsteppich und eigentlich nicht einmal ein Kissen zum Üben.  Sind wir beim Atem und nicht sonstwo, ja sind wir ganz Atem, dann beschleunigen sich die inneren Prozesse. Altes zerlegt sich und Neues baut sich auf.   

 

Altes wird sein gelassen. Das wirkt wie ein Dekonstruktion. Wir hören damit auf, an unseren Lebensgeschichten weiterzuschreiben, sowohl die Schmerzgeschichten wie die Lieblingsgeschichten. Dekonstruktion: Wir hören auf, unsere biographischen Erfahrungen immer von Neuen durch Erzählen innerlich aufleben zu lassen.  Wenn sie hochkommen, so erfahren wir bloss ihre Essenz und tun nichts an Worten dazu. Dadurch endet das ständige denkerische und erzählende Festzurren. Wir verstricken uns nicht mehr ganz so leicht da hinein. Damit verlieren sie ihre Konsistenz, sie lockern sich, werden beweglich, gehen auseinander, buchstabieren sich neu und integrieren sich anders, da wir weniger mit ihnen identifiziert sind.


Das Seinlassen bewirkt also eine Dekonstruktion und dazu eine Desidentifikation.   Wir sind dann nicht mehr unsere Probleme und Geschichten. Auf diese Weise wird der Müll unseres Lebens langsam kompostiert. Der alte Müll wird fruchtbare Erde für Neues: Kompostierung. Christlich gesprochen:  Wir öffnen unsere Hand und all unsere Lebensgeschichten, die wir festhalten, legen wir Gott ans Herz. Wir machen sie nicht weg: Sie dürfen leben, aber in ganz neuer und gelassener Weise.


Wie denken also nicht nach, wir arbeiten nicht, wir brauchen nicht Dreck wegzukratzen und aktiv zu sein.  Wir brauchen keine äußeren Lösemittel. Wir atmen bloss.  Langsam wird die Mattscheibe  unserer Herzen und unseres Geistes wieder klar und durchsichtig. Letztlich können wir die Wandlung nicht bewirken, sie geschieht von allein. Ein schönes Bild dafür ist die Blume, die sich dem Licht öffnet. Wir haben immer von Neuem anzufangen. „Ich mache jeden Tag einen Anfang“. Vollendung erfahren wir aber aus göttlichem Grund. Das ist eine Gnade.

(...)

   
  

 

 

 

 

 

Aus dem Impuls zur Jahresgruppe 13.04. - Zendo

 

 

 

UNTERBRECHUNG UND INNERE PROZESSE 


 

VOM FRUST UND DER LUST AN UNTERBRECHUNG

 

Beim Meditieren beginnen innere Prozesse.  Menschen, die an einem Zen-Sesshin teilnehmen, also eine Woche lang am Stück üben oder sich wenigstens einmal einen ganzen Tag der Stille gönnen, können diese inneren Vorgänge manchmal deutlich bemerken.  Das bedeutet jedoch nicht, dass man immer genau beschreiben kann, was gerade läuft und innerlich passiert.  Es ist ein Paradox des inneren Weges, dass immer viel läuft, wenn nichts läuft.  Wenn man zu merken glaubt, dass „nichts“ läuft, kann das Enttäuschung oder den Druck einer hohen Erwartungsspannung hervorrufen.  So sind wir geprägt: Es hat zum Ersten immer was zu laufen und zum Zweiten, muss immer etwas laufen, was ich auch mitkriege. Im Zazen ist das nicht so. Nicht jeder hält die damit einhergehende Frustration und dieses "Not knowing" aus. Nicht jeder freundet sich anfangs mit diesem verrückten Widerspruch an, dass Leere Fülle ist, oder dass ganz viel abgeht, wenn für mein Gespür „tote Hose“ ist.  

 

Macht man jedoch eine Erfahrung dieser Art, beginnt man zu verstehen und diesen Weg zu lieben. Natürlich ist Zazen für jedes Ego, dass immer etwas wissen, erzählen, fühlen, begreifen, wollen und tun will, eine echte Herausforderung, wirkt manchmal wie ein voller Entzug. Gleichzeitig jedoch erleben viele dies ganz unmittelbar als Riesenentlastung und absolut wohltuend: Endlich einmal Freiwerden vom Funktionieren und vom kognitivem und emotionalen Stress: Einfach„nur“ da sein. Der Wert von Zazen erweist sich genau in dieser radikalen Unterbrechung. Deshalb ist Zen "light", also ein bisschen Stille, kein echtes Zen.

 

Wir unterbrechen unseren Alltagsmodus beim Zazen ganz radikal.  Und das ist im Grunde bereits das Entscheidende, was wir zur Übung dazu tun können. Ein ernsthaftes, ein freies, ein entschiedenes „Ja!“ zur Unterbrechung zu sprechen. Tun wir das nicht, ist unser Sitzen kein Üben. Sitzen wir ohne diese Klarheit und ohne gute Spannung und Ausrichtung, so fahren wir in der Regel im Alltagsmodus weiter.  Wir machen bloß „ mehr desselben “, mehr vom sowieso gewohnten und gekonnten. Wir schwätzen innerlich weiter. Wir sitzen dabei still. Es sieht aus wie Zazen, aber wir üben gar nicht. Das ist kein Grund, uns abzuwerten oder aufzugeben. Das passiert jedem auch nach Jahrzehnten der Übung. Sobald wir merken, wir sind wieder im Alltagsgeschäft befangen, so unterbrechen wir uns einfach von Neuem und richten uns einfach nochmals kraftvoll und vollständig aus, indem wir alles, was uns beschäftigen will, ruhen lassen und uns wiederum im Atem sammeln.

 

 

MUSTER BRAUCHEN ERLÖSUNG 

 

 

Gedanken und Gefühle sind viel zu schwach, um unsere tiefen Lebensmuster zu wandeln.  Dies versuchen zu wollen, wäre eine therapeutische Hybris. Nur weil wir Muster erkennen und in ihrer Auswirkung körperlich fühlen, um ihre Entstehung wissen, sie mit Handlungsalternativen beschwichtigen, lassen sich Lebensmuster keineswegs verändern und schon gar nicht lösen, wie das manche gerne sähen.  Wenn wir ihre Hintergründe erforschen, ist das gewiss spannend. Aber sie können, wenn wir um sie kreisen,  auch härter und stärker werden.  Das intensive Bedenken der gewachsenen Sedimente unseres Lebens, löst diese keineswegs auf.  Oft werden sie durch Fokussierung stärker. Bestenfalls kann das Hinschauen zu gelassenem Umgang verhelfen: So bin ich halt. Ein Hingucken und mentales Behandeln - welcher Art auch immer - macht sie nicht durchlässiger. Sie bleiben wirksam, manchmal hartnäckig, oft dominierend. Bewusstheit von unserer biographischen Prägung ist etwas wichtiges und sehr  hilfreiches. Ich glaube jedoch, Lebensmuster kann man durch Hinsehen und durch "Dran arbeiten" nicht lösen.

Unsere Mittel reichen höchstens aus, um Muster ein wenig zu variieren und ihre schlimmsten Auswirkungen zu minimieren.  Zum Lösen von Mustern haben wir viel zu schwache Instrumente. Sie sind außerstande, die Tiefe unseres Lebensgeheimnisses zu erreichen und zu berühren, aus dem Lösungen wachsen, die nachhaltig sind und tragen. Muster brauchen Erlösung.

 

 

MUSTER LÖSEN  SICH VON  INNEN

 

Beim Üben merken wir Lebensgeschichten und wir erkennen Lebensmuster. Sie bilden sich meist auch körperlich ab. Wie geschieht deren Lösung und unsere Erlösung? Indem wir im Üben Tiefe gewinnen, beginnen aus dem göttlichen Grund heilsame Prozesse, die so stark sind, dass sie das gewachsene Lebensgestein von innen bearbeiten.  Erlösung geschieht von innen. Wir gehen ihr mit dem Üben entgegen.  Wir können das Wunder nicht wirken. Aus göttlichem Grund hämmert es am Stein. Manchmal bricht der Stein sogar. Zumindest beginnt er zu bröseln oder weicher und durchlässiger zu werden. Er hört auf, Hindernis und Blockade zu sein.  Wir kommen auf einmal durch. ES kommt durch. Ein Durchbruch!!! Tiefenimpulse erreichen uns und werden durch und in uns wirksam. Langsam tritt neben die Selbstbestimmung und Selbstkontrolle, Führung und Leitung von innen, aus göttlichem Grund. Damit ändert sich die Lebensorientierung fundamental.

 

 

 

 

 

Ausschnitt aus dem Impuls zum Start der Jahresgruppe 06. April - Edith Stein Raum der Stille

 

 

 

EINEN ANFANG MACHEN - AUS DEM ANFANG LEBEN

 

 

Unser 2. Übungsabschnitt - Frühling und Sommer -  hat begonnen. Und wir machen mit dem gemeinsamen Üben wieder einen Anfang.  Einen Anfang machen, das gehört zur Charakteristik unseres Übungsweges, gleich ob wir regelmäßig täglich üben oder nur selten.  Wir sind verliebt ins Anfangen; so buchstabiert sich unser Fortschritt. Mit jedem Sitzen fangen wir stets von neuem an. Mit jedem Zazen beginnt die Schöpfung von vorne. Mit jedem Atemzug, dreht sich die Erde zum ersten Mal.  Dem Augenblick wohnt ein Zauber inne. Der heißt: Ich darf neu beginnen. Mein Leben darf von vorne losgehen. Anfangen dürfen, das beschützt unser Dasein. Es darf nicht fest werden in Gewohnheiten und Mustern. Wir dürfen nicht festfahren, hart und unbeweglich werden. Es darf nicht bloß weiter gehen wie bisher. Wir dürfen beginnen.  Anfangen weckt Wandlung. Der Anfang schützt und hilft dem Leben auf die Sprünge. Er hält es jung und frisch und beweglich und hilft aus zu engen Geleisen.

 

Ich mache jeden Tag einen neuen Anfang. Ein Wort das von Edith Stein stammt, die am 9.8.1942 im KZ vergast worden ist. „Ex oriente lux“, aus dem Osten kommt Licht, soll sie aus dem Zug, der sie mit vielen anderen  in den Tod führte, einer Passantin bedeutet haben. Der Zug fuhr nach Auschwitz-Birkenau.

 

Ex oriente lux:  Aus dem Osten Licht. Das stimmt auf einer sehr elementaren Ebene: Die Sonne geht im Osten auf. Viele Kirchen sind nach der Sonne, nach Osten hin ausgerichtet, von dort erwarten wir sicher Helligkeit und Licht, jeden Tag von Neuem. Und mehr noch: Dort liegen auch die Geburtsstätten der großen Religionen: Judentum, Islam und Christentum. Aus dem Osten kommen Buddha und Laotse, Moses und Christus, Mohammed und Konfuzius und alle die Leuchten des Hinduismus. Nicht nur das Sonnenlicht, sondern auch die Erleuchtung,  das Licht der Wahrheit, das Licht des Lebens kommen von da: Jesus sagt es ausdrücklich: „Ich bin das Licht der Welt.“

 

 

Ex oriente“ aus dem Orient bedeutet aus Osten. Spannend, dass im Wort „Orient“ auch das Wort Orientierung erklingt: Der Orient, der Osten bringt uns Orientierung, nicht nur der große Bär und der Polarstern, nicht der Norden allein.  Tiefer besehen der Osten! Ein spiritueller Weg orientiert uns beständig am Osten, denn er lädt uns, ein Menschen des Morgens zu werden, das heißt christlich bekundet "österlich" zu leben.  Österlich leben, heißt morgendlich leben, heißt den Tag als neuen Anfang zu begehen. Das ist etwas ganz anderes, als in den Tag mit einem Stöhnen hineinzurutschen. Aber auch das "machen" weist in eine fragwürdige Richtung: Im Zen wie in der Kontemplation wissen wir aus Erfahrung: Das kann man gar nicht machen. Wir üben, damit wir dieses Geschenk des neuen Anfangs annehmen können.

 

Morgens, jeden Tag neu beginnen, anfangen. Das ist eine wirkliche Lebenskunst. Jeden Tag einen neuen Anfang machen, das ist nicht so einfach. Das fällt uns nicht in den Schoß.  In der Regel müssen wir das üben, uns daran erinnern, es beständig tun, damit es in uns einsickert und wir es existentiell zu realisieren beginnen.  Zweimal im Jahr im Urlaub über den Sonnenaufgang zu staunen, das ist schön, aber etwas anderes, als  jeden Tag innerlich als eine neue Geburt allen Lebens zu feiern.  Es kann helfen, sich am frühen Morgen eine Zeit zum Sitzen in Stille einzurichten, oder den Tag mit der "Laudes", dem "Lob" zu beginnen. (...)

 

Den Morgen eines neuen Tages zu begrüßen, das bedeutet seine Frische, seine Klarheit, seine Stille, seinen Frieden und seine Schönheit zu inhalieren. Den Morgen zu begrüßen, das macht ihn zum Jungbrunnen für uns selber. Wer sich den neuen Tag so aneignet, dem wird er zu eigen, er selbst ein Kind des Anfangs. Indem wir uns dem Licht öffnen und unsere Gedanken sich nicht verknoten zu dicken Paketen, die sperrig im Wege stehen, beginnt die Gnade des Anfangs uns einzuleuchten, ganz von allein.

 

 

 

 

 

 

EXERZITIEN IN DER KARWOCHE – WEG DES HOLZES 

 

MONTAG

FESTIGKEIT UND BEWEGLICHKEIT        Ausschnitt

 

 

Festigkeit - Holz vom Montag

               

 

Ermutigung - Biermann


Du, lass dich nicht verhärten
in dieser harten Zeit.
Die allzu hart sind, brechen,
die allzu spitz sind, stechen
und brechen ab sogleich.

   

   

 

 

 

 

Im Leben brauchen wir beides: Festigkeit und Beweglichkeit. In der Übung des Zazen trainieren wir beides: Weich zu sein wie reine Seide und hart wie scharfer Stahl. 

Damit ist kein Mittelmaß gemeint, also ein bisschen weich und ein bisschen hart, sondern ein Extrem: Wir üben, um ganz flexibel zu werden und um ganz fest zu werden. Festigkeit und Beweglichkeit, Stärke und Schwäche, Hartes und Zartes sind keine Lebensalternativen. Wir üben beides in einem zu sein, und dies möglichst vollkommen: Festigkeit in Beweglichkeit und Beweglichkeit in Festigkeit. Das will gelernt und geübt sein. Beides also: Ganz fest und ganz weich.

 

Für die Weichen bedeutet es vielleicht, deutliche Kontur und mehr Profil zu zeigen, klarer und eindeutiger zu werden, für die Harten heißt es durchlässig und empfänglich zu werden, mit offenem und weiten Herzen zu leben. Es braucht die sanft-gewundenen Wege der Käfer und die offene Weite des Herzens und ebenso den scharfen, zentrierten Axthieb, der Holz spaltet. Sobald wir uns auf eine Seite spezialisieren, reduzieren wir uns selber.

 

Härte meint keinesfalls Verholzung oder Verhärtung, aber Klarheit, Eindeutigkeit, Geradheit, Aufrichtigkeit, Festigkeit, Stärke, Ehrlichkeit.  Weichheit meint  nicht Schwammigkeit und Diffuses aber sehr wohl Flexibilität, Offenheit, Zugänglichkeit, Durchlässigkeit und eine gute Nachgiebigkeit. Wir üben einmal, um weich wie reine Seide zu werden. Seide wird aufbereitet, indem sie viele  Male gewaschen wird, bis die Fäden weiß werden und weich genug sind, um sie zu spinnen.  Wir üben auch, um Härte und Stärke zu gewinnen. Stahl hämmern wir, während er rotglühend ist. Dies geschieht beim Üben nicht, um ihn zu verformen und zurecht zu biegen auf eine gewünschte Gestalt: Wir schmieden nicht. Wir schlagen ihn mit dem Hammer, um ihn zu stärken.  So gewinnt er Härte. So wird der scharfe Schlag des Schwertes möglich, der zwingend ist, ohne dass die Klinge springt. Scharfer Stahl schafft klaren Schnitt  und weiche Seide lädt zum innigen, durchlässigen und lebendigen Dasein.

 

 

 

 

 

 

 

DIENSTAG

ERDUNG - ÖFFNUNG  - WANDLUNG

 

 

LEICHTIGKEIT UND TANZ                                                             Ausschnitt

 

 

 

Aufrecht steh wie ein Baum

 

Aufrecht stehn wie ein Baum, spürn den Wind wie ein Baum,

hoch hinaus, dicht ans Licht , mich zur Sonne drehn. 

Endlich weit werden, mich nicht selbst mehr binden, endlich durchatmen, Enges überwinden, frei und schön wie ein Baum aufrecht stehn.

Endlich stark werden, mich nicht selbst mehr schwä

chen, Atem anhalten, stehen und nicht brechen, stark und fest wie ein Baum aufrecht stehn.

Endlich reich bleiben, mich nicht selbst beschneiden, reichlich einatmen, bei mir selber bleiben, reich und bunt wie ein Baum reich und bunt.

Endlich "ich" sagen mich nicht anders machen, Atem loslassen, mit mir selber lachen, einzig wert wie ein Baum, einzig wert. 

 

T./M. Christiane und Bernhard, Herbst 1988

 

 

 

 

Zazen ist ein Weg der Wandlung. Wandlung geschieht dabei selbsttätig. Für einen großen Wandlungsschritt, braucht es manchmal einen langen Anlauf.  Oft mag uns das lange Sitzen dann trocken und ohne rechten Ertrag erscheinen. Das darf uns nicht vom Üben abhalten. Wenn man einen Baum pflanzt sieht man sein Wachsen nicht: Dennoch wird er groß. Manchmal besteht Wandlung in einer sanften Entwicklung, die geschieht wie das Wachsen eines Baumes. Nicht selten sind mühsame Phasen der Anlauf zu einem qualitativen Sprung.  Langsam bildet sich Atemzug um Atemzug eine kritische Masse. Und auf einmal öffnet sich etwas. Dann kommt es vor, dass wir uns neu erfahren oder etwas, was uns bisher verschlossen blieb sich auftut.

Viele Menschen erleben dies als einen Vorgang der Öffnung.  Nicht immer geschieht er beim Üben selbst. Manchmal bei einem harmlosen äußeren Anlass, beim Yoga, beim Arbeiten, beim Essen, beim Spazierengehen, beim Autogenen Training oder in Trance, manchmal auch unmerklich.

 

Wandlung geschieht dennoch nie ohne uns. Es braucht ein Maß der eigenen   Hingabe.  Das Stocksteife, die negative Verschlossenheit und Verholzung, die Selbstkontrolle, das Gefühl von etwas abgeschnitten zu sein, dürfen sich langsam auflösen, Atemzug um Atemzug. So werde ich frei von innerer Beengung und offen für einen Prozess der Selbstwerdung. Es öffnet sich, weil wir endlich „sein lassen“.  Tausendmal haben wir das gehört, das „Seinlassen“.  Irgendwann geschieht es, dass ich ganz sein lasse und dann passiert es.  Ich erreiche ein nie betretenes Land. Ich freue mich und es schüttelt mich gleichzeitig, wenn meine kleine Welt auf einmal so wunderbar groß wird. Das neue Lebe fühlt sich an wie ein neuer Planet, ein neues Universum.

 

Hingabe ist im Grunde ein Nicht-Handeln.  Wandlung geschieht nicht im Rahmen eines selbst gesteuerten Arbeitsprogrammes sondern im Zuge eines schwerelosen Sich-Einfindens in das längst laufende Abenteuer Wirklichkeit, jenseits unseres Machens und Wirkens. Wandlung im Zuge der Hingabe, als ein sich Mitnehmen lassen vom Atem des Lebens, ein sich Einlassen auf den Fluß des Lebens, ein sich Führen lassen nach „Ich weiß nicht wohin“.  (...)

 

"Gib, dass wir unser Dasein leben nicht wie ein Schachspiel, bei dem alles berechnet ist, nicht wie einen Wettkampf, bei dem alles schwierig ist, nicht wie einen Lehrsatz, bei dem wir uns den Kopf zerbrechen, sondern wie ein Fest ohne Ende,  bei dem man dir immer wieder begegnet, wie einen Ball, wie einen Tanz, in den Armen deiner Gnade, zu der Musik allumfassender Liebe."

 

Madeleine Delbrel

 

 

 

 

MITTWOCH

TRANSZENDENZ - LICHTBLICK - AUFERSTEHUNG

 

 

 

AUFERSTEHUNG DES FLEISCHES

 

„Auferstehung des Fleisches“, so heißt eine zentrale jüdisch-christliche Vorstellung von Transzendenz. Transzendenz meint hinübergehen, hindurchgehen, über etwas hinausgehen. Transzendenz gibt es auch im Buddhismus. Die letzten Verse des Herzsutras - wie sie hier im Raum hängen - erzählen davon:

 

GYA TEI GYA TEI HARA GYA TEI HARA SO GYA TEI.

Übersetzt heißt das:

Lasst uns hinausgehen, alle gemeinsam, darüber hinaus und noch jenseits des "Darüber-hinaus".

 

Auferstehung des Fleisches meint etwas ganzheitliches, so wie auch unsere Übung des Zazen ganzheitlich ist. Beide betreffen nicht nur einen seelischen oder geistigen Bereich. Für beide steht der Leib im Zentrum. Zazen beschreibt und meint ein körperliches Geschehen, das von dort aus hinaus greift in alle Bereiche unseres Daseins und darüber hinaus. Auch Auferstehung des Fleisches meint uns als ganze Menschen, sowohl die Falten unseres Gesichtes, die Schmerzen im Rücken, unsere biographischen Prägungen, unsere seelischen Muster und Verletzungen, wie das nicht disponible transzendente ES, was Jesus "Vater" nennt.  In der Auferstehung des Fleisches wird nichts abgespalten oder zurückgelassen. Es meint uns als Ganze, mit allem, was zu uns gehört; Auferstehung ist fleischlich gemeint.

 

Davon verschieden ist das griechische Bild der Philosophie, wo eine Seele aus dem toten Körper aufsteigt, der Leib zurückgelassen und der Geist des Menschen sich mit Gott eint. Eine Vorstellung von Trennung also.

Auferstehung des Fleisches meint gewiss nichts magisches, als ob nun die Leichen aus dem Grab aufstehen. Die materielle Seite unseres Leibes, unser Körper, der zerfällt und verwest. Er teilt das Schicksal allen Lebens.

Leib jedoch beschreibt die Ganzheit unseres Daseins, auch alles was uns und unseren Körper gekränkt, verbogen, verletzt und verwundet hat. Der Leib wird mit hineingenommen in das neue Leben der Auferstehung. Der auferstandene Jesus erscheint den Seinen in anderer, aber leiblich bestimmter, lebendiger Gestalt.

 

HEILIGES DURCHEINANDER

Das verrückte an Jesus ist, dass er ein heiliges Durcheinander beschert. Des Menschen Sohn ist jetzt Gottes Sohn, die Erde unmittelbar zum Himmel. Eins steht nicht mehr gegen Anderes, sondern geht ineinander mit dem Anderen.  Himmel in Erde, Mensch in Gott. Die vorher sorgsam separierten Teile rücken untrennbar zusammen und bilden eine Einheit. Für seine Zeitgenossen war das eine Gotteslästerung (Blasphemie). Bei Jesu Kreuzigung zerreißt im Tempel der Vorhang, der das Allerheiligste trennt vom Bereich des Säkularen: Heiliges und Säkulares sind nicht mehr geschieden. Der Himmel küsst die Erde, aus Erde wird Gott geboren. Tod und Leben, Gott und Mensch sind nicht mehr nebeneinander sondern ineinander: Sie bilden ein zusammengehöriges Ganzes und ein heiliges Durcheinander. Des Menschen Sohn und des Menschen Tochter sind nun Gottes Sohn und Gottes Tochter. Geheiltes Leben entsteht nicht erst nach dem Tode, sondern bereits mitten im irdischen Dasein. Gott bleibt nicht jenseits, sondern macht sich leer (kenosis) all seiner Göttlichkeit und wird irdisch, "Mensch ohne Rang und Namen." (Zen)

 

 

 

 

DONNERSTAG

VERLETZUNGEN

 

 


   

Trauerfalter Göttin

 

Und wenn ich wein,

dann weine ich.

Und nichts und niemand

nimmt mir dann den Schmerz

Und wenn ich wein,

dann weine ich.

Du gibst die Tränen mir dazu.

 

Göttin du

dunkel dein Gesicht , Göttin du tiefe Macht, Trauerfalter,

schwarze  Nacht.

 

Göttin du

Helligkeit und Licht,

Göttin du,

Glanz und Tag,

Freudenfeuer,

starke Kraft.

 

T./M.: BS, 1989

 

SPÜREN – EIN WEG

 

Wo Leben, ist das gibt es auch Verletzung.  Jeder ist davon betroffen. Manches davon  lassen wir abprallen. Manches verwinden wir schnell.  Anderes macht offene Wunden und kein Verband nutzt.  Neben kleinen Blessuren, gibt es Verletzungen, die unser Zentrum erschüttern, Verletzungen, die bis ins Mark reichen, Verletzungen, die unseren Lebensnerv treffen.  Verletzungen, die uns das Herz brechen: Kernverletzungen.

Kernverletzungen sind immer Drama und Trauma.  Und doch gehören sie zur Normalität des Lebens.  Niemand ist ohne.  Solche Verwundungen unseres Herzens tragen verschiedene Namen. Das kann ein Scheitern sein, ein Verlust, ein Abschied, das Vermissen von elementaren Qualitäten: Gesehen  und gehört zu werden, aber auch ein Schicksalsschlag, eine schwere Erkrankung. Kernverletzung kann darin bestehen, meinen Wert nicht zu spüren. Manchen gelingt es dann, sich über Leistung und Arbeit irgendwie herzustellen, andere brauchen  dauernd Menschen und Beziehung, um den fehlenden Halt zu ersetzen, andere müssen sich non-stop beschäftigen. Umgang mit Kernverletzungen ist so unterschiedlich, wie Menschen verschieden sind.  

 

STARRE UND SCHMERZABWEHR


Wenn es etwas gibt, was unser Leben angreift, brauchen wir Schutz. Wir versuchen uns vor Bedrohung in Sicherheit zu bringen. Bei Tieren beobachten wir den Totstellreflex. Starre oder Flucht bieten Schutz. Starre und Flucht kennt viele Facetten: Eine ängstliche muskuläre Anspannung, etwas Steifes und Unbewegliches im persönlichen Ausdruck,  ein Verschlossensein für Gefühle, eine beständige Enge oder innere Bedrückung, fehlende Empathie,  das Gefühl, nicht voll im Leben zu stehen sondern daneben, ein verkniffenes Gesicht, eine Frequenz von Traurigkeit oder Aggression. Kraftlosigkeit und Müdigkeit, die dauernd mitschwingen, oder ein zwanghafter Fokus im Denken. Nicht zuletzt: Eine Fixierung in Positionen oder Machtgehabe.

 

 


WAS BERÜHRT WIRD KANN HEILEN

 

Mit allem leben, das bedeutet, dass langsam unsere Verhärtungen, unser Widerstand, unser vermeintlicher Schutz aufgelöst werden kann.  Wir werden offen, durchlässig und berührbar. Dies geschieht in einer solch sanften Weise, dass wir die Rüstung lassen können. Wir werden frei, auch den ganz großen Schmerz unseres Lebens zu berühren. Er will gesehen und  geachtet werden.  Und darin sehen und achten wir uns selber, denn der Schmerz, das sind wir. Das tut sehr weh. Aber wir sind darin ganz bei uns. Tränen lösen sich, Rührung entsteht durch Berührung.   Es ist die achtsame Berührung des ganzen Schmerzes, wie sie uns im Sitzen möglich wird, die uns echt weiterführt.  Es braucht nichts dazu als ein offenes Herz und Erbarmen mit sich selbst und bestimmt großen Mut.

Kernverletzungen binden viel Kraft. Dort, wo es ganz weh tut in uns, sind unsere stärksten Ressourcen gebunden.  Wer seine Kernverletzung berühren darf, der öffnet in diesem Vollzug Energiequellen, der findet zur Kernkraft. „Verwundet bin ich aufgehoben“. Kernverletzung, Kernkraft, Kernkompetenz:  Eine Folge des Spürens,  ein anderer Vollzug, als Schmerz weg zu knipsen oder schön zu reden. Zazen ist eine Spiritualität, in der ich unvollkommen sein darf.  Den Schmerz berühren, entbindet Kraft und entwickelt Kompetenz.  Schmerz darf gewandelt werden, Wunden in Perlen. Das ist ein Prozess der Heilung und Ganzwerdung: Nur ein gebrochenes Herz ist ein ganzes Herz.

 

NUR EIN GEBROCHENES HERZ IST  EIN GANZES
 

Berührung mit unseren tiefen Verletzungen ist nicht angenehm. Aber so werden wir ganz. So öffnen sich hinter vielen Schutzhäuten ganze Welten, die wir nie betreten durften. Wer sich abschirmen muss, und wer in der Rüstung bleibt, begrenzt seine Wohnung auf ein kleines Terrain. Wir tragen selber den Schlüssel für die neuen noch unbewohnten Planeten und den ganzen Kosmos in Händen.  Es ist die Berührung unserer tiefsten Wunde, die uns echte Tränen und echtes Trauern ermöglichen. Tränen verschleiern die Augen, aber öffnen den Horizont zur Ewigkeit.  Verwundet bin ich aufgehoben.“


 


 

 

 

 

 

 

KARFREITAG

VON AUSSEN NACH INNEN  -   ABSCHIEDE

 

 

 

   

  

Du entfernst dich so schnell (...)

auf dem Rücken von niemals geloteten Meeren.

Meine Stimme

Dein Schweigen

Dein Ruhen

Mein Gehen.

Dein Allesvorüber

Mein Immernochda.

 

Marie Luise Kaschnitz

 

 

 

 

 

 

 

Das Dunkel. Der Schatten. Die Nacht. Das Leiden. Der Schmerz. Die unangenehme aber unausweichliche Seite des Lebens steht uns an Karfreitag vor Augen. Die Liturgie an Karfreitag hat eine harte und erbarmungslose Note.  Sie ist nüchtern, kalt, schnörkellos. Keine Glocke erklingt, kein Instrument spielt.  Der Blick auf das Dunkel darf sein, wenigstens an einem Tag des Jahres. Kein goldenes Dekor lenkt davon ab. Kein Wort falschen Trostes. Der Fokus gnadenlos auf der nackten und  blanken Realität von Tod und Leid.

Karfreitag,ein Tag der Klage.  Ein Tag, die harten Zumutungen, den Schmerz unseres eigenen Lebens zu erinnern. Dabei weichen wir das Holz, entfernen die schützende aber grobe Rinde. So werden dieVerhärtungen unseres Lebens langsam gelöst, der starre Panzer, der uns unberührbar und verschlossen macht.

Abschiede sind solche Zumutungen.  Jemand wird uns genommen. Eine Beziehung stirbt: Die Liebe geht zu Ende. Wir haben Abschied zu geben und Abschied zu nehmen.  Mancher mag Abschiede lieber meiden. So vermeidet man Schmerz.  Das gibt es nicht selten.

Mancher hängt in Gedanken fest: Schmerzvermeidung.

Jemand ist pausenlos aktiv: Schmerzvermeidung.  

Mancher lenkt sich ab: Schmerzvermeidung.

Mancher verliebt sich: Schmerzvermeidung.

Mancher wird stocksteif und unbeweglich: Schmerzvermeidung.

Mancher dreht sich im Kreis: Schmerzvermeidung.

Mancher bleibt lieber stehen, obwohl die Liebe gestorben ist: Schmerzvermeidung.

Schmerzvermeidung darf abgelöst werden durch Trauer. Aus Tränen des Selbstmitleides dürfen Abschiedstränen des Schmerzes werden. Ich habe Großes verloren. Nun ist es einfach weg. Das will ausgehalten sein. Das will beweint sein. Das will betrauert sein. Das braucht meinen Abschied. Der Schmerz des Abschiedes schwingt unbenannt  zwischen den Zeilen eines ganz schlichten, aber mich sehr berührenden Gedichtes von Marie Luise Kaschnitz:  Dein Schweigen – Meine Stimme

 

 

 

Vielleicht

wird nichts verlangt

von uns,

während wir hier sind,

als ein Gesicht leuchten zu machen

bis es durchsichtig ist.

 

Hilde Domin

 

 

 

 

Viele stehen um den Brunnen herum, aber es ist niemand im Brunnen

 

Logion 74 in den Worten Jesu nach Thomas

 

 

 

 

Aus dem Impuls zum Thomasevangelium - Stilles Wochenende 5./6.3. 2016

 

(...)  BLINDES GLAUBEN? - EHRENRETTUNG FÜR THOMAS 

 

Weil du mich gesehen hast, Thomas, so glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!“ (Joh 20, 27-29) Eine Geschichte mit großer Wirkung. Seitdem trägt der Unglaube ein Gesicht, das des "ungläubigen Thomas"!  

 

 

Der Anfang der Jesus Worte im Thomasevangelium


(...) Thomas wird getadelt, um den Glauben ohne Sehen und Erfahren, den blinden Glauben selig zu preisen. Übrigens er alleine! Alle anderen, die Jesus nahe standen, Maria von Magdalena als erste, dann Maria seine Mutter, die Zwölf, die Jünger, alle begegnen dem auferstandenen Jesus; sie hören ihn reden, manche unterhalten sich gar mit ihm. Alle dürfen sie ihn sehen und erkennen, wenn auch nicht immer auf Anhieb.  Selbst für Paulus bietet Jesus ein sinnlich beschriebenes Rendevouz. Eine Stimme erklang: „Ich bin Christus, den du verfolgst.“
Nur Thomas wird vorgeführt und erhält eine Klatsche. (...)

Wir merken also am Ende des Evangeliums nach Johannes einen Zug wirken, der die geläufige Reihenfolge von Erfahren und Glauben umdreht und einem blinden Glauben das Wort redet. Eine seltsame Seligpreisung kurz vor Toresschluß.

Thomas ist weder schwer von Begriff, noch irrt er. Er vertritt einen menschlichen Grundzug, der keine Diskreditierung verdient. Thomas ist Synonym des Menschen, der empathisch vertritt, dass Gott nicht nur geglaubt, sondern weit mehr erfahren, erkannt, geschaut und erfahren werden möchte.

Die Erfindung der neuen Seligpreisung ist ein geniales Konstrukt.  Blind Glaubende sind brave Schäfchen. Die lassen sich was sagen, ohne selber nachzusehen.  Kirche sucht Menschen, die Kinder bleiben möchten, die auf andere hören ohne selber nachzusehen, die folgen, ohne nachzudenken, die Dinge exekutieren, ohne zu prüfen.  Menschen, die aus innerer Vergewis-serung leben, sehen weiter, sind aber unbequem. Mystiker, die sich von innen her ermächtigen, sind lästig.   Wie schnell doch eine selbstverständliche Haltung, dass Vertrauen auf Erfahrung gründet, aufs blinde Glauben reduziert und dreist  pervertiert wird.  Hier spüren wir bereits,  warum später das "Thomasevangelium", welches eine Wegweisung Einzelner beabsichtigt, zur verbotenen Schrift erklärt wurde. Eigene Wege braucht es nicht. Es reicht mitzulaufen.

Nachdem Thomas sehr ins Lächerliche gezogen wurde, beschreibt Johannes sein Anliegen: „... damit ihr glaubet, Jesus sei Christus, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben Leben habet in seinem Namen.“

Thomas ging es gar nicht um den Gegensatz von Wissen und Glauben, auch nicht um einen „petrogra-phisch analysierbaren,forensisch zu vermessenden, von wissenschaftlichen Experten zu hundert Prozent für wahr befundenen Beweis. Worum ging es ihm? Es geht Thomas darum, dass die Wahrheit nicht etwas Äußerliches, Höheres, von uns Unterschiedenes sei, dass man unbesehen glauben müsse, allein auf das Wort und die Autorität seiner Ausleger vertrauend.“

in: Navid Kermani, Ungläubiges Staunen - Über das Christentum S. 222

 

      

Logion 77  

Ich bin das Licht, das über allem ist.

Ich bin das All.

Das All ist mir entsprungen und das All erstreckt sich zu mir.

Spaltet ein Holz, ich bin da!

Hebt den Stein und ihr werdet mich dort finden.  

 

 

 

Logion 13

Jesus sprach zu seinen Jüngern: Vergleicht mich und sagt mir, wem ich gleiche.“

Simon Petrus sagte zu ihm:  Du gleichst einem gerechten Boten.“ Matthäus sagte zu ihm:

Du gleichst einem weisen Philosophen.“    Thomas sagte zu ihm: Meister, mein Mund ist nicht imstande zu sagen, wem du gleichst.“ Jesus sagte:  Ich bin nicht mehr dein Lehrer, denn du hast dich an der sprudelnden Quelle berauscht, die ich hervorströmen ließ.“  Und Jesus nahm ihn zu sich und zog sich mit ihm zurück. m drei Worte.

 

 

 

Aus dem Thomasevangelium 

DIES SIND DIE GEHEIMEN WORTE, DIE JESUS DER LEBENDIGE SPRACH

UND DIE DIDYMOS JUDAS THOMAS AUFSCHRIEB


1.

Jesus sprach:

„Wer die Bedeutung dieser Worte findet, wird den Tod nicht schmecken.“

  

2.

Jesus sprach:

„Wer suchet, soll nicht aufhören zu suchen, bis er findet.

Und wenn er findet,

wird er verstört sein:

Und wenn er verstört ist,

wird er sich im Staunen verlieren und er wird herrschen über das All.“


3.

Jesus sagte:

„Wenn aber die, welche euch führen, zu euch sagen:

Seht,das Königreich liegt im Himmel,  dann werden die Vögel des Himmels vor euch da sein. Wenn sie zu euch sagen:

Es ist im Meer, so werden die Fische vor euch da sein.

Denn das Königreich ist in eurem Inneren und es ist in eurem Äußeren. Wenn ihr euch selbst erkennt, dann wird man auch euch erkennen. Und ihr werdet wissen, dass ihr die Kinder des lebendigen Vaters seid.

Wenn ihr aber nicht zum Verständnis eurer selbst gelangt,

dann seid ihr in Armut und ihr selber seid die Armut.“


5.

Jesus sprach: „Erkenne das, was dir vor Augen liegt,

und was vor dir verborgen ist, wird sich dir enthüllen.

Denn es gibt nichts Verborgenes, was nicht offenbar werden wird. “


6b.

Es gibt nichts Verborgenes, das nicht offenbar werden wird. Und es gibt nichts Verdecktes, das nicht aufgedeckt werden wird“ 

Jesus sprach:

„Wer suchet, soll nicht aufhören zu suchen, bis er findet.

Und wenn er findet,

wird er verstört sein:

Und wenn er verstört ist,

wird er sich im Staunen verlieren und er wird herrschen über das All.“


3.

Jesus sagte:

„Wenn aber die, welche euch führen, zu euch sagen:

Seht,das Königreich liegt im Himmel,  dann werden die Vögel des Himmels vor euch da sein. Wenn sie zu euch sagen:

Es ist im Meer, so werden die Fische vor euch da sein.

Denn das Königreich ist in eurem Inneren und es ist in eurem Äußeren. Wenn ihr euch selbst erkennt, dann wird man auch euch erkennen. Und ihr werdet wissen, dass ihr die Kinder des lebendigen Vaters seid.

Wenn ihr aber nicht zum Verständnis eurer selbst gelangt,

dann seid ihr in Armut und ihr selber seid die Armut.“


5.

Jesus sprach: „Erkenne das, was dir vor Augen liegt,

und was vor dir verborgen ist, wird sich dir enthüllen.

Denn es gibt nichts Verborgenes, was nicht offenbar werden wird. “


6b.

Es gibt nichts Verborgenes, das nicht offenbar werden wird. Und es gibt nichts Verdecktes, das nicht aufgedeckt werden wird“ 

 

 

 

 

 

 

 

 

Aus dem Abendimpuls, Jahresgruppe 25.02.

 

 

 

VERSUCHUNGEN


 

Versuchungen. Auch Jesus blieb davor nicht verschont. Gerade in der Wüste, da, wo es still, wo nichts los ist, können sie besonders laut werden. Daher blüht uns die Begegnung mit unseren Versuchungen auch  beim Kontemplieren.  Versuchungen locken uns mit schönen Vorstellungen. Doch Vorsicht: Lass dich nicht täuschen: Maku Moso. Über dem Eingang zur Hölle stehen goldene Worte. Der Teufel höchstpersönlich – das wundert uns nicht – will Jesus gewinnen. Er verspricht ihm allen Reichtum dieser Welt. Der zu zahlende Preis für diesen enormen Zuwachs an Besitz und Macht scheint gering. Jesus brauche sich nur vor ihm niederzuwerfen und ihm zu dienen.

 

Was macht Versuchungen so verführerisch? Sie appellieren an etwas, was in uns steckt, die Sehnsucht nach Bedeutung. Und sie pervertieren diesen guten Antrieb. Suche wird Sucht oder Ver-suchung, verkehrte Sehnsucht.  Versuchungen sagen, wir hätten Gewinn, wenn wir uns vieles aneignen und einverleiben. Unser oraler Traum. Wir glauben, wir wären größer, wenn wir mehr zu sagen haben. Machtzuwachs, - unser analer Traum. Und wir glauben, unser Glück käme von außen. Wir sind die Märchenprinzessin, deren Pracht sterntalergleich vom Himmel fällt. Unser magischer Traum. Alles Kinderträume, auf deren Grundlage unser kapitalistisches System basiert.  Das sozialistische hat Mangel nicht überwunden, das kapitalistische meistert den Überfluss nicht. Wir werden erleben, was im Endeffekt schlimmer ist.  Mangel oder Überfluss: Das ist noch nicht entschieden. Wer will nicht Bedeutung erlangen. Versuchung suggeriert im Außen größer und mächtiger und vermögender und reicher, einflussreicher und potenter, dass mache Glück und Frieden aus.  Daher legen soviele den Schwerpunkt nach außen. Wir sind verführbar.

 

(...)

 

Nicht Schein sondern Wahrheit,  nicht Haben sondern Sein: Das macht den unschätzbaren Wert menschlichen Daseins aus. Wir sind keine Gierhälser, die erst zufrieden sind, wenn sie abgefüllt sind oder bekommen, was sie sich wünschen. Wir haben eine kostbare Würde, schon längst bevor unsere Hände nach irgendetwas oder irgendjemand greifen.  Das ist Würde aus Gott, Ebenbild, Sohn und Tochter des Höchsten zu sein, Licht vom ewigen Licht, reich begabt aus göttlicher Fülle: Gestillt! Still! Im Frieden mitten im Unfrieden. Erlöst. Das sind wir. Niemand kann diesem geschenkten Glanz Bedeutsames hinzufügen und keiner vermag diesen vorgegebenen Reichtum zu mindern geschweige denn zu rauben.

 

Daher kontert Jesus seine Versuchung sehr treffend. Es geht um unsere grundsätzliche Ausrichtung. Wir dienen weder dem Bauch, noch dem Mammon. Wir hängen uns nicht auf, weil unser Einfluss und unsere Macht bescheiden sind. Dahinter winkt der Teufel. Er winkt mit Gold, auch wenn er Blech redet.  Wie Jesus dürfen wir solcher Blendung Widerstand entgegen setzen. „Solo dios basta“ sagt Teresa. Gott nur genügt.

 

Verbundensein mit der höchsten Wirklichkeit, mit unserer Wesensnatur: Das verdient unsere ganze Zuwendung. Dem dient unser ganzes Üben. Das erfordert unsere Entschiedenheit und Hingabe.  Dahin führt unsere Sammlung und unsere Ausrichtung.

Was wir an Wert und Würde in uns tragen, das braucht zunächst unser wahrnehmendes Spüren. Daher üben wir: Selbstbegegnung.  Was wir in uns tragen, brauchen wir nicht erst zu erarbeiten oder außerhalb unserer Person und sonstwo zu suchen. Es übend in sich wahrnehmen, bedeutet finden. Was wir an Wert und Würde aus Gott in uns haben, das trägt die Farbe "Gold" und ist unbezahlbar.  Das sind wir.  Das macht uns unschätzbar reich und schön und machtvoll und liebevoll. Und das genügt stets: Wir brauchen uns vor nichts und niemand zusätzlich krumm zu machen und tiefer zu ducken, als der Anstand des Grußesdies erfordert.

 

Was beim Üben also geschieht?  Wir erkennen langsam unsere wahre Würde und unseren unverlierbaren Wert. Nichts weniger als das. Und indem wir ihn wahrnehmen, berühren wir ihn. Und indem wir ihn berühren, werden wir infiziert. Und sind wir infiziert, so werden wir langsam durchdrungen. Und sind wir erfüllt, so sind wir geworden, was wir sind.  Es ist unsere Bestimmung, „Licht“ zu sein. In der Hingabe des Übenden werden wir, was wir wirklich sind.  Wenn wir still halten und sich durch Sammlung das Tor nach innen auftut, dann kommen wir trotz aller Bedrängnisse und Einflüsterungen in Kontakt mit unserer Wahrheit. Wir  erinnern sie. wir nehmen sie wahr. Wir berühren sie und werden sie irgendwann behaupten.

Von innen her erstehen Stärke und Beweglichkeit, Aufrichtigkeit und Mut, Kraft und ein Lieben, das uns nicht alle macht.  Wir sind in Gnade. Fastenzeit ist eine Chance, diesen gegebenen, wahren Reichtums zu erinnern. Kein Geld der Welt wiegt das auf. Wie Paulus sehr schön schreibt: „Aus dem Gottes Reichtum sind alle Menschen beschenkt, nicht nur wenige.“ (Röm. 8, 12b)  Wer sich nach innen, zu Gott hin dreht, statt sich im Mainstream zu verdrehen, der wird die Größe seiner Würde und seinen wahren Wert nicht nur zu spüren bekommen. Er wächst vielmehr da hinein. Er wird, was er ist. Er lebt aus seiner Wahrheit.

 

 

 

 Was vor uns liegt und was hinter uns liegt,

sind Kleinigkeiten im Vergleich zu dem,

was in uns liegt.

Und wenn wir das, was in uns liegt,

nach außen in die Welt tragen,

geschehen Wunder.

 

Henry David Thoreau

 

 

 

   

Impuls Mittagstille 06.01.16

  

Johannes Tauler

 

Woher, glaubt ihr wohl, kommt das, das der Mensch auf keine Weise in seinen Grund gelangen könne?  Das kommt daher, daß so manche dicke, schreckliche Haut darüber gezogen ist, ganz so dick wie eine Ochsenstirn: Die haben ihm seine Innerlichkeit verdeckt, daß weder Gott noch er selber da hinein gelangen kann. Der Eingang ist verwachsen.  Wißt, manche Menschen können dreißig oder vierzig solcher Häute haben, dick, grob, schwarz, wie Bärenhäute.

Was sind das für Häute?  Das ist ein jegliches Ding, dem du dich mit freiem Willen zukehrst:  (...) Solche Dinge bilden alle dicke Häute und große Hindernisse, die dem Menschen die Sicht verdunkeln.

 

 

 

      


 

Erich Fried

 

Irrwege


 

Ich darf enttäuscht sein, aber ich darf nicht enttäuscht sein, weil ich enttäuscht bin. 

Ich darf nicht weiter gehen, wenn ich sehe, ein Weg ist ein Irrweg, auch nicht aus Liebe zu Freunden die weitergehen wollen auch nicht aus Dankbar-keit für die Schönheit des Weges oder aus Bewunderung fürs einen großen Entwurf.

Aber ich darf nicht aus Enttäuschung über den lrrweg auf einen Stein steigen und schreien: ,,Es gibt überhaupt keinen Weg mehr!"  (...)   

Besser zehn Irrwege  als gar keinen Weg suchen.  Besser sterben am lrrweg,  als sitzen auf einer Bank und sich freuen am Wanken und Hinfallen der Verirrten. Besser sich verirren und sogar besser andere, weil man sich irrt, in die lrre führen, als ihnen abreden von jeder Suche nach Wegen,  solange es möglich ist, dass da noch ein Weg ist. (...) 

 Ich darf warnen vor lrrwegen und ich darf gegen die, die lrrwege gehen und zeigen, ankämpfen, um sie zu hindern, aber ich, der schon mehr als einen lrrweg zu gehen versuchte,  darf mich nie für besser halten als die auf dem lrrweg.


 

  

 

 

 

 

Aus dem Abendimpuls, Jahresgruppe 17.02.

 

 

 

DIE DUNKLE NACHT DER KONTEMPLATION - EIN EINSTRÖMEN GOTTES

 

 

VIA PURGATIVA

 

Krisenzeiten, Leidenszeiten sind oft Zeiten radikaler Läuterung und Klärung. Christliche Mystik beschreibt dies als „via purgativa“. Via Purgativa meint kein moralisches Änderungsprogramm mit guten Vorsätzen, sondern einen passiven Reinigungsweg, auf dem Gott selber handelt. Er nimmt uns die undurchdringlichen Bärenhäute vom Leibe, richtet uns aus der bedrückten und buckelnden Verformung auf und schenkt eine neue Gestalt.  Wir werden dabei durchlässig und aufrichtig. Die Wandlung braucht reine Empfänglichkeit. Wir sind in diesem Prozess passiv beteiligt. Wir erleiden diesen Prozess. Er führt in die Stille nicht in den Diskurs. Er geschieht im Schweigen, nicht durch Worte. Der Himmel hellt sich von alleine auf. Aktiv sind wir in diesem Vorgang in unserer Entschiedenheit zum Üben, zur Sammlung und Ausrichtung in „liebendem Aufmerken auf Gott hin“, wie Johannes vom Kreuz das Üben beschreibt. Anfangen fällt leicht, tägliches Üben ist bleibende Herausforderung, Durchhalten das Schwerste. Die Anleitung des Johannes ist aus Erfahrung gewonnen, nicht als Exzerpt kluger Gedanken zu verstehen.

 

Die Seele muss Gott ein liebendes Aufmerken entgegenbringen, nur dies,

ohne sich in Akten zu sondern,

rein empfangend muss sie sich verhalten,

ohne eigene Beflissenheit,

mit dem entschlossenen, schlichten Aufmerken der Liebe,

sowie jemand in liebreicher Aufmerksamkeit die Augen öffnet.“ (LF III,33) 

 

Viele Menschen meditieren. In die Stille gelangen wenige.  Der Weg dahin ist bei allen zugestellt, so dass es nicht still wird. Unsere Sinne sind überaktiv, unser Verstand ist wie ein lärmendes Wasserrad, das uns unter Strom hält, unser Wünschen und Wollen sind in einer Kultur der ständigen Bedürfnisbefriedigung einseitig konditioniert und treiben die Unruhe.  

Stille aber ist die Basis. Erst wenn wirklich Stille entsteht, beginnt eine Erfahrung anderer Qualität, zu der sinnliche Wahrnehmung und gedankliches Mühen außerstande sind. Kontemplation zielt auf eine Erfahrung, jenseits aller Vorstellungen und Bilder, Gefühle und Gedanken.  Wer in „liebender Aufmerksamkeit“, frei von Erwartung, alles Wissen übersteigend zur Stille findet, der empfängt. Ein Prozess innerer Transformation setzt ein. Johannes vom  +  beschreibt ihn als "dunkle Nacht".

 

Die dunkle Nacht wird bei Johannes von Gott selbst ausgelöst. Es wird dunkel, indem Gott selbst  in den Menschen  einströmt.  Dieses Einströmen Gottes nennt er Kontemplation. Solche Kontemplation kann sehr schmerzhaft sein. Er erläutert die Ursachen solchen Schmerzes, die jeder Übende kennt. Hier ein Auszug:
 

DAS "EGO" IM STERBEPROZESS - DIE NACHT IM WALFISCHBAUCH

 

"Die Art von Leid und Schmerz, die den Menschen hier in der dunklen Nacht quälen, wird durch die (...) beiden Extreme verursacht; gemeint sind das Göttliche und das Menschliche, die sich hier einen.  Das Göttliche ist diese läuternde Kontemplation, und das Menschliche ist das Subjekt, der Mensch.

Das Göttliche stößt in ihn hinein, um ihn zu kochen und zu erneuern und zu vergöttlichen, indem es ihn von allen angewöhnten Neigungen und Eigenschaften des alten Menschen, mit denen er noch sehr verklebt, verquickt und verbunden war, vollkommen entblößt. So sehr zerstückelt und vernichtigt das Göttliche den Wesenskern des Geistes - dadurch dass es ihn in eine tiefe und unauslotbare Finsternis hineinzieht -, dass der Mensch sich im Angesicht und Anblick seiner Armseligkeiten in einem grausamen geistlichen Tod aufgelöst und zerschmol-zen fühlt. Er fühlt sich, wie wenn ein wildes Tier ihn verschluckt hätte und er in dessen dunklem Bauch verdaut würde, und erleidet dabei dieselbe Angst wie Jona im Bauch des Meerungeheuers. In diesem Grab des dunklen Todes muß er verbleiben für seine geistliche Auferstehung, die er erwartet. (...)

 

Dies alles tut Gott durch diese dunkle Kontemplation. In ihr erleidet der Mensch nicht nur die Leere und die Aufhebung der Stützen für seine Natur und seiner Wahrnehmungen, und das ist ein beängstigender Schmerz, wie wenn man aufgehängt oder an die Luft gehalten wird, so dass man nicht mehr atmen kann, sondern die Kontemplation läutert den Menschen auch, indem sie ihn zunichte und leer macht und in ihm alle Neigungen und  unvollkommenen Gewohnheiten, die er im Laufe des Lebens angenommen hat, aufzehrt, so wie das Feuer Rost und Grünspan wegfrisst. (...)

 

Weil der Mensch in dieser Schmiede wie Gold im Schmelztiegel geläutert wird - wie der Weise sagt (Weisheit 3,6) - spürt er diese heftige Ohnmacht genau in seinem Wesenskern mit einer extremen Armut, wie wenn sein Leben zu Ende ginge. (...)

Ps 69, 2f: „Rette mich (...) ,denn die Wasser reichen mir bis an die Kehle. Ich bin in tiefen Schlamm versunken und habe keinen Halt mehr."

 

Auszüge aus: Johannes vom Kreuz, Die dunkle Nacht S. 103-110,

Neue Übertragung, Herder Ausgabe


 

 

 

 

Ausschnitt Abendimpuls  der  Jahresgruppe  10.02.

 

 

Krisen auf dem spirituellen Weg

 

Krisen wirken sich auf unseren spirituellen Weg aus. Sie tragen immer ein herausforderndes Potential in sich. Wer sich der Krise stellt, dem wird sie zur Reifungschance.  Wer sie umgeht, darf bleiben wie er will.

Wie nehmen wir Krisen wahr? Zunächst erleben wir sie negativ? Denn meist ging etwas Wichtiges verloren, Wertvolles zerbrach. Wird uns Großes genommen wird, das zentral zu unserem Leben gehört hat -  eine Liebe, die Gesundheit, ein Antrieb, eine Tätigkeit, ein Beruf -so wächst aus dem Verlust eine tiefe Krise, nicht selten eine Lebenskrise. Solange wir sie nicht überstanden haben, fragt jeder und jede  in vielen Facetten "Warum? Warum ich? Warum gerade das? Warum gerade jetzt? Warum gerade soviel? Warum das alles auf einmal?"

 

Für die  positive Seite einer Lebenskrise sind wir anfangs blind. Und da wir wohl alle mehr oder weniger „schwarz“ sehen, wenn es über uns hereinbricht, haben wir dunkle Zeiten vor uns. Wir trauern.  Trauer dauert, manchmal lange und oft sehr lange. Wir können ihren Prozess nicht beschleunigen.  Schmerz und Tränen brauchen Raum und Zeit.  Wenn es mal zuviel wird,  sucht sich die Trauer eine Unterbrechung. Dann lachen wir oder gönnen uns etwas. Niemand kann ständig trauern.  Auch große Trauer braucht Verschnaufpausen zum Durchatmen. Manchmal tut Ablenkung gut. Aber öfter ist es trauernden Menschen danach sich zurückzuziehen und  einzuigeln, denn wir spüren keine Kraft für Initiativen. Auch wenn alle sagen: Komm doch mal mit!  Wir bleiben daheim. Trauern verbraucht viel unserer Energie, manchmal bindet sie unsere ganze Kraft. Wir sind einfach alle, müde, matt und antriebslos.

 

Das andere Gesicht der Krise, erkennen wir anfangs  nicht. Erst wenn wir die Krise überstanden -  manchmal erst Jahre später - realisieren wir, dass die Krise nicht nur schlimm war.  Die Zumutung hat uns eine Tür geöffnet, die sonst nicht aufgegangen wäre. Der Prozess hat uns über eine Schwelle gehoben, die wir sonst niemals überschritten hätten.  Verwundene Krisen schenken uns weite Räume, ungewohnte Beweglichkeit, neue Lebensorientierungen,  Freiheiten, die wir uns sonst nicht gegönnt hätten. Krisen irritieren und lösen unsere alten Lebensmuster. Krisen machen uns reifen.

 

Krisenzeiten sind immer schwere Zeiten. Bisheriges zerbricht oder trägt nicht mehr. Wir haben Abschied zu nehmen. Abschied ist besonders schwer, wenn Neues noch nicht gefunden ist.  Aber meist ist das so. Altes weg, Neues noch nicht da. Ein gewaltiges Loch tut sich auf. Daher die große Versuchung zu regredieren: Wir träumen uns zurück. Wir retten uns ins Alte. Wir realisieren die Lücke oder das Loch, aber die schöne Erinnerung narkotisiert den Schmerz und macht es eine Weile vergessen. Die Erinnerung ehrt das Vergangene: Die Liebe bleibt, auch wenn wir ihre lebendige Gestalt vermissen.  Lebenskrisen bringen oft ungeheure Verunsicherungen mit sich. Der Boden, auf dem wir bisher standen, wird uns weggezogen. Wir verlieren den Halt und dann den Stand. Wir stürzen und fallen. Sicherheiten lösen sich auf. Chaos greift um sich. Was uns bisher klar war, entschwindet. Wir sind wirr und durcheinander und voller Widersprüche.

 

Große Krisen sind immer auch spirituelle Krisen. Kontemplation erweist sich für Menschen in Krisen als ein sehr heilsamer Weg. Sie intensiviert die Verarbeitung, ohne dass sie immer wieder neue Wunden reißt. Dies geschieht im Schweigen und im Atmen.

Wenn Dunkel über uns kommt, ist Schluss mit Altgewohntem: Licht wird zur Nacht. Aber die Nacht birgt in sich Neues.  Die dunkle Nacht entreißt uns jeden schönen Schein. Sie kann uns dazu weit hinaus führen. Wir erleben sie womöglich als eigenen Sterbeprozess. Wir sterben ins dunkle Licht der Gottheit hinein. Tod und neues Leben, mitten in der Nacht. Johannes vom Kreuz machte diese Erfahrung.  Seitdem gehört die Nacht für ihn zentral dazu. Seitdem empfiehlt er in seinen Gedichten und Anleitungen zur Kontemplation die Nacht als Weg.  Sie ist nicht ein Feind, sondern eine Förderkraft auf dem spirituellen Weg. Das bedeutet nicht, dass wir uns selber aktiv darum mühen, damit wir es möglichst schwer haben. Das wäre masochistisch. Aber wir stellen uns dem Dunkel, wenn es über uns kommt, statt es abzustellen oder uns abzustellen, damit wir nicht mehr spüren.

 

In der gewiss nicht freudigen  Zustimmung zu dieser auch spirituell und allumfassenden Krise, erfährt Johannes vom Kreuz mitten im Dunkel  Gottes Präsenz: Gottes Gegenwart in der Dunkelheit. Nun darf es auch Nacht sein, da selbst im äußersten Dunkel sich etwas auftut. Er fragt fortan nicht mehr: „Warum?" sondern „Wozu?“ - „Wozu“ keimt in der Nacht, öffnet den Horizont und erfindet Perspektiven.  Durch die äußerste Nacht hindurch berührt Johannes das liebende Herz der Wirklichkeit. Seine Worte werden zum Lobpreis der Nacht: 

O Nacht, die du führtest! O Nacht, liebenswerter als das Morgengrauen! O Nacht, die Du zusammenführtest Geliebten mit Geliebter, Geliebte in Geliebten überformtest.“

Diese Überformung nennt er selber Transformation. Er schreibt: „Was Gott erstrebt, ist, uns zu Göttern durch Teilhabe zu machen, wie er Gott von Natur aus ist.“   Alles Suchen, Ringen, Leiden und Sehnen des Menschenherzens ist Ausdruck eines Entwicklungsgeschehens, auf das Ziel der Einswerdung mit dem verloren gegangenen Göttlichen. So sieht er es später. Äußeres und psychisches Leiden, so man nicht da stehen bleibt, führen weit und hoch hinaus. Sie sind keine Endstation, sondern ein Tor, durch das wir in unsere schönste Gestalt finden, genauer: ein Tor, durch das wir gefunden werden in unserer ganzen Schönheit.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

02.11.2016–Mittagsstille

 

AUF DEM WEG ZUM QUELL DES LEBENS

 

Bei Meditation denken viele an etwas fernöstliche Religionen, an Buddhismus und Hinduismus.  Dabei haben wir auch im christlichen Westen solche Schätze. Allerdings ist diese Weise der Einkehr, die man Kontemplation, fast vollständig verloren gegangen. Sie wird selten gepflegt. Viele kennen sie überhaupt nicht, wenige praktizieren sie. Wir beten nur mehr in Worten und nicht mehr im Schweigen. Ohne innere Stille aber bleibt jedes Gebet flach.

Die christlichen Meister wussten noch, wie entscheidend es ist, dass es in uns still wird. Innere Ruhe ist die beste Basis tiefer, innerer Erfahrungen. Damit Gott uns berühren kann, müssen unsere Geschäfte ruhen. Nur wenigen Menschen gelingt es heutzutage,  in diese innere Stille einzutreten.
Sie haben verlernt, sich zu sammeln, still und in Muße zu verweilen. Sie sind hyperaktiv. Wir sind sehr auf äußere Reize und fortlaufende Beschäftigung fixiert. Unsere Sinne sind unruhig und wollen Anregung und Stimulation. Unsere Gedanken laufen ständig wie ein klapperndes Wasserrad. Die meisten Menschen kommen nur schwer zur Ruhe. Doch wir sollten nicht aufgeben, wenn es schwierig wird.  Was niemandem auf Anhieb gelingt, das kann man üben. Es braucht einen „rechten Dickkopf“, viel Geduld und große Entschiedenheit. 

Sobald wir innerlich zur Ruhe kommen, und es in uns endlich still ist, spüren wir ein Glück und einen Frieden ohnegleichen. Treten wir ein in die Stille, sind wir im selben in Berührung mit den tiefsten Kräften unseres Lebens. Wir sitzen am Quell. Wir haben Zufluss aus der Ewigkeit. Wir brennen nicht mehr aus. Dabei sind wir selber ganz passiv. Wir müssen uns nicht anzustrengen, um etwas zu bekommen. Der Segen fließt von allein, unablässig, wie unser Atem strömt. Wir brauchen nur still zu halten und zu empfangen wie eine Schale. Erst dürfen wir empfangen. Wenn wir immer nur geben, dann verausgaben wir uns. In der Kontemplation finden wir einen unmittelbaren Kontakt zum Lebensquell in uns.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

20.01.16 Ausschnitt Impuls Jahresgruppe

 

SENSIBILITÄT UND ACHTSAMKEIT

 

 

Wenn wir uns öffnen und unser eigenes Leben in der Übung berühren, so erleben wir das meist als größere Sensibilität oder Empfindsamkeit. Das geht einher mit Empfindlichkeit. Wir nehmen Lautsprecheransagen nicht mehr beiläufig wahr, sondern als aggressiven Krach, der uns zusetzen kann. Wir drehen das Autoradio ab, weil das musikalische Getöse uns zu viel ist. Wir fühlen uns durchlässiger: Wir spüren, wie Worte uns treffen und eindringlich werden. Wir hören aufmerksamer und reden bewusster. Doch wir sind auch stärker angreifbar und verletzbar. Der Prozess der Öffnung hat viele Gesichter. Eines ist sicher. Wir werden durchlässiger. Schönes wie Hässliches nehmen wir stärker wahr, nicht zuletzt uns selber:


 

Mit der Empfindlichkeit, die uns bei Üben zuwächst, dürfen wir sorgsam umgehen. Wir sollten andere Menschen nicht zur Rücksichtnahme und zum Leisetreten einladen, nur weil wir empfindlich geworden sind. Klüger und reifer scheint es mir, unsere neue Sensibilität und damit uns selber zu schützen, und anderen mit unserer Empfindlichkeit nicht das Leben schwer zu machen.  Sensibilität sollten wir keinesfalls mit Achtsamkeit verwechseln. Sensibilisierung  ist nicht das Ziel des Übens, sondern nur eine wichtige Station und Qualität auf unserer Reise.

Wenn sich unsere Wahrnehmung beim Üben öffnet, so bedeutet das keineswegs, dass wir auf allen Ebenen unseres Menschseins bereits entwickelt und gereift sind.  Daher sollten wir uns auf unser feineres Sehen nichts einbilden, sondern es als Gefahr sehen, für uns und für andere. Aus Empfindlichkeit und Befindlichkeit heraus können wir sehr verletzend agieren. Unsere Schatten nutzen die Durchlässigkeit.

 

Wenn wir mit dem Üben innerlich mehr erfahren, bedeutet das keineswegs, dass wir andere weniger anfahren.  Nur weil wir mehr sehen, sind wir keineswegs mehr im Recht oder davor geschützt, Unrecht zu tun. Umgekehrt: Wir sind durch das Neue wirklich gefährdet. „Mehr sehen“ allein, „gewachsene Sensibilität“ für sich genommen, das kann sogar Grund  zu höchst destruktivem und anmaßendem Verhalten sein.  Weil ich „mehr sehe“, kann ich mich auf eine überlegene Position beamen und zum Täter werden, Beziehungen leichtfertig abbrechen, Kommunikation verweigern, Bindungen missachten und mich ohne Anstand verhalten.  Manchmal belebt solche Empfindlichkeit gar meinen altgedienten Opferstatus. Empfindlichkeit schützt also nicht vor unangemessenem Verhalten. Wenn Empfindlichkeit handlungsleitend wird, dann werden Erwachsene oft kleinlich oder kindisch. Sie tun Unrecht. Bleiben sie in dieser Enge, so merken sie es nicht einmal.  Wir müssen selbstkritisch bleiben. Wenn wir Empfindlichkeit und gewachsene Sensibilität mit Achtsamkeit verwechseln, täuschen wir uns selber. Das ist nicht dasselbe. Empfindlichkeit für sich genommen schützt uns nicht davor, dass wir die störende Fliege an der Wand zum Verletzungspotential ( Sie istein Drachen!) aufblasen und spontan zuschlagen als wären wir in echter Lebensgefahr. Sensibilität schützt nicht vor Täuschungen und Gemeinheiten.

 

Auch bei Menschen, die schon lange üben, bleibt das steinzeitliche Reiz-Reaktions-Schema weiter Grundausstattung unseres Menschseins. Es ist nicht weg, sondern bestenfalls bewusst; wir sind vielleicht nicht mehr so identifiziert mit ihm; es  ist daher nicht mehr so wirkungsstark. Reiz-Reaktion bedeutet zum Beispiel: Ich meine, dass mich jemand  angeht oder verletzt und ich reagiere darauf direkt mit verletzendem Verhalten. Im Reiz-Reaktionsmuster gibt es keinen Raum zur Überprüfung meiner möglicherweise täuschenden Wahrnehmung.  Bin ich im Muster fixiert,  so kenne ich keine Selbsttäuschung. Verletzende Reaktion folgt dann auf einen als Verletzung gespürten Reiz. Das  ist etwas ganz Menschliches. Für Übende ist es ein Ausweis, dass sie noch einen weiten Weg vor sich haben. Unsere gewachsene Empfindlichkeit macht uns verletzbarer. Wenn die eigenen Schwachstellen und Traumatas aber noch nicht integriert sind, können wir zu Teufeln werden und fühlen uns auch noch im Recht. Empfindlichkeit für sich allein schützt nicht vor Unachtsamkeit.

 

 

 

 

 

 

 

 

14.01.16  Impuls zur Kontemplation

 

 

 

AUFTUN UM ZU EMPFANGEN

 

Kontemplation ist ein bewährter und sicherer Weg zur inneren Erfahrung. Die innere Welt ist nicht nur eine vielgestaltige Wirklichkeit sondern ein unendlicher Kosmos, welcher Raum und Zeit überschreitet und uns das Herz der Wirklichkeit berühren lässt, das, was wir Ewigkeit nennen und  „Gott“ heißen: Gotteserfahrung.

 

Das, worüber man nachdenken, meditieren und woran man sich zu glauben müht, das öffnet sich dem, der kontempliert. Er verkostet die Realität, über die man zuvor Vorstellungen bildet und Geschichten erzählt. Wer sich auftut im Schweigen, der empfängt. Und was er empfängt, das ist eine Gegenwart als wirksame Kraft.


Etwas von dieser Gegenwart beschreibt Hilarius von Poitiers, Kirchenlehrer (315-365) in ansprechenden Worten:

 

Kein Platz ist, in dem nicht Gott, keiner, der nicht in Gott wäre.

Er ist im Himmel, er ist in der Tiefe, er ist jenseits der Meere.

Von innen erfüllt er sie, von außen überragt er sie.

Weder ist er irgendwo eingeschlossen, noch fehlt er in einem einzigen Ding.


 

In unserer Übung lassen wir all das los, was sich zwischen seine und unsere Gegenwart gesetzt hat. Das sind nicht nur Gedanken, Probleme, Stresse, Konflikte, mit denen wir abgefüllt sind, das sind wir selber, solange wir in unserer kleinen Welt befangen sind. Wer auftut, der empfängt.

 

 

 

 

04.01.2016- Ausschnitt aus dem Abendimpuls der Jahresgruppe

 

Trau nicht deinen Augen, trau deinen Ohren nicht,

Du siehst Dunkel, vielleicht ist es Licht.“

Bert Brecht


 

DER  WEG DES ZAZEN


 

Die Essenz des Seins trägt jeder Mensch in sich. Bei Zazen gibt es daher nichts hinzuzufügen. Umgekehrt: Zazen nimmt uns alles weg, was die Erfahrung dieser Essenz verhindert.

Zazen ist wie das Schälen einer Zwiebel. Wenn man die Zwiebel schält wird sie immer kleiner, indem man eine Schicht nach der anderen wegschneidet. Dabei muss man manchmal fürchterlich heulen. Man wird immer weniger und man heult.  Was auch kommt – Gedanken, Gefühle, Erinnerungen, Vorstellungen – man legt es ab: nicht dieser Gedanke, nicht diese Erinnerung, nicht diese Vorstellung, nicht diese Erwartung, nicht diese Hoffnungen, nicht dieses, nicht dieses, nicht dieses. Es ist zum Heulen. Warum tut man sowas? Man sagt sich: Ja, weil ich letztendlich an den Kern des Ganzen kommen will, an die Essenz. Die Sache aber ist die, dass die Zwiebel keinen Kern hat. Wenn man fertig geschält hat, ist einfach nichts mehr da. Dann hört man natürlich auch mit dem Heulen auf.  Die Zwiebel ist geschält. Nichts da!

Nichts!

 

Nehmen wir ein anderes Bild, dann sieht der Prozess positiver aus: Dieses Nichts, diese Leere, die mit dem Üben entsteht, ist wie ein Gefäß, das wir ausgehöhlt oder ausgeräumt haben.  Nur weil es hohl ist und leer, kann es Klang geben. Und je größer der leere Raum desto prachtvoller wird der Ton, welcher erklingt: Voller Klang aus völliger  Leere.  Ist das nicht merkwürdig? Je leerer man wird, desto größer und reicher wird der mögliche Klang des Tones. Der große Wortschwall hingegen ist manchmal nur Geräusch, ein Lärm, den wir brauchen, solange wir kein Klingen spüren.


Zen nimmt uns was weg: unsere Gewissheiten und ganz gewiss unsere Selbstsicherheit und sicherlich unsere Überzeugungen. Zazen, das ist für manche daher ein ganz unheimlicher und gefährlicher Weg. Es räumt mir die vertraute Wohnung aus. Es zerreißt alle Zeugnisse und zieht mir alle Kleidungsstücke vom Leib. Meine Überzeugungen, mein Glauben, alles dahin? ZEN: Nichts zu gewinnen, aber alles zu verlieren, selbst das, was wir als Identität bestimmen und festhalten.

 

Wir verlieren unser ICH. Gewiss werden wir nicht ICH-los, aber zunächst geht mal alle Luft raus, alles künstlich Aufgeblasene, alles Konstruierte schwindet hin. Wir werden Menschen ohne Rang und Namen. Zenübende, denen man Zen ansieht, üben alle kein Zen.  Übende wissen nicht mehr viel, haben nicht mehr viel, wünschen nicht mehr viel.  Beim Üben verlieren wir auch das, was wir unbedingt brauchen.  Auch diese Meinung „Das brauche ich!“ ist nur eine Meinung. Im Üben verblassen Meinungen. Was wir finden ist unser Wesen, unser wahres ICH. Etwas absolut Großes, aber dennoch etwas wie Nichts, das man nicht herstellen kann. 

 


 

Trau nicht deinen Augen, trau deinen Ohren nicht. Du siehst Dunkel, vielleicht ist es Licht.“

Bert Brecht hat diese geniale Zeile des Misstrauen geschrieben, die uns hilft unsere Wahrnehmung als Vorläufige und Geprägte und Gewohnheitsmäßige und Eingeschränkte und Behinderte und Begrenzte und Ausschnitthafte und gar Falsche zu entlarven. „Vielleicht ist es Licht!“  Diese Wahrnehmung teilt Brecht mit der Bibel und mit Zen: „Sie haben Augen und sehen nicht!“ 

 

 

 

 

 

 

20.12.2015 - IMPULS ZUM 4. ADVENT - EXERZITIEN IM ADVENT

 

 

FEUERATEM

 

Der vierte Advent verband das biblische Wort von der Feuertaufe mit dem Sitzen in Stille und der Aufmerksamkeit beim Atem. Siehe dazu Lk3, 10-18 und Zef. 3, 14-17

 

Man kann sich über vieles freuen: über einen guten Witz, über ein Wiedersehen mit einem lieben Menschen, über ein Geschenk und oder schöne Musik. Freude hallt im Herzen nach. Dann verebbt sie und der Alltag kehrt ein. Der ist schon mal gris und grau. Da merken wir, dass wir nicht jünger werden, dass die Lichter, die wir anzünden, alle abbrennen. Dass unser Körper, unsere Gesundheit, unser Leben  zerbrechlich sind und wir früher oder später von der Bühne abtreten.  Gibt es eine Freude, die bleibt oder nur das ständige Auf und Ab?

 

 

Es wird überall nur mit Wasser gekocht, so der Volksmund. Johannes weiß einen, der uns hinein nimmt in seinen feurigen Geist. Geist ist im selben Atem: Er feuert uns an mit dem Lebensatem Gottes.  Wie wir bei der Taufe mit Wasser von allen Seiten umgeben sind, so sind wir in der Feuertaufe auch innerlich - also gänzlich - eingetaucht in den Atem Gottes, eingeloggt in sein Leben.  Dann durchatmet  ES uns.  ES atmet Göttliches in uns.  Das ist mehr als ein äußeres Bad.

 

 „Juble Tochter Zion, jauchze Israel, freue dich und frohlocke von ganzem Herzen. Fürchte dich nicht. Lass die Hände nicht sinken! Dein Gott ist in deiner Mitte.“

so beschreibt Zefanja diese Wirklichkeit.  

 

Warum das geht? Weil Gott nicht sonstwo, sondern da ist, nicht extern sondern in deiner Mitte. Das ist weit mehr als "mitten unter euch!" Aus dem äußeren Gott, den wir anbeten und dessen Spuren wir im äußeren Alltag wahrnehmen und uns zu Herzen nehmen können,  darf eine innere Wirklichkeit werden, die sich in uns breit macht, uns durchatmet und ausfüllen mag. Gott ist in deiner Mitte, das heißt nie weniger als „Gott ist in mir da!“ Der äußere Gott kann zerbrechen, sowie die äußere Freude vergeht.  Wenn jedoch Gottes Atem, zu Deinem Atem wird, wie kannst du ihn jemals verlieren? Das ist eine Freude, ein Friede und ein Leben, die uns niemand wegnehmen kann.  Eine Gnadengabe, die bleibt. Freude und ein Friede aus Gott meinen eine  Qualität jenseits von Smilies und "Das gefällt mir!" In dem wir uns auftun, ent-deckt und offen- bart ES sich.  Wenn man damit aufhört nur nach außen hin zu leben, öffnet sich eine unendliche Welt ( nach Edith Stein)

 

Solche Freude ist zart und dennoch groß,  frei und dennoch stark, leise und dennoch machtvoll.  Es kommt bloß darauf an ob wir uns tatsächlich dafür öffnen, oder nur die Stille genießen wollen und uns doch in Planung und Sorgen verlieren und von kurzatmigen Freuden oder spektakulären Events bestimmen und blenden lassen.  Da wartet ein großer ATEM. Da steht eine Freude bereit, die bleibt, wenn alles geht. Freude und Friede aus Gott gehen dem auf, der sich aufmacht. Unser Handeln wird davon  gewandelt. Aus kurzatmigem, reflexhaften Reaktionen und schönen Worten finden wir in einen ehrlichen und sorgsamen Umgang. Basis ist dieser  Frieden. So wird aus Empfindlichkeit langsam Achtsamkeit. Achtsamkeit hindert uns daran aus Verletzung heraus Krieg zu führen und Kostbarkeiten zu zerbrechen.

 

 

 

 

 

 

 

 

GRUNDWORTE DES ZEN

 

ZAZEN

Am 3. Adventssonntag behandelte der Impuls grundlegende Vorgaben unseres Übens. Wir hörten, was ZAZEN nach der Anleitung Dogens bedeutet. Dogen brachte das "reine Zazen" von China nach Japan, wo er 1053 starb.

Die Essenz des Seins trägt jeder Mensch in sich. Bei Zazen brauchen wir nichts hinzuzufügen, sondern nur wegzunehmen. Wir tragen alle Schichten ab, welche die Wahrnehmung dieser Lebensessenz in uns behindern. Viele Vorstellungen, die wir im Laufe des Lebens erworben haben, verdichten sich zu steinharten Häuten, die uns den Blick auf die Wirklichkeit versperren. Indem wir sie wegnehmen, wird der Blick auf die Realität wieder frei von allen Überlagerungen. Wir beginnen zu sehen.

 

Die Übung des Zazen wurde maßgeblich von Dogen Kigen Zenji (12000-1253) in seinem Buch Fukan Zazengi“ beschrieben:

 

Für die Übungspraxis des Zazen ist ein ruhiger Raum geeignet. Esst und trinkt nicht viel. Gebt alle Bindungen auf und ruht euch von den Pflichten des Alltags aus. Denkt nicht an gut und böse und an falsch und richtig. Hört auf über die Dinge nachzudenken und lasst alle Begriffe und Vorstellungen los. Versucht nicht Buddha zu werden!

In der Regel breitet man eine feste Matte aus, wo man sitzen will, und legt auf die Matte ein rundes Sitzkissen. Man kann entweder den vollen oder den halben Lotussitz einnehmen. Im vollen Lotussitz legt man zuerst den rechten Fuß auf den linken Oberschenkel und dann den linken Fuß auf den rechten Oberschenkel. Kleider und Gürtel sollen locker und doch wohl geordnet sein.  Danach legt man den rechten Handrücken auf den linken Fuß und dann die linke Hand in die rechte Handfläche. Die beiden Daumenspitzen berühren sich.  Haltet den Körper aufrecht und sitzt gerade, so daß ihr weder nach rechts noch nach links, noch nach vorn oder hinten geneigt seid. Es ist wichtig, dass Ohr und Schulter, Nase und Nabel eine senkrechte Linie bilden. Die Zunge sollte den oberen Gaumen berühren. Sowohl die Lippen als auch die Zähne liegen aneinander. Die Augen sollt ihr immer ein wenig offen halten. Atmet leise durch die Nase ein und aus. Wenn sich der Körper in der richtigen Position befindet, atmet tief aus und pendelt zu Anfang nach rechts und links.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

ÜBUNGSTAGE  5.12 und 6.12.

Auszug aus dem Vortrag

 

 

 KOCHEN UND ZEN

 

REIFE IM ZEN

Auch im Zenkloster gibt es eine Hierarchie. Die richtet sich nicht danach, was jemand weiß, sondern wie reif er im Üben geworden ist. Solche Weisheit entsteht nicht wie Sachkompetenz, die man erlernen  und wissen kann.  Im Zen geht es um die Kompetenz in „Sachen“ Leben. Leben ist jedoch keine greifbare Sache, die man wissen kann. Lebenskompetenz wächst aus innerer Erfahrung. Sie gewinnt man in der Schule des Lebens.  Im Zazen wie in der Kontemplation lernen wir also nicht etwas hinzu. Es geht nicht einmal um „etwas“.  Die Zen-Weisheit hat keinen Gegenstand. Es geht darum, dass wir das Leben selbst innig zu berühren und zu durchdringen beginnen.  Besser: uns berühren und durchdringen lassen vom wahren Leben, von bereits Gegebenem. Christliche Mystik nennt dies, eine Ein-bildung in Gott hinein, in unser wahres Leben.

 

ZAZEN IST ÜBERFLÜSSIG

Damit geschieht im Grunde nicht viel anderes, als das, was alle Menschen im Leben z.B. durch Konflikte, Schicksalsschläge, Krankheit, Abschiede und Verletzungen herausfordert: Verarbeitung, Integration und Versöhnung mit Erfahrenem.  Zazen ist daher vollständig überflüssig und unnötig. Wir können darauf verzichten. Man kommt auch ohne diese unmittelbare Selbstbegegnung durchs Leben und nicht mal schlecht.  Was im Zazen geschieht, das passiert nämlich sowieso in jedem gewöhnlichen Leben: Reifung durch Erfahrung, allerdings nur, wenn wir uns dem auch stellen.

 

ZAZEN IST EIN HOCHOFEN

Wenn wir üben, stellen wir uns all dem mit Entschiedenheit. Und mehr: Es ist, als ob wir unser ganzes Leben in eine Laborsituation bringen und darunter Feuer machen. Durch das Üben auf dem Feuerstuhl entsteht eine enorme Beschleunigung, Intensivierung und Vertiefung von Prozessen.  Wenn man den Bunsenbrenner unter das Reagenzglas hält, dann geht es richtig los. Beim Üben erlebt man solch starke Prozesse. Dies geschieht bei jedem und bei jeder Übenden. Es geschieht, auch wenn man es nicht selber merkt. Und nicht immer brodelt es offensichtlich wie im Reagenzglas. Manchmal läuft es völlig unspektakulär und scheint wie nichts zu sein. Doch immer läuft genau das Richtige und entscheidend Wichtiges, da wir den Prozess nicht selber steuern, sondern die Zügel lockern und loslassen.  

 

ZEN IST VERRÜCKT - WER NICHT KOCHEN KANN,  MUSS KOCHEN

Im Zenkloster wurde einstmals derjenige, der am weitesten in Sachen Zazen vorgedrungen ist zum Abt.  Und wer ebenfalls gut durchgekocht ist, der wird Koch!  Nicht derjenige, der am Besten kochen kann, sondern immer jemand, der weit gegangen ist, der Zweiterfahrenste. Bei uns wäre das immer ein bezahlter Koch oder jemand, der Ahnung von Ernährung und all den Hygienevorschriften hat.  Im ZEN ist das anders.  Ganz anders. Es kocht der Erfahrene. Man muß  vom Kochen nämlich nichts wissen, um einfach und gut zu kochen. Man muß nur selber gut durchgekocht sein.  Leben ist wie ein Eintopf. Da schwimmt alles mögliche in der Suppe: Möhren, Sellerie, Kartoffeln, Zwiebeln, Lauch, Erbsen, Bohnen, Gewürze. Im Zazen üben wir mit dem Eintopf „Leben“. Zazen ist nichts besonderes. Wir machen beim Üben bloß Feuer unter unseren Eintopf. Und dann passiert was. Das Gemüse wird gar. Er entwickelt Geschmack. Die Zutaten ziehen durch. Der Eintopf des Lebens wird schmackhaft. Und je öfter man unter den Eintopf Feuer macht, desto leckerer wird das Ganze.


 

KOCHEN UND ZEN

Es gibt einen neuen mainstream:  Gesund essen.  Und dieser neue Mythos treibt affige Blüten. Man hat gemerkt, dass der hohe Preis eines absolut „bio“ vollbesiegelten Lebensmittels gut funktioniert. Angeblich gesundes Essen ist aber gar nicht immer gutes Essen.  Teure Bio-Lebensmittel sind manchmal echt schlechte Sachen, für die wir auch noch viel bezahlen. Das heißt natürlich nicht, dass anderes besser ist.

Eine gute Ernährung, die hat etwas mit uns selber zu tun und der Qualität unseres Menschseins und viel weniger mit dem Produkt, das wir essen. Ob wir sitzen und wie wir selber da sind, das ist entscheidend wichtig für eine gesunde Ernährung. Ob wir dies oder jenes essen ist auch aber nicht zentral wichtig, das heißt: produktversessen bringt gar nichts, sitzen viel.


BEHANDLUNG

Ich bin darüber hinaus der festen Überzeugung: Die Behandlung eines Lebensmittels entscheidet über seine Qualität mehr als alle Etiketten.  Und das hat viel mit uns selber zu tun, also mit dem, der kocht. Bio-Siegel geben nur ein kleines Segment der Behandlung an. Behandlung von Essen, das ist jedoch viel mehr. Leider achten wir meist wenig oder garnicht darauf. Jedes Lebensmittel, selbst ein schlechtes, das gut behandelt wird, steigt – das glaube ich ganz fest - enorm in seiner Qualität.  Und angeblich beste Lebensmittel, die schlecht behandelt werden, werden unbekömmlich oder schmecken nicht recht oder machen sogar krank.

 

PFLANZEN UND TIERE ALS BEZIEHUNGSWESEN

Mit Behandlung meine ich zunächst, ob das Tier oder die Pflanzen, die wir essen, vor und während ihres Lebens und auch danach überhaupt in Beziehung  standen mit uns Menschen. Auch im Bio-Betrieb können Tier und Pflanzen nur gehalten und maschinell bekümmert werden.  Manches Bio-Essen auf unserem Teller kam nie mit einem Menschen in Kontakt.  Keine Hand hat es berührt. Es ist auch nur  maschinell gesät, geerntet, gewaschen, geschält, zerkleinert und bearbeitet worden.

Tiere und Pflanzen sind jedoch Lebewesen. Seit sie kultiviert wurden, haben Menschen immer nach ihnen gesehen, sie gepflegt und ihr Wachstum aufmerksam verfolgt.  So wurden sie Nutztiere und Nutzpflanzen. Rituale betteten Geburt und Aussaat, Wachstum und Reifung, Schlachten oder Ernte sorgsam ein.  Immer haben Menschen zumindest instinktiv gespürt, dass sie mit dem Töten, ein Tabu überschreiten, dass sie sich damit etwas herausnehmen, eine besondere Grenze überschreiten. Sie haben es getan, aber Tiere und Pflanzen blieben dabei in einem ehrenden, sorgsam gestalteten Kontext. Ihr Sterben war von Tötungsriten begleitet, auch um dieses Tun zu entschulden. Kulturpflanzen wie Tiere sind so Kontaktwesen geworden. In gewisser Weise sind sie hominisiert. Ihr Gedächtniscode enthält den menschlichen Kontakt und die pflegende Beziehung durch Menschen.  Über Jahrtausende ist ihr Leben eingebettet gewesen in ein solches Bezugssystem menschlicher Nähe und menschlichen Kümmerns. Beziehung und Bindung, das bildet nicht nur den Menschen aus.  Dieser Bildungsprozess droht zu verrohen, weil wir Menschen, das unseren Pflanzen und Tieren nicht mehr bieten, am ehesten noch unseren Tieren. Wir nehmen sie nur mehr in den Mund. Keine Hand berührt mehr das Samenkorn und das Fertigessen.


 

ESSEN ALS BEZIEHUNGSGESCHEHEN ODER ESSENSZUFUHR?

Menschenkinder verkümmern, wenn sie nicht berührt werden. Heute es gibt es Pflanzen, die haben in der Zeit als Samen, beim Gesätwerden, beim Aufwachsen, beim Reifen, beim Geerntetwerden, beim Verarbeitetwerden nur noch Kontakt mit Maschinen. Bei Tieren, die uns als Nahrung dienen, ist das genau so. Natürlich sind in der Möhre dann auch alle Vitamine und Inhaltsstoffe drin, die eine Möhre so hat.  Auch ein deprivierter Säugling wird erwachsen und hat als erwachsener Mensch alle Knochen und Organe und diesselbe messbare Zusammensetzung wie ein Mensch, der Zuwendung erfahren hat. Dennoch fehlt ihm etwas wesentliches. Er kann verkümmert sein. Die Bindungsforschung zeigt auf, dass manche Menschen z.B. schwer stabile Beziehungen eingehen können, wenn sie das selber nicht erlebt haben. Sie sind keine schlechten Menschen, sondern haben ein Handicap, weil eine Grundlage fehlt.

Sind wir wirklich so naiv zu glauben, dass  Nahrung aus volltechnisierter Landschwirtschaft , die auch beim Zubereiten nur durch Maschinen gejagt wurde, mit unseren Verdauungs-organen noch kommunizieren mag und sich nach einem solchen Leben noch mit uns vertragen will, in solch ungewohnter Umgebung? Es handelt sich doch schließlich um Lebewesen, dessen ererbtes und geprägtes  Beziehungsgedächtnis entsetzlich enttäuscht wurde. Erst haben wir uns ihnen jahrhundertelang in der Kultivierung zugewandt, dann sind wir beinahe völlig verschwunden: Welch eine tiefe Missachtung pflanzlichen und tierischen Lebens und Bedürfens geht mit der volltechnisierten Land- und Viehwirtschaft und der mechanischen Zubereitung von Essen einher? Dabei ist nicht die Technik schuld, sondern die menschliche Haltung, die in solch technischem Umgang mit Lebensmitteln Gestalt gewinnt.

 

ESSEN ALS KRANKMACHER

Wir sollten den Blick nicht auf das Extremste wie die Massentierhaltung verengen. Grundsätzlich sind Pflanzen und Tiere eben nicht nur Material zum Essen, sondern Lebewesen. Derzeit verkommen sie: Aus Lebewesen wird Lebensmittel oder Essmaterial. Als vom Menschen kultivierte Wesen, sind Pflanzen und Tiere zudem Beziehungswesen geworden. Menschliche Beziehung erst nach dem Tod, quasi auf dem Teller anzubieten, ist im Grunde nur mehr Totenkult. Ehren wir Pflanzen und Tiere, die wir essen, wirklich erst, wenn wir sie essen wollen, also posthum?

Glauben wir denn wirklich, solch enttäuschte Pflanzen und Tiere wollten noch von uns verdaut werden. Erleben sie das Tischgebet nicht als zynische und blasphemische Geste?  Wir danken Gott für Pflanzen und Tiere, die wir so zugerichtet haben. Empfindsame Menschen merken körperlich das Desaster.  Es ist ein Drama, das als Unverträglichkeit und Allergie, als Krebs und in vielerlei Erkrankungen auf uns selbst zurückfällt.  Wenn wir das breiteste Nahrungsmittel-angebote der Menschheit in den Regalen haben und  gleichzeitig ein Höchstmaß an mit Ernährung verbundenen Krankheiten, dann kann etwas im Kern nicht stimmen!  Das liegt gewiss zentral an unserem fahrlässigen Umgang mit unserer und der uns gegebenen Natur.  Wer als Pflanze und Tier chronisch gekränkt wird, der wird zum Krankmacher.  Daher kann auch gesundes Essen uns angreifen und vergiften.  Es trägt ein gekränktes Potential in sich, das wir nicht sehen.  Wir kaufen Essen mit Kränkungs-masse. Und die wiegt schwerer als ein Bio-Siegel. Und wir sehen das nicht einmal.  Was wir Pflanzen und Tieren antun, das tun wir immer uns selber an.  

 

 

 

 

 

 

SONNTAGSSTILLE - Impuls aus den Exerzitien im Advent 2015

 

 

Wir wollen an den 3 Sonntagen uns ein wenig von den sparsamen Gebärden und Gestalten des Zazen durch den Advent begleiten lassen. Heute beginnen wir mit „Gassho“

 

Gassho

 

Gasshō bedeutet vom Wort her „zusammengefügte Handflächen“. Es ist die Kurzform für Gatsu-sho.  Gatsu-sho ist die japanische Übersetzung eines Sanskrit Worte:  añjali, oder auch añjali-mudrā. Anjali ist die buddhistische Begrüßungsgeste. Man kennt sie auch als Namaste in Indien, als Wai in Thailand oder Sampeah in Kambodscha. Wörtlich bedeutet Namaste: Ich verneige mich vor dem Göttlichen in dir.

 

Wie macht man Gassho?

Die Handinnenflächen werden vor der Brust zusammen gebracht. Die Finger sind parallel, gerade und berühren sich. Wir achten also darauf, dass die Finger sich nicht überkreuzen und auch kein Zwischenraum zwischen den Fingern entsteht.  Die Daumen bleiben locker und haben einen natürlichen Abstand von den anderen Fingern. Die Daumenwurzeln können auf dem Brustbein aufliegen. Die Gassho-Haltung ist eine nicht angestrengte, also mühelose und natürliche Haltung.

Beim stehenden Gassho zeigen die Unterarme parallel zum Fußboden. Wir blicken auf unsere Fingerspitzen und konzentrieren uns auf die Mulde in der Handinnenfläche.  Wir lassen beim Gassho unseren Leib  (Körper-Seele-Geist) zur Ruhe kommen. In einer Anleitung heißt es: „Wir lassen den Geist  einspitzig werden und friedvoll.“  Einspitzig meint „konzentriert und gesammelt“.Nachdem der Blick auf die Fingerspitzen gerichtet ist, erfolgt eine leichte Verneigung.  In  der Regel keine tiefe Verneigung, sondern eine von einem halben rechten Winkel. Wir tun sie im Stehen aus der Hüfte. Wir machen uns also nicht krumm.
 

Gassho im Alltag

Würden wir jedes Mal, wenn wir unsere Hände in Gassho zusammenfügen, dies bewusst tun, so hätte dieses kleine Gassho immense Auswirkungen nicht nur auf unser Leben, sondern auf alle Wesen. Die Gewohnheit, Gassho zu praktizieren, formt eine Haltung. Wer den Geist des Gassho auch im Alltag in eine Haltung ausgebildet, gewinnt wachsenden Respekt für alle Lebensformen. Kodo Sawaki, der Meister von Meister Deshimaru, sagte oft bezüglich der Hände: „Wenn ihr die Hand zur Faust schließt, habt ihr automatisch einen kriegerischen, kämpferischen Geist. Wenn ihr aber spürt, dass in euch ein kriegerischer, kämpferischer Geist auftaucht, und in diesem Augenblick Gassho macht, ändert ihr euren Geist völlig und der Geist des Respekts und des Mitgefühls erscheint.“

 

Zur Bedeutung von Gassho

Die Geste besitzt eine doppelte Symbolik. Einerseits ist in Indien die rechte Hand die saubere und die linke die schmutzige, so dass das Zusammenfügen eine Aufhebung oder ein Zusammenbringen der Gegensätze andeutet.  Im Gassho fügen wir linke und rechte Seite zusammen.  Wir vereinen damit auch absolut und relativ, gut und schlecht, oben und unten. Gassho ist ein aktives Tun, bei dem die Polaritäten geeint werden.  Unser Tun gibt dieser Wirklichkeit einen Ausdruck. In unserem Tun sind  Polarität und Vielfalt zusammengefügt. Die duale Gegensätzlichkeit wird mit Gassho zur Einheit gebracht, nicht wie in einer Seifenoper aufgelöst.

Es gibt moderne Deutungen: Die rechte Hand repräsentiert das Ego, das Ich. Sie  ist mit der linken Gehirnhälfte verbunden, mit Sprache, Begriffen und mit Denken: Sie schafft all die Trennungen: „Ich und die anderen“, „Ich und die Welt“.  Mit der rechten Hand haben wir Zugriff zur Welt, benutzen wir Werkzeuge, arbeiten und „manipulieren“ wir.  Die linke Hand hingegen entspricht der rechten Gehirnhälfte. Sie ist komplementär zum dualistischen Geist. Hier nehmen wir eher unmittelbar und ganzheitlich wahr. Wir analysieren hier nicht und nehmen nichts auseinander sondern nehmen Ganzheit wahr. Es ist die Hirnhälfte der Intuition, der Kunst, der Weisheit, manche meinen der Spiritualität.

Traditionell sagt man, die linke Hand ist Buddha. Damit ist gemeint, was "jenseits" liegt aber da ist, und die rechte Hand ist was diesseits ist. Himmel und Erde, Gott und Mensch, Buddha und Ego sind beim Gassho nicht mehr separat und voneinander geschieden. Der Vollzug des Gassho unterschiedet sich daher stark von katholischen Händefalten als Gestus des Anbetens, so wie eins und zwei (Gassho), zu zwei (Händefalten).

Wenn man sich verneigt, macht man es mit Respekt und in Dankbarkeit. Gassho weckt den Geist von Verbundenheit und Einheit mit den anderen. Diese Geste ist ein wichtiger und echter Ausdruck von Zazen.  Sie schließt alle Lebewesen ein und alles, ja alles was da ist. Gassho kennt keine Hierarchie. Der Respekt gilt allen ungeachtet ihrer sozialen Stellung, ihrer Intelligenz, ob es Menschen, Tiere oder Pflanzen sind. Gassho ist schlichter Respekt für alles, was ist, für alle Wesen, für die ganze  Wirklichkeit, keine Gebärde der Unterordnung.


Gassho ist daher auch
Erwachen zur Wirklichkeit, Verschiedenheit in Einheit, Einssein in Verschiedenheit.  Im Vollzug werden Buddha mit allem Leben  zusammengeführt. Alles ist Buddha: Diese Erfahrung universalen Verbundenseins machte Siddharta zu Buddha.

Gasshō wird im Zen i.d.R. beim Betreten des Übungsraumes und vor dem Zazen vollzogen und je nach Zenlinie auch bei anderen Ritualen z.B. beim Rezitieren  benutzt. Von den Formen, die es im Zen gibt, ist das Gassho vielleicht die wichtigste. Gassho signalisiert auch den Respekt vor der Übung des Zazen. Es wird manchmal auch als schlichte Übung der Sammlung und Achtsamkeit vollzogen.
 


 

 

 

 

 

 

Abendimpuls 24.11. Jahresgruppe

 

 

 

Aus dem Abendimpuls 18.11. 2015 Jahresgruppe

 

 

 

MENSCHWERDUNG IM LEIB


 

 

 

Ganz Leib sein, heißt ein ganzer Mensch zu sein. Diese Ganzheit müssen wir nicht erarbeiten, wir finden sie wieder, indem wir auf sie achten. Der Mensch ist wesentlich Leib, nicht nur nebenbei. Eben in dem Maße, indem er im Leib ist, ist er auch an-wesen-d, also wesentlich da.  Und in dem Maße, indem er nicht im Leib ist, ist er ab-wesen-d, also nicht gegenwärtig.

Viele Kopffüßler können nicht wahrnehmen, dass sie nicht im Leib da sind. Sie haben sich von dieser Ganzheit verabschiedet. Sie leben getrennt von ihrem Körper. Seiner leiblichen Sprache sind sie entfremdet. Sie geben ihm erst Raum in der Wahrnehmung, wenn er krank wird und dann nur vorübergehend, bis er wieder läuft.

Leibbewußtsein ist immer Selbstbewusstsein. Ist mir der Leib fremd geworden, bin ich mir selber fremd. Nur über den Körper gelangen wir zum Leib. Psyche gibt es nur mit „Body“. Das eine wirkt mit dem anderen. Ohne Körper gibt es weder eine menschliche Psyche noch einen menschlichen Geist.  Selbst die Gnade setzt Natur voraus. „Gratia supponit naturam.“

Wie sehr der Mensch Materie ist, ruft uns der jüdisch-christliche Schöpfungsmythos in Erinnerung. Da formt Gott den Menschen aus Ackerboden. Damit hat er einen Körper gebildet. Wir sind ganz Materie und daher allem Materiellen verbunden. Dann haucht Gott der Tonfigur den Lebensodem ein.  So wird Materie zum lebenden Wesen. Darin sind irdische Substanz und göttlicher Atem verbunden, eins. Nun ist er Leib.  Leib beschreibt eine Ganzheit. Leib meint den beseelten, den mit der Seele und dem Geist geeinten Körper, eine schönes Wort, das andere Sprachen wie das Latein (corpus) das Englische (body) und das Französische nicht kennen (corps).

 

Als lebendiges Wesen ist die körperliche Existenz unsere Basis. Spiritualität ohne Leib gibt es gar nicht.  Damit nimmt jeder ernste spirituelle Weg den Körper zur Basis und den Leib zum Weg.  Auch das Atmen, mit dem wir üben, ist zuerst körperliches Geschehen. Doch ist Atmen darüber hinaus Lebensausdruck und Seelensprache. Im Atmen sind Körper, Seele, Geist eine untrennbare Ganzheit und keine getrennten Wirklichkeiten. Nur Sprache und Verstand unterscheiden. Nicht zuletzt wird Atem als heiliger zum Namen für eine Wirklichkeit Gottes.

 

Leibwerdung ist Menschwerdung und  Ziel jedes spirituellen Weges. Je tiefer wir Mensch werden, desto näher rückt uns die göttliche Wirklichkeit. Das Eine ist kein vom anderen getrenntes Geschoß. Es gibt nur EINE Wirklichkeit. Anders gesagt: Im Diesseits öffnet sich das Jenseits. Je tiefer ich Kind von Mutter Erde werde, desto näher tritt und wirklicher wird mir die göttliche Bestimmung. Es gibt nicht die Alternative von diesseits oder jenseits, sehr wohl aber die von Oberfläche und Tiefengrund, von entfremdeten Leben und ganzem Dasein, von Getrenntsein und Einssein.

 

 

 

 

 

 

 

 

Aus dem Abendimpuls, 11.11.2015 Jahresgruppe 

 

DA SEIN IM LEIB

 

Unsere Übung besteht im Sitzen. Ob wir das Zazen oder Kontemplation nennen, ob wir es mit „Sitzen in der Stille“ bezeichnen oder ihm gar keinen Namen geben, das ist sekundär: Immer geht es in der Übung um dasselbe. Und das ist etwas ganz Einfaches und Schlichtes. Und weil das so wenig von einem Besonderem hat, denken viele, es sei etwas Geringes. Erst auf den zweiten Blick merkt man, wie schwierig  dieses Einfache und wie herausfordernd gerade das Einfache sein kann. Und dazu erfahren wir etwas paradoxes: Gerade dieser  Mangel an Geschehen,  führt in eine große Weite. Kein Feuerwerk, aber sehr wohl Licht. Ganz viel Licht, aber im Dunkel: Erleuchtetes Leben beginnt sich zu entfalten.

  

DA SEIN - EINE ZENTRALE HALTUNG ÜBEN

Was wir üben ist nichts äußeres oder beiläufiges, sondern eine innere und zentrale Haltung. Und diese Haltung besteht im Dasein. Ich bin da. Ich sitze und bin da. Ich bin ganz und ungeteilt da. Sitzend finden wir zur Ganzheit. Sie ist gegeben. Wir brauchen nicht zu suchen. Sind wir voll und ganz da, beginnt ein Prozess, dessen Verlauf sich uns entzieht.  "Ich bin da". Das Zerbrochene braucht nicht behandelt und bearbeitet zu werden, braucht nicht nicht abgetan oder übergangen zu werden. Es  integriert sich ins Ganze: Verletzungen werden geheilt. Der Schlüssel zur Heilung ist also niemals ein Wissen oder ein Tun, nicht einmal die Selbsterkenntnis, sondern ein volles Da-Sein. Jüdisch und christlich gesprochen:  Sind wir da, dann treffen wir uns mit dem, dessen Name "Dasein" ist.

 

DER MENSCH - EIN LEIBWESEN UND WESENTLICH LEIB

Wohin geht unsere Ausrichtung? Am Anfang jedes Übens geht es immer darum beim Leib, genauer, im Leib und ganz genau: Leib zu sein. Sind wir nicht in unserem Leib, so sind wir garnicht wirklich da, sondern nur sichtbar, nicht an-wesend, sondern nur vorhanden, nicht präsent, sondern nur existent, nicht bei uns, sondern stehen neben uns oder sind Kopffüßler. Ihr merkt den großen Unterschied.  Wer den Leib übergeht, kann niemals ganz da sein. Leib sein ist das Wesen des Menschen. Nicht Leib sein bedeutet daher: Ich bin abwesend, vielleicht sonstwo oder in Gedanken. Gedanken sind Geräusche des Lebens. Gedanken sind nicht unser Leben, auch wenn es sich um neue, interessante und lebendige Gedanken handeln mag. Vielleicht können sie etwas von unserem Wesen ausdrücken, der Leib aber drückt nicht etwas von uns aus, sondern er ist immer „wir selber.“

 

LEIBSEIN ALS LEBENSBASIS

Menschsein bedeutet immer „Leib sein“. Menschliches Leben gibt es nicht am Leib vorbei. Volles und ganzes Menschsein finden wir, indem wir voll und ganz Leib sind. Hier gibt es Unterschiede in den spirituellen Übungswegen. In der jüdisch-christlichen Tradition führt die Fleischwerdung zum vollen Menschsein. Inkarnation und Menschwerdung sind eins. Aber es gibt auch die Abwertung und Verachtung des Leibes, die Idee, ihn zu überwinden oder ihn zu vergeistigen, oder ihn bloss als Instrument für ein anderes Ziel zu nutzen. Am schönsten sehen wir dieses Bild des Leibmenschen im Mythos der Schöpfung: Gott bildete den Menschen aus Ackererde. Wir sind also Materie. Wer meint, davon weg zu müssen um irgendeines geistigen Zieles  willen, der beraubt sich seiner Lebensbasis: Leibsein ist unser Leben. Spiritualitöt ohne Leib, das geht nicht.

 

WENDUNG ZUM LEIB - WOHNEN IM LEIB - LEIBSEIN

Am Anfang der Übung steht also immer die Zuwendung zu unserem Leib, ein Einlassen auf unseren Leib und ein Einswerden mit dem Leib. Die Sitzhaltung im Zazen erzählt vom Einswerden und Einssein.  Zuwendung zum Leib meint nicht, dass wir uns mit unserem Leib beschäftigen. Sitzen in Stille ist nicht Leibarbeit, sondern eine Verführung, ganz Leib zu werden. Statt einen Körper mit mir rumzutragen oder mein Gesicht als Gegenüber im Spiegel zu studieren,  geht es darum nicht bloß einen Körper als Objekt, also als Gegenüber zu haben, sondern „Leib zu sein.“ 

Wer Leib ist, für den findet die geschäftige Suche nach dem Leben in Fülle ein Ende. Es kehren Ruhe und Frieden ein.  Wer sich vom Leib trennt oder ihn nur wie ein Objekt behandelt, bleibt hingegen im Raum des Mangels hängen: Immer fehlt etwas zur Fülle, Unruhe und Beschäftigungsdruck sind die Folgen. Dasein im Leib ragt ins Dasein Gottes hinein. Sind wir gegenwärtig, sind wir nicht nur bei und vor dem, was die Tradition Gott nennt, sondern in dieser Wirklichkeit. Wir  erwachen aus dem Traum der Trennung.

Ganz Leib sein, heißt ein ganzer Mensch zu werden. Diese Ganzheit müssen wir nicht erarbeiten, wir finden sie wieder, indem wir vom „Körperhaben“ zum „Im Leib wohnen“ und weiter zum „Leib sein“ finden.

Wendung zum Leib - Einwohnen im Lein – Leibsein.   Zazen und Kontemplation sind direkte Wege dahin.

 

Leibsein: Manche meinen, da wären sie längst: Doch es ist nicht so, dass derjenige, der viel für den Körper tut und ihn reichlich massieren und behandeln läßt, auch wirklich im Leib ist.

 

 

 

 

 

 

Aus dem Abendimpuls, 28.10.2015  Jahresgruppe

 

 

 

 

 

GOTT SCHAUEN?


 

GLAUBEN ODER ERFAHREN?

Als ich am Samstag meiner ersten Zenlehrerin angerufen wurde, da erzählte sie mir aus ihrer Geschichte.  Sie handelt von einer Enge, welche in der Religion entsteht, wenn diese sich hochmütig von der mystischen Erfahrungswelt abschneidet, weil sie meint, alles bereits zu haben und sich im Vollbesitz der Wahrheit wähnt.  Sie stamme aus einer protestantischen Pastorenfamilie, deren Wurzeln bis auf Luther zurückreichten. Im Protestantismus gehe es zentral um das Wort der Heiligen Schrift. In der Schrift liege dieOffenbarung Gottes vollständig vor uns. Wir brauchen also nur zu lesen und zu glauben. Die Erlösung sei nämlich bereits fix und fertig. Höher hinaus zu wollen, das sei eine Anmaßung. Der Gipfel sei erreicht. Alles sei gegeben, man brauche nur mehr zu schlucken. Bereits als Kind habe ihr das nie eingeleuchtet. Wenn es doch Gott und Jesus Christus und den Heiligen Geist wirklich gibt, warum sollte man sie nicht wirklich treffen und berühren können? Kann man Gott etwa nicht selber erfahren?  Was ist das für ein Gott, wenn er sich nur damals zeigte und sich heute nicht mehr blicken lässt?  Gott muss es doch eine Freude und eine Lust sein, sich jedem persönlich zu zeigen!


 

GOTTESBEGEGNUNGIN DER BIBEL

Die Bibel ist voll von Geschichten, wo der längst verstorbene Jesus Christus den Seinen als lebendige Wirklichkeit begegnet. Er erschien ihnen. Sie konnten ihn sehen und wie Thomas gar berühren. Das hat Jesus selbst versprochen! „Selig, die reinen Herzens sind,denn sie werden Gott schauen.“  War nicht Moses dem göttlichen Geheimnis im brennenden Dornbusch begegnet.  Hat der Profet Elija es nicht vernommen im Säuseln des Windes, in der Stimme verschwebenden Schweigens, wie Buber ins Deutsche überträgt. Sahen die drei Jünger, die Jesus besonders nahe standen, auf dem Berg Tabor ihren Jesus nicht voll im Licht. „Und er wurde vor ihren Augen verwandelt. Sein Gesicht leuchtete wie die Sonne und seine Kleider wurden blendend weiß wie das Licht.“  Und wie war das mit Jesus selber? Fiel er als Gottessohn vom Himmel, oder wurde er dazu? Brauchte er nicht die Stille der Nacht und die Einsamkeit der Wüste, um in Gott einzuwohnen?  War er im Stall zu Bethlehem schon fix und fertig oder wuchs er durch Erfahrung ins göttliche Leben hinein, so vollständig, dass er von sich sagen konnte: Er selber sei ES.  Und hat nicht Paulus erst durch Erfahrung neue Ausstrahlung gewonnen. Gläubig war Saulus schon vorher.   „Unterwegs aber, als sich Saulus bereits Damaskus näherte, geschah es, dass ihn plötzlich ein Licht vom Himmel umstrahlte. (…) Und er war dreiTage blind und er aß nicht und trank nicht.“ Die Bibel steckt voller Geschichten, in denen Menschen das Göttliche sehen, berühren, hören und schauen durften. Wachsen in uns Vertrauen und Glauben nicht gerade durch solche Erfahrung?


WENN GLAUBEN  ZU VERTRAUEN UND HINGABE FÜHRT

Der Weg der Mystik ist in allen Religionen ein Weg der Erfahrung. Wo anderen das Licht des Glaubens reicht, will der Mystiker das Licht kosten: Erleuchtung.  Sie führt dazu, dass Leben in anderem Licht da steht und ein neues Vertrauen in die Wirklichkeit geboren wird. Tiefen-erfahrung führt in eine neue Qualität des Glaubens.  Aus dem „Für-wahr-halten“ wird ein Vollzug der Hingabe an das Leben und die Liebe: Aus dem statischen „Glauben an etwas“ wird innere Bewegung, ein  „Hineintrauen“ ins Einswerden mit Gott.  Wir werden hinein genommen in das, was längst da ist. Buddhisten sprechen von Buddhanatur. Damit ist keine Figur gemeint, sondern das, was wir im Wesen sind: Kinder des Lichtes.  Die Erfahrung trägt viele Namen und ist doch einzigartig.

 

 

 

 

MEISTER ECKEHART

So schaut denn die Seele Gott und kann ihn nicht durchschauen;

erkennt ihn und kann ihn nicht ergründen;

erfasst ihn, wie er sie erfasst und kann ihn nicht in sich fassen.

Alles überstieg ich sogar mein Ich; in Gottes verborgenstes Wesen gelangte ich: Da hörte ich ohne Laut, sah ohne Licht, roch ohne Duft,

schmeckte ohne Geschmack, tastete ohne Gegenstand;

Da war mein Herz grundlos, meine Seele sinnenlos, mein Geist gestaltlos,

meine Natur wesenlos.

O Wunder über Wunder:

Außen stehen, doch innen begreifen und ergriffen werden;

Sehen, doch das Geschaute selber sein;

Halten, doch zugleich gehalten werden!

Das ist das Ende,

da der Geist ruht in der Einheit und Ewigkeit.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Aus dem Impuls der Jahresgruppe am 21.10. - IN MEMORIAM TERESA DE AVILA  1515-2015

 

 

Teresa von Avila, Gotteserfahrung im Seelengrund

 

Kommentar zu den Worten Teresas auf der rechten Seite

 

Teresa ist eine spirituell Erfahrene. Die Erfahrung Gottes ist für sie keine Spekulation sondern Wirklichkeit. Von daher erklärt sich ihre starke Sprechweise. Teresa wird nie mehr zur Minimalistin. Den ihr Anvertrauten rät sie daher nicht zu ein "bischen". Aus innerer Überzeugung schlägt sie einen stärkeren Ton an: „Wir sollten alles tun!“. Das erinnert an die Sprechweise Jesu „Suchet zuerst das Reich Gottes und alles andere wird euch dazu gegeben.“ Teresa weiß, dass nur wir selber es sind, die das SEIN Kommen verzögern. Gott ist, was er ist: präsent.

 

Hier spricht sie nicht von der Verzögerung, die entsteht, weil wir nicht alles tun. Hier geht Teresa weiter. Sie behauptet, dass es unser eigenes aktives Tun ist, mit dem wir selber zusätzlich zur Verlangsamung immer wieder Hindernisse aufbauen, um den Liebesfluß abzulenken und uns vor Gnadenerweisen abzuschirmen.  Nach dem Motto: Es darf nicht zu schön werden.  Immer wieder dichten wir uns ab, bauen wir unsere Widerstandsbastionen aus, statt die Luke zum Himmel offen zu halten. Es gibt nicht zu wenig Liebe, aber wir haben ein Problem mit dem Annehmen, ein Empfangsproblem.

 

 

Auch bei diesem Wort fällt mir Jesus ein. „Das Reich Gottes ist in euch.“  Eine Gegebenheit, nach der wir nicht auszulangen brauchen."Du musst nicht über die Meere reisen, musst keine Wolken durchstoßen und nicht die Alpen überqueren. Der Weg, der dir gezeigt wird, ist nicht weit. Du musst deinem Gott nur bis zu dir selbst entgegengehen." (Bernhard von Clairvaux)  Ohne diese Selbstbegegnung und die damit verbundene Selbsterkenntnis gibt es

nach Bernhard kein Heil. Die Begegnung mit Gott findet im Himmel der eigenen Seele statt. Wir brauchen weder zu warten, noch in die Ferne zu reisen. Der christliche Himmel ist ein für alle Mal zur Welt gekommen. Die Gärten des Paradieses sind nicht so fern, als manche das glauben. Das Ziel der Reise ist eine Gegebenheit in uns, eine Gegenwart.

 

 

Menschen unserer Zeit werden die Existenz eines inneren, helleren Lichtes weitgehend abstreiten. Für viele ist nur das Wirklichkeit, was wir mit den Sinnen wahrnehmen. Denken und sinnliche Wahrnehmung aber greifen zu kurz. Was wir nicht sinnlich erfassen, ist jedoch kein frommer Traum sondern innere Realität. Das Instrument mit dem wir innere Wirklichkeiten wahrnehmen, ist meist nicht eingespielt worden. Es verfeinert sein Spiel, indem wir darauf üben.

 

 

 

 

Selbst wenn es so ausschaut, als ob es in uns dunkel sei, bedeutet das keineswegs, dass es stimmt. Im Gegenteil: Die Finsternis in uns ist eine Illusion, eine Täuschung, auch wenn sie uns echt so vorkommt. In Wirklichkeit sind wir erleuchtet. Gottes Präsenz in uns ist Realität unabhängig davon, ob wir sie merken oder gar realisieren. In buddhistischer Sprache: Wir sind Buddha. Gottes Licht ist nicht bloss beständig da, sondern unser wahres Leben jenseits aller Einbildungen.  Die Buddhisten sprechen von Wesensnatur. Die Verschattung des Lichtes, das sind unsere Blockaden und ungute Bindungen. Ungute Bindungen brauchen eine neue Ausrichtung, damit sie sich lösen.


 

 

 

 

Wir stehen vor der Herausforderung, uns auf unsere Seele und unser inneres Leben einzulassen. Das müssen wir keineswegs. Wir sind frei! Wir kommen auch mit reiner Außenorientierung durchs Leben und gar nicht mal schlecht. Die Seele besteht aus ganz vielen Wohnungen und die Wohnungen aus ganz vielen Kammern. Wir haben Tausende von Zimmern  frei zu durchschreiten, bis wir am ziel in unserer Mitte anlangen.  Es gibt keine feste Abfolge, die uns zwingend vorgeschrieben ist. Wir wechseln die Kammern, gehen vor und zurück, nach rechts und links. Die Seele verträgt dabei keinen Zwang. Wir können sogar wieder raus aus der Seelenburg und wieder zu Schildwachen werden, die den Eingang der Seelenburg bewachen oder Gärtner, welche die Außenanlagen pflegen oder Krämer werden, die ihren Schwerpunkt auf dem Markt haben oder Eventmanager bleiben, vielleicht auch die Sorte von Menschenkümmerern, die ihren Schwerpunkt bei anderen Menschen haben. Aber wir verpassen viel, wenn wir die Schönheit und Würde unseres inneren Lebens meiden. Wir verpassen das Schönste, wenn wir nicht zu uns selber kommen. Natürlich ist das ein anspruchsvoller Weg. Wie könnt Ihr euch vorstellen, ein Weg, der zu einem solch großen Ziele führt, könne ein leichter und ebener und von Gefahren freier Weg sein. Im Innersten begegnen wir dem Göttlichen. Das lohnt jede Mühe, - oder?

Das Eintreten in die Seele braucht immer die Sammlung. Das Durchwandern der Gemächer ist immer Reinigung, Dekonstruktion, Entschuppung und Kompostierung alten Mülls. Die Einung mit Gott ist immer Geschenk der Gnade.

 

Die Berührung des göttlichen Grundes ermöglicht ein neues Schauen.  Der Glauben wird in der Schau überschritten und verifiziert.

 

Teresas Worte:

Wenn  jemand mich liebt, wird er mein Wort halten; mein Vater wird ihnl ieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen."(Johannes 14,23) Du kannst diese Worte hören und sie glaubend annehmen. Doch welch' ein großer Unterschied besteht zwischen diesem Akt des Glaubens und der eigentlichen Erfahrung dieser Wahrheit! Du darfst fest davon überzeugt sein, dass die Worte Jesu nicht trügen.

Was uns jedoch immer wieder davon abhält, diese Glaubenserfahrung zumachen, ist unsere mangelnde Bereitung. Wir können uns von vielem nicht lösen, was dem Eindringen des Lichtes im Wege steht. Gott möchte uns und damit auch unsere Seele an sich ziehen und ihr tiefe Ruhe und bleibenden Frieden schenken. Mitten im Gewässer und in den Stürmen dieser Welt hast du die Möglichkeit, festes Land in dir und damit tiefen inneren Frieden zu finden.

 

 

 

 

 

Aus dem Impuls Jahresgruppe 07.10.2015

 

TRÄUME UND WANDLUNGSPROZESSE

 

 

Träume setzen innere Entwicklungsprozesse in ein Bild:  Sie machen deutlich, wie stark die Übung mehrtägiger Kontemplation in vollem Schweigen wirkt. Stille und Zazen helfen, das Beste zu wecken, was in uns steckt:

 

 

LÖSUNG EINES LEBENSKOANS

 

Ich träume, ich stehe vor einer Tür und muss da durch. Doch so sehr ich mich anstrenge, die Tür geht nicht auf. Ich drücke und stemme mich mit aller Körperkraft dagegen. Doch sie lässt sich keinen Spalt weit öffnen. Hartnäckig probiere ich es immer wieder unter höchstem Einsatz meiner ganzen Kraft. Doch nichts geschieht, außer dass ich außer Atem gerate und schweißgebadet bin. Ich gebe nicht auf und versuche es immer von Neuem. Irgendwann bin ich mit meinen Möglichkeiten am Ende. Ich fühle mich verausgabt und müde. Das Vorhaben ist aussichtslos. Ich komme einfach nicht weiter. Dabei muss ich unbedingt durch die Tür. Es ist wichtig, da weiter zu kommen. Ich darf nicht Abdrehen. Es geht um zuviel. Erschöpft, enttäuscht und ein wenig verzweifelt löse ich die Hand vom Türgriff. Ich komme einfach nicht weiter. Die Tür ist zu. Immer noch presse ich mit großem Druck gegen die Tür. Ich löse meinen Körper vom Holz derTür. Enttäuscht und müde trete ich einen Schritt zurück, wische mir den Schweiß von der Stirn und atme durch. Immer noch rast mein Puls und meine Augen lassen nicht ab von der Tür. Doch was sehe ich? Im Zurücktreten von der Tür beginnt sie sich von ganz alleine zu öffnen, allerdings in die andere Richtung. Sie ist gar nicht verschlossen. Sie ist nur angelehnt. Die Tür ist kein Hindernis, was ich knacken muss. Ich arbeite mit aller Kraft an Hindernissen, die keine sind. ES öffnet sich von alleine.“


 

ÖFFNUNG DER WAHRNEHMUNG –EINE NEUE BEWUSSTHEIT ENTSTEHT

 

Mir träumte zu Beginn eines Zen-Sesshins, dass ich ins Krankenhaus eingeliefert werde. Ich komme auf die neurologische Abteilung, wo mein Gehirn eingehend untersucht wird. Der Arzt teilt mir im Behandlungszimmer die Ergebnisse der Untersuchung mit. Er sagt: „Frau Sowieso,  wir müssen ihr Gehirn operieren. Da gibt es einige Teile, die wir heraus nehmen sollten und gegen Neue tauschen wollen. Heutzutage ist das für uns eine Routineoperation, und ihr Gehirn wird dadurch einfach leistungsfähiger.“ Ich überlege kurz. Dann antwortete ich entschlossen: „Wissen Sie, wenn sie schon die Schädelplatte öffnen müssen, dann machen wir es doch besser so, dass wir alles austauschen und statt des alten Gehirns ein neues einsetzen. Was halten Sie davon?“ Der Arzt lächelt: „Recht haben sie! Ich stimme ihnen zu! Ein ganz neues Gehirn ist die beste Lösung. Wir werden also transplantieren! Sie bekommen ein neues Gehirn."

 

 

 

 

Aus dem Impuls bei den Übungstagen III-1 und III-2 - Oktober 2015

 

 

WANDLUNG: WOHNORT MERKEN – MENTALES ZENTRUM


Wir sind nicht nur zerstreut, wir machen uns auch viele Gedanken und wir wohnen meist in unseren Gedanken. Halten wir atmend still, dann können wir merken, wie sehr unser Kopf  zum Lebenszentrum geworden ist.  Wir sind Kinder der mentalen Bewusstseinsstufe der Menschheit. Hier bewegen wir uns hauptsächlich in unserem Alltag.  Wir sind so konditioniert, in Gedanken zu sein. Natürlich besteht die Welt aus weit mehr als Verstand. Wir selber sind ganz Andere. Mehr als nur die Gedanken, die wir uns machen. Wenn wir im Kopf und in Gedanken sind, nehmen viele Menschen diesen Zustand so wahr, als wären sie da und bei sich.  In der Übung merken wir, das das eine Täuschung ist. Wir sind eben nicht präsent, wenn wir nur denken.  Wer denkt, ist nicht da, sondern sind immer sonstwo.  Er oder sie stehen immer neben sich. Wir sind nur in Gedanken, das heißt immer„Wir SIND nicht!“  Anders gesagt: Gedankenverloren ist auch verloren. Dasein ist eine  andere Lebensqualität als Denken. Wandlung setzt ein, sobald wir unseren Wohnort bemerken. Dadurch entsteht eine erste gute Distanz, zu dem, was wir oft für die Mitte des Lebens halten. So verlieren wir nicht den Kopf, aber das Denken wird wieder auf die Beine gestellt, eingebunden und integriert.

 

 

 

Ein neuer Text zum Abendritual 

Stille Tage vom 23.9. bis 27.9.2015 in St. Thomas

 

 

Eins mit Gottes Atem, sind wir unverletzbar und unangreifbar, schon jetzt.

Eins mit Gottes Atem, sind wir sicher und vollkommen geschützt, schon jetzt.

Eins mit Gottes Atem, bin ich ganz und vollendet, schon jetzt

Eins mit Gottes Atem, bin ich aufgeweckt und erwacht, klar und schön, schon jetzt.

Nicht mein Atem führt mich da hin. Mein Atem ist genährt und geführt,

belebt, durchwirkt und erfüllt vom großen Atem, schon jetzt.

Mein Atem ist nicht getrennt vom großen Atem allen Lebens.

Mein Atem ist heiliger Atem, schon jetzt.

Mein Atem ist SEIN Atem. ES atmet in mir.

Mein Atem ist eins mit dem Geistatem Gottes.

Nicht ich atme.

ES atmet mich.

Nicht ich führe.  Ich bin gut geführt.

Nicht ich sorge. Es ist gesorgt für mich.

Ich komme heim, schon jetzt.

Ich bin Vertrauen in aller Angst.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Aus dem Abendimpuls

Jahresgruppen III-1 + III-2

09.09.2015

 

 

 

ÜBEN - EINEN SPIRITUELLEN WEG GEHEN
 

Viele Menschen suchen inneren Frieden und versuchen es mit Zazen oder Kontemplation. Und das ist in der Tat ein bewährter über Jahrhunderte gepflegter Weg, der hält, was er verspricht. Dennoch sind es nur wenige, die ins Üben finden. Das hat viele Gründe, doch bestimmt nicht den, dass Menschen für die Übung ungeeignet seien oder umgekehrt.

 

Einer der Gründe ist gewiss der, dass niemand mehr  warten will. Ob an der Kasse oder an der Käsetheke: Jeder will gleich dran kommen und sofort bedient werden. Das, was wir uns wünschen, möchten wir schnell auf dem Tisch haben. Die Spanne vom Spüren eines Wunsches bis hin zur Befriedigung des Bedürfnisses wird immer kürzer. Wir gewöhnen uns ab zu warten. Der Mainstream möchte lieber "Schnell, schnell!"  Was geschieht da? Intensität und Tiefe, wird heute ersetzt durch Geschwindigkeit und die schiere Masse von Reizen. Die Welt wird nur mehr horizontal vermessen. Sobald ein Mangel auftaucht, sucht man auf Bildschirmen.

 

Entspannung geht mit Sport und autogenem Training, mit progressiver Muskelentspannung und  eutonischen Übungen viel  schneller. Doch Techniken ersetzen keinen Weg. Der Frieden der Entspannung reicht oft nur bis zur nächsten Anspannung. Ein Verfahren ist nicht dasselbe wie eine spirituelle Übung. Qualitative Wege - Wege nach innen - führen weiter und wirken nachhaltiger. Doch sie  brauchen Beharrlichkeit, einen langen Atem, Frustrationstoleranz, also eine gewisse menschliche Reife, einen rechten „Dickkopf“, nennt es Johannes vom Kreuz, eine  „entschlossene Entschlossenheit“, die heilige Teresa. Kontemplation auf der Basis von Zazen erfordert Entschiedenheit und Bereitschaft zum Üben. Es geht um einen eigenen, persönlichen Übungsweg. Aber vielen reichen kollektive Events. Sie vermeiden es, selber zu gehen und tiefer auszulangen.  Sie scheuen  das Warten und die Mühe des Lernens und Wachsens.


 

Fleißige Übung macht zuletzt wesentlich.

Man soll niedersinken in den allertiefsten Grund.“

 

Johannes Tauler

 

 

 

 

 

 

 

Morgenexerzitien III-2   31.08. bis 12.09.

 Impulstexte vor der Kontemplation

 

Soviel die Seele in Gott ruht, soviel ruht Gott in ihr.
Ruht sie zum Teil in ihm, so ruht er zum Teil in ihr. Ruht sie ganz in ihm, so ruht er ganz in ihr.

Meister Eckehart

Ich bin Atem und verbunden mit Erde und Kosmos. Atmend im Kontakt mit allen Räumen um mich her und allen Zeiten.  Atmend in Berührung mit allen Zellen meines Leibes und mit allen Bereichen meiner Seele.  Atem sein. Dein Atem, mein Atem, EIN Atem!

Kaktusblüte, ZENtrum 31.08.2015


 

Weg bei Primstal


Wer kommen will in Gottes Grund, in sein Innerstes, der muss zuvor kommen in seinen eigenen Grund, in sein eigenes Innerstes; denn niemand vermag Gott zu erkennen; er muss zuvor sich selbst erkennen.
Meister Eckehart

Der Mensch nehme eine gute Weise und bleibe immer dabei und bringe in sie in alle guten Weisen ein. Er erachte sie als von Gott empfangen und beginne nicht heute eines und morgen etwas anderes. Und sei ohne Sorge, dass er dabei etwas versäumt.Meister Eckehart

Die ein gutes Leben beginnen wollen, die sollen es machen, wie einer, der einen Kreis zieht.  Wenn er den Mittelpunkt setzt, so bleibt dieser stehen. Das will heißen: Der Mensch lerne zuerst, dass sein Herz fest werde, dann wird er beständig in all seinen Werken.

Meister Eckehart

Der Mensch muss jeweils nur eines tun, er kann nicht alles tun; es muss jeweils eines sein und in dem Einen soll man alle Dinge nehmen.
Denn wenn der Mensch alles tun wollte, bald dies, bald das und von seiner Weise lassen und eines anderen Weise annehmen, die ihm gerade viel besser gefällt, glaub mir, das brächte große Unbeständigkeit.  

Meister Eckehart


In der ewigen Geburt, die im Grund und im Innersten der Seele geschieht, ergießt sich Gott in die Seele mit Licht, so dass das Licht so groß wird, dass es sich ergießt und überfließt in die Kräfte der Seele und in den äußeren Menschen.

Meister Eckehart

 

 

 

 

 

 

 

Aus dem Abendimpuls 02.09. 2015

Jahresgruppen III-1   III-2

 

 

SPIRITUELLES REIFEN

 

 

WANDEL– DER NAME DER WIRKLICHKEIT


 

Alles um uns her ist im Wandel. Nichts bleibt wie es ist. Die Wirklichkeit erscheint nur in der Wahrnehmung unseres Gehirns als eine feste Größe.  Das gibt Sicherheit und Halt. In Wahrheit ist sie nicht statisch sondern dynamisch. Alles ist Schwingung, so die Physik. Das Einzige, was wir als eine feste Größe einplanen sollten, ist die Tatsache, das alles immer anders kommt. Bestand hat nur der Wandel. Würden die Zellen unseres Körpers den ständigen Umbau verweigern, wären wir schnell alt. Würde unsere Körperzellen sich nicht ständig erneuern, wäre das unser Todesurteil. Wir sind als Mensch viel älter als die meisten unserer Zellen. Nach sieben Lebensjahren sind wir - biologisch gesehen - fast  ganz neue Menschen.

 

   

Biologischer Wandel

   

Jeden Tag fallen uns etwa 80 bis 100 Haare aus. Eine Glatze bekommt man deshalb nicht. Unser Körper sorgt für Nachschub und bildet immer neue Haare. Ein Haar wird zwischen zwei und sieben Jahren alt, danach fällt es aus und wird ersetzt. Das passiert mit vielen Teilen unseres Körpers. Dieser regelmäßige Austausch hält uns in gewisser Weise jung und sorgt dafür, dass unser Körper über Jahrzehnte  funktioniert.  Zellen sind die kleinsten Bausteine unseres Körpers. Die meisten erneuern sich. Solange wir leben sind wir im ständigen Umbau. Bei Erwachsenen sterben pro Sekunde 10 bis 50 Millionen Körperzellen. Bis zum 30. Lebensjahr werden sie in der selben Zahl durch neue Zellen ersetzt. Danach kann die Zahl der neu gebildeten Zellen die Zahl der gestorbenen nicht mehr ausgleichen. So altern wir langsam. Die meisten unserer Zellen sind also jünger als wir selbst – die Zellen eines 50-Jährigen sind im Durchschnitt gerade mal  zehn Jahre alt.   Zellen leben unterschiedlich lang. Hautzellen erneuern sich innerhalb von vier Wochen. Die Haut unserer Lippen bereits alle 14 Tage.  Leberzellen leben etwa acht Monate und Muskelzellen halten bis zu 15 Jahre. Die Zellen, die unseren Darm auskleiden, werden innerhalb weniger Tage vollständig erneuert. Knochenzellen bleiben uns bis zu 30 Jahren erhalten. Die Oberfläche der Lunge erneuert sich wöchentlich.

Manche Zellen bleiben zum Glück erhalten, zum Beispiel diejenigen, mit denen wir im Hirn Erinnerungen speichern. Die Zellen des Herzmuskels werden nicht ausgetauscht. Sie arbeiten ein Leben lang. Nach einem Herzinfarkt kann der Körper sie – vor allem wenn wir älter sind – sie nicht mehr ersetzen. Auch Haarzellen im Innenohr, die Schall ans Gehirn leiten, tauscht der Körper nicht aus.   

Grob gesagt: Wir häuten uns wie die Schlangen. Nach sieben bis zehn Jahren sind wir biologisch gesehen fast  ganz neue Menschen.


 

Übrigens gibt es ein Lebewesen, das nicht altert: Es ist die Hydra. Der nur wenige Millimeter große Süßwasserpolyp ist immer taufrisch. Er altert nicht. Und damit stirbt die Hydra offenbar auch nicht. Schneidet man dem kleinen Polyp seinen Kopf mit den langen Tentakeln ab, wächst ihm tatsächlich ein neuer. Wird die Hydra in mehrere Teile zerschnitten, wachsen aus den Einzelteilen neue Hydren. Außerdem können die Einzelteile wieder zueinander finden

 

 


 

DER MENSCH – WESENTLICH UNTERWEGS


 

Ständiger Wandel, beständiges Unterwegssein:  Der Mensch ist homo viator, ein Wesen des Weges, wie alles um ihn her.  Nie bleiben wir stehen. Immer zieht uns weiter. Manchmal träumen wir davon, wie wir als Kinder sichere Unterschlüpfe und feste Hütten bauten.  Die Kinderbeschäftigung wird manchen Lebensaufgabe. Wir sehnen uns heim in eine feste Bleibe, einen beständigen Hort. Und finden ihn nie und können nicht bleiben und müssen in einem fort. Die Menschen vom (neuen) Weg war die eine der ersten Selbstbezeichnungen der Christen.  Und bevor man das Wort Buddhismus benutzte, gab es  das Wort vom WEG, - groß geschrieben!  Nur solange wir wandernd unterwegs sind, bleiben wir uns als Menschen treu. Unser Wandern wirkt Wandel.   Zwar suchen wir Ruhe, aber es finden uns immer nur Wege, wo wir  "der Stimme  des anderen Tages lauschen, der in uns beginnt" und erst aufhören zu wandern indem wir verwandelt sind (nach Kaschnitz).


 

SITZEN IN STILLE

 

Das hört sich für manchen nach Ruhe und Bleibe an.  Viele Menschen möchten  solch inneren Frieden finden und versuchen einen Entspannungsweg oder ein Relaxen. Selten finden sie jedoch in die Übung der Kontemplation und des Zazen. Das hat viele Gründe.

Ein Hauptgrund: Viele suchen Ruhe und Frieden, aber keine Wandlung: Entspannung und Stille light, die gibt es anderswo. So schnell, wie sie mit Entspannungstechniken kommt, so geschwind verfliegt sie wieder.  Im Zazen ist das anspruchsvoller, dafür aber nachhaltiger, weil wir uns wandeln lassen. 

 

Wenn wir still halten, spüren wir sehr unmittelbar und ungeschminkt unsere innere Wirklichkeit.  Die sieht meist anders aus, als wir das vorgeben und gerne hätten. Wenn wir still halten, löst sich unsere oberflächliche Vorstellung von uns selber auf. Unser Ichkonzept verflüssigt sich. Dabei gehen wir selbst gewiss nicht flöten, aber unser gefertigtes Profil, unsere eingefleischten Rollen, unser konstruiertes EGO sehr wohl.  Hier hat man also etwas zu verlieren  und was dabei rauskommt, das weiß man nicht.

 

BEGEGNUNG MIT ANGST

 

Damit einher geht oft eine große Angst.  Angst, mein ICH zu verlieren.  Bin ich noch da und wer bin ich dann, wenn ich all das nicht bin, was ich mir an Rang und Namen, Orden und Medaillen angeheftet habe? Wir spüren Angst vor Selbstverlust, dabei schuppen wir uns bloß.  Bei Angst halten wir fest.  Bei großer Angst flüchten wir ins Alte, suchen die Sicherheit im „Bisher“.  „Wie es war vor aller Zeit“, ist das laute Angstcredo derer, die Wandlung scheuen.  Wir rudern schnell zurück, wenn wir aus dem gewohnten Rahmen ins Ungewisse zu fallen drohen und große Furcht unser Herz befällt.  Dann fällt es schwer, dem Weg zu vertrauen.  Dann hören wir auf zu gehen und zu üben. Wir lassen uns nicht tiefer auf die Stille ein. Angst macht eng. Folgen wir ihr, dann bleiben wir derjenige oder diejenige, die wir meinen zu sein, aber die wir gar nicht sind. Unser Atem ruft uns beim Üben in die Wandlung. Im Atem, der das Herz unseres Sitzens in der Stille ist, wirkt unablässig der große Atem und ruft uns heraus.

Frieden und Stille sind keineswegs Hirngespinste. Sie wachsen uns aber eher zu, indem wir uns bewegen und uns öffnen lassen, uns neu auf den Weg machen. Und in den Zwischen-räumen des Atmens fühlen wir uns in seltenen Augenblicken bereits am Ziel: eine einfache Klarheit, ein helles Wachsein, Einssein mit mir und dem Leben, tiefer Friede. Weg und Ziel sind nicht dasselbe, aber keineswegs voneinander getrennt. (...)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Aus der Teilnehmerkladde 26.08.

Jahresgruppen III-1 und III-2

 

 

 

UNTERWEGS SEIN   -  ... BIS WIR VERWANDELT SIND

 

 

 

 

Alles fließt.“

Wer in denselben Fluss steigt, dem fließt anderes und wieder anderes Wasser zu.“

 

Heraklit, in "Flußfragmente"
 

Gleich mit jedem Regengusse
Ändert sich dein holdes Tal
Ach, und indem selben Fluße
Schwimmst du nicht zum zweitenmal.

 

Goethe „Dauer und Wechsel“


 

Dieses Eine ist gewiss: Die Gärten des Paradieses, die Täler der Finsternis

sind nicht so weit entfernte Länder, wie wir geglaubt.

Und nicht jeder Ernte stehen wir beraubt.

Tief in der Unrast Zonen, eh wir die Furche ziehn,

ehe wir bauen und wohnen

gehn wir so dahin fast wie ohne Schuld keinem Ding verschworen,

wartend in Geduld (...)

und lauschen der Stimme  des anderen Tages, der in uns beginnt

und hören nicht auf zu wandern bis wir verwandelt sind.

Marie Luise Kaschnitz

 

 

 

 

 

 

Bilder vom ZENtrum - August 2015 

 

Kürbis 21.8.


Bauernrose 21.8.


Rotkohl 21.8.


 

 

 

Zum Bernhardstag 20.08.2015

Aus dem Abendimpuls 19.08.2015  - Jahresgruppen

 

 

Wer nicht schweigt, hört nicht.

Josef Pieper

 

RÜCKZUG ALS CHANCE - KLAUSUR IM ALLTAG


 

Dem Wort Klausur haftet ein negativer Beigeschmack an. Es stammt von „claudere“ und  bedeutet  „abschließen“.  Daraus entstand die Bezeichnung "Kloster" und "Klausur". Klausur meint einen abgeschlossenen Bereich im Kloster, eine abgeschlossene Abgeschlossenheit also, ein doppelter Abschluss: Hier gilt das Schweigen. Hierhin kommt kein Gast von außen. Hier ist jeder mit sich und Gott allein: Die Einsamkeit und das „Habitare secum“ , das "Wohnen bei sich selber" werden hier gepflegt. Die Klause der Wüstenväter beschreibt den Anfang dieser Kultur des Einzelnen, die neben dem gewohnten Kollektiv der Familie den Luxus des Einzelzimmers erfand. Zazen und Kontemplation stammen aus dieser klösterlichen Tradition. Sie basieren auf dem einfachen Prinzip, das man durch konsequentes Seinlassen, sein Menschsein gewinnt: Gewinn durch Substraktion statt durch Addition, abziehen statt dazulegen, weniger ist mehr! Wir brauchen diese Erfindungen des Klosters für die säkulare Welt, für unser Kloster im Alltag mehr denn je. Klausur ist ein asketisches Prinzip.

 

Askese hat keinen guten Ruf.  Sie hat den Geruch von Zwang. Da sie etwas wegnimmt, scheint sie ein Feind des Lebens zu sein. Es gibt Weisen der Askese, die den Namen nicht verdienen. Wer sein Leben wegwirft und dabei Menschen in die Luft jagt, um vielleicht im Himmel als Märtyrer einen Lohn zu erhalten, ist ein Mörder. Und wer sich selbst und seinem Leib absichtlich Schmerz zufügt und gesundheitsgefährdende Entbehrung zumutet, übt negative Askese. Negative Askese meint, Schmerz und Leiden machten in sich selber Sinn oder bringen himmlischen Gewinn.

Nur weil etwas weh tut, hat es keinen besonderen Wert. Wir haben genug Schmerz und Leid auf Erden. Es macht keinen Sinn, für noch mehr Tränen zu sorgen.  Der Himmel rückt nicht näher, indem man sich absichtsvoll quält. Solche Askese dient nicht dem Leben. Negative Askese ist dennoch Wirklichkeit, ja Mainstream:  Dass ich mich selber gesundheitlich, psychisch, geistig und sozial zu Grunde richte, ist durchaus ein Trend. Die Zurichtung durch Arbeit ist Fakt. Sich unter Druck setzen, sich verausgaben, sich ausnehmen lassen, Streß in einer Dichte, dass ich das Gefühl für mich, mein Leben, meine Grenzen, meine Gesundheit langsam verliere.

Es sind da unendlich viele Gestalten solch negativer Askese, viele Weisen sein Leben zu Grunde zu richten und das Gefühl für die eigenen Wirklichkeit zu verlieren.

 

Klausur ist keine negative Askese. Sie hat etwas von klarer Grenzziehung, bewusstem Verzicht und  konsequentem Abschluß, aber nichts von "Schloß und Riegel", nichts mit Gefangenschaft zu tun. Indem wir Zazen üben, wählen wir freiwillig die Askese des „claustrum“.  Nicht “Claustrum et compressum“, sondern nur „claustrum“. Keine Kompression, kein Zwang, keine Unterdrückung, kein Pressen, kein Druck.  Askese ist eine eine völlig freiwillige Einschränkung.  Geschieht sie aus eigenem Antrieb und ohne Druck, so fördert sie unser Leben. Das ist ihr Sinn. Verzicht nicht um des Verzichtes willen. Abgrenzung nicht, weil wir masochistisch sind. Warum dann?

 

In der Stille  der Klausur kommen wir zu uns selber, indem wir alles Überflüssige, und alles Sonstige konsequent sein lassen. Auch unseren Appetit nach schönen Gefühlen und unseren Durst nach Neuigkeiten. Alles sein lassen: Das ist die konsequent asketische Haltung, die wir  in der Übung möglichst vollständig praktizieren.   

 

Sie hat zur Folge, dass wir damit aufhören sonst wo zu leben, und damit anfangen bei uns selber zu wohnen. Weitet sich dieses Tun in unseren Alltag aus, dann lernen wir, nicht mehr an uns selber vorbei zu leben. Und leben wir nicht mehr an uns vorbei, so lassen wir nicht mehr alles mit uns machen.

 

Damit  haben wir die Basis der Liebe gelegt. Die Basis der Liebe ist die Selbstliebe. Wir können andere Menschen nur im Maße der Selbstliebe gern haben.  Wohnen bei sich selber ist daher kein Luxus, sondern basale Voraussetzung dafür, ein liebender Mensch zu werden. Nächstenliebe pur gibt es nicht. Es mag ein gutes Gefühl machen, wenn man sich nur um andere kümmert. Die werden einen dafür loben, aber sich keines-wegs freuen können, wenn der Kümmerer dabei ausblutet.  

 

In der Klausur, in der Askese, entsteht Raum, darin der innere Mensch sich bilden kann. Es gibt nämlich nicht allein den aus mentalen und psychischen Möglichkeiten lebenden Menschen.  Es gibt den inneren, der nicht aus Kopf und Bauch,  aus Gedanken und Gefühlen, sondern aus seinem Grund lebt.  Wenn wir üben, Sonstiges, Überflüssiges und Beiläufiges - so wertvoll es sein mag - sein zulassen, dann wird unser Kopf endlich frei von dem vielen kognitiven Stress. Die Tränen fließen und unsere seelischen Räume entspannen, öffnen sich gar, klären sich und kommen zur Ruhe. Und wir finden endlich, wovon wir bisher nur Worte machten: Wir treten ein in eine Erfahrung: Die Gnade des göttlichen Grundes tut sich in uns auf.

 

Gönne dich dir selbst“, so nennt das der heilige Bernhard.  Dazu hilft uns die geniale Erfindung der Klausur. Ohne positive Askese, in der ich Überflüssiges und Gewohntes, Beiläufiges und vor allem die vielen Beschäftigungen sein lasse, wie soll mein „inneres“ Leben da voran kommen? Dazu braucht es wirkliche Auszeit: abgeschlossene Abgeschlossenheit. Klausur im Alltag: Das ist etwas anderes, als ein bißchen Stille und ein bißchen Friede, denen wir als Einkehr light überall begegnen. 

 

Selbstbegegnung ist Basis für inneres Wachsen. Es gibt also im Leben nicht nur die offensichtliche Entwicklung unserer rationalen und psychischen Möglichkeiten. Es gibt eine zweite nicht so offensichtliche Entwicklungslinie, die dennoch die maßgebliche ist.  Die erste betrifft unser alltägliches ICH.  Sie strebt in die Horizontale und eignet sich so Wissen und Welt an.  Ihr Modus ist das Haben und Wollen. Sie heißt Fortbildung und Persönlichkeitsentwicklung.

 

Die zweite führt uns aus der Horizontalen in die Vertikale. Dieser Bildungs-impuls  wendet sich aus dem Fläche zu Höhe und Tiefe. Ihr Modus ist das Sein. Diese Bewegung dehnt uns nach oben und unten aus, um Himmel zu berühren und Wesen ins ICH einzufangen. Solches heißt Exerzitium, Übung. Wird die Vertikale ins Ich eingebunden, wandelt dieses sich vom waagerechten Welt-Ich zum aufrechten Wesens-Ich. Der Erdenforscher wird Sohn und Tochter des Himmels. Dann wachsen wir immer noch in die Breite, aber dazu entsteht ein neues, qualitativ anderes Wachstum: Wir richten uns auf, auf aus Begrenzung, Alltagsenge und aller Ich-Einkrümmung. Wir finden in unsere wahre Größe und Würde. Wir treten mitten auf Erden ein in den Raum von Ewigkeit. Wir werden ganz und die horizontale Enge wird geheilt. Wir beginnen von einem anderen Ort aus zu leben. Solche Askese, die auf Zeit die Waagerechte sein läßt, führt uns nicht weg von der Erde, sondern dazu, aus den Ressourcen der Tiefe allen Daseins, aus göttlichem Grund, neu und anders zu leben. So können wir die Waagerechte viel tatkräftiger gestalten ohne krank zu werden vor lauter Arbeit.  Askese ohne Kompression wird zum engagierten Weg nach außen.

 

Gönne dich dir selbst, ist also kein Aufruf zum Luxusleben, sondern ein Weg der Selbstbegegnung. Er entsteht im Seinlassen und Zurücktreten-lassen der Welt des Habens, Wissens und Wollens. Ein Weg der Askese in Klausur, um einzutreten in unser wirkliches Leben. Ganzwerdung, volles Menschsein: In der Horizontalen geraten wir viel zu kurz.

 

 Worte des Bernhard von Clairvaux

  

Wie lange noch bist du ein Geist, der auszieht und nie wieder heimkehrt (Ps 78,39)? Bist du dir selbst etwa ein Fremder?  Wem würdest du dann nicht fremd, wenn du dir selber fremd bist? Ja, wer mit sich selbst leichtfertig ist, wem kann der gut sein? Denk also daran:

Gönne dich dir selbst.

Ich sage nicht: Tu das immer. Ich sage nicht, tu das oft. Tue es aber hin und wieder einmal. Freue auch du dich an dir selbst, wenigstens nach allen anderen.

 Deine Besinnung muss bei dir selbst beginnen, damit du dir selbst nicht gleichgültig geworden, dich vergeblich anderen zuwendest. Was nützt es dir, wenn du die ganze Welt gewinnst und einzig dich verlierst? Denn wärest du auch weise, so würde es dir doch an Weisheit fehlen, solange du über dich selbst nicht Bescheid weißt.  Wie viel dir wohl fehlte? Nach meinem Empfinden alles. Du könntest alle Geheimnisse kennen, du könntest die Weite der Erde kennen, die Höhen des Himmels, die Tiefen des Meeres: Wenn du dich selbst nicht kennst, glichest du jemandem, der ohne Fundamente eine Ruine statt eines Gebäudes errichtete. Alles, was du außerhalb deiner selbst aufrichtest, wird wie ein Staubhaufen sein, der dem Wind preisgegeben ist.  Keiner ist also weise, der nicht über sich selbst Bescheid weiß. Ein Weiser wird in Weisheit über sich selbst Bescheid wissen und trinkt als erster aus dem Quell seiner eigenen Wassergrube.   

Fang mit deiner Besinnung also bei dir selber an, und nicht nur das: Lass sie auch bei dir enden. Wohin dein Sinn schweifen mag, rufe ihn zu dir zurück und du erntest Früchte des Heils. Beginne und ende bei dir selbst.

    

 

 

 

"Die christliche Religion sollte uns in die Urerfahrung Jesu führen. Das wäre ihre vornehmste Aufgabe. Wie Jesus sollen wir uns erfahren im Schoß der Mutter oder an der Hand des Vaters. Das ist die einzige Zuwendung, die letztlich befriedigt. (...) Letztlich können wir Geborgenheit nur in der Tiefe unseres göttlichen Seins finden. (...) Menschen in diese Erfahrung zu führen, sollte das erste Anliegen einer Religion sein."

 

Willigis Jäger, in: Klang des Göttlichen, Münsterschwarzach 2015

  

 

 

 

 

 Impuls  - Stille Tage 2014 

EINSWERDUNG  NACH JOHANNES  

Die Erfahrung Jesus Christi kennt drei Weisen, die für Übende leitend sind: 

1. Interpersonal

Gott und Ich als Gegenüber

Jesus sagt: „Der Vater hat mich gesandt." Hier gibt es eine Unterscheidung zwischen dem, der sendet und dem, der gesandt wird, eine Beziehung zwischen Personen: „interpersonal“ Das Ich steht Gott gegenüber, hört und empfängt von ihm einen Auftrag. Christus wird hier als Gesandter vorgestellt. In dieser Vorstellung stehen wir vor Gott und beten ihn mit Worten an.   

2. Intrapersonal 

 Ich in dir und du in mir.

"Ich bin im Vater

und der Vater ist mir“

Jesus ist mehr als ein jüdischer Prophet. Jesus erfährt Gott nicht allein als machtvolles Gegen-über, sondern als eine tiefe, innere Wirklichkeit.  Aus dem Gott Gegenüber, von dem ich mich als getrennt erfahre, wird der Gott, dem ich in meiner innersten Mitte verbunden bin.  Gott ist bei mir und in mir. Ich bin in ihm. Der Vater wird eigene Lebensquelle und  Seinsursprung. Er zeugt den Sohn als sein Eigenes, nicht als Gegenüber. Der Sohn ist Ausdruck und Entfaltung des Vaters, untrennbar mit ihm verbunden                
 

3. Transpersonal – Eins

"Der Vater und ich sind eins."

Hier beschreibt Jesus seine wohl tiefste Erfahrung. Sein Leben ist so vollständig offen und transpa-rent geworden, für den gött-lichen Quell in ihm, dass er selber eins ist mit dem Lebens-wasser. Der Sohn selbst ist nun das lebendige Wasser, das allen Durst stillt. Vater und Sohn sind wesentlich eins. Gottes Sein entfaltet sich durch den Sohn, des Sohnes Sein durch den göttlichen Quell. Ein heiliges Durcheinander. Mensch und Gott sind eins im Sein. Diese Beziehung nennen wir  „trans-personal“ „Wie ich und der Vater eins sind, so sollt auch ihr eins sein.“ Hier  bin ich  eins mit Gottes Gegenwart. Gott wird Mensch, damit wir göttlich werden. Da bete ich nicht mehr nur an; mein Dasein ist Gebet.  

 

 

Die Erfahrung des Zen

 

Als ich eines Nachts in Meditation versunken war, geriet ich plötzlich in einen ganz merkwürdigen Zustand. Ich war wie tot. Alles war wie abgeschnitten. Es gab kein Vorher und kein Nachher mehr. Der Gegenstand meiner Betrachtung und mein Selbst waren verschwunden.

Das einzige, das ich fühlte, war, dass das Innere meines Selbst vollkommen geeint war und erfüllt von allem, was oben und unten und ringsum ist. Ein grenzenloses Licht strahlte in mir. Nach einer Weile kam ich wieder zu mir wie einer, der von den Toten auferstanden ist. Mein Sehen, Hören, Reden, meine Bewegungen und meine Gedan-ken waren ganz verschieden von dem, was sie bis dahin gewesen waren. Als ich tastend versuchte, an die Wahrheiten der Welt zu denken und den Sinn des Unbegreiflichen zu erfassen, verstand ich alles. Es erschien mir klar und wirklich. Ohne es zu wollen, begann ich, in übergroßer Freu-de meine Hände hochzuwerfen und mit den Füßen zu tanzen. Und plötzlich rief ich aus: Eine Million Sutras sind nur wie eine Kerze vor der Sonne. Wunderbar, wirklich wunderbar.

 

Kosen Imakita


nach:Niklaus Brantschen,

Als Christ Buddhist S. 63 

 

 

 

 

Aus dem Abendimpuls am 12.8.2015 - Jahresgruppen

 

 

LÖSUNGEN AUS SCHWEIGEN

 

 

 

 

Es gibt Menschen, die mit Frage und Konflikten beladen ins Zazen gehen, in der Hoffnung auf Besserung. Zazen ist gewiss eine starke Übung: Wenn wir das, was wir klären können, jedoch vorher erledigen, wird das uns und dem Üben gut tun. Wir brauchen Zazen nicht für Probleme, für die wir alles Handwerkzeug: Verstand, Worte und Klugheit in Händen halten. Was im Alltagsmodus zu bereinigen ist, dazu braucht es keine Versenkung. Dazu reicht unser Verstand.

 

Für Herausforderungen, Entscheidungen und Klärungen allerdings, die unsere menschliche Existenz betreffen, ist die Übung ein hervorragendes Werkzeug. Im Schweigen finden uns gute Lösungen. Verstand und Psyche sind für existentielle Fragen nicht ausreichend ausgestattet sind.  Wenn der Verstand herumeiert und das Bauchgefühl nur Blasen produziert, braucht es Stille. Im Schweigen warten Lösungen, die keine harte Arbeit erfordern. Im Gegenteil: Erst indem wir nicht agieren und handeln, haben Lösungen aus der Tiefe die Chance sich zu zeigen. Sie können uns finden. Mehr noch: Wir werden selber die Lösung, ohne sie in Händen zu halten.

 

Wir können von hierher verstehen, dass in den  klösterlichen, spirituellen Traditionen Schweigen so hoch bedeutsam war. Hier wahrt man das Schweigen,  wissend, dass das Schweigen uns bewahrt. Worte, die im Schweigen gründen, haben eine andere Kraft und Wirkung.  Ihnen eignet eine Kernkraft, denn sie werden geboren aus dem Kern des Daseins, der innersten Mitte. Ob ihrer Herkunft werden sie als zwingendes Wort gespürt, das Antwort weiß und Wege weist: Wie ein Wort Gottes, das keinem Buch entstammt als dem Zentrum unseres eigenen Herzens.
 

Wenn also jemand eine Lösung aus der Tiefe braucht, muss Begleitung dem entsprechend sein.  Sie aus dem Weg zu gehen. Niemals darf sie zwischen die Antwort und den Suchenden treten. Sie hat nichts zu sagen, geschweige denn, sich mit Ratschlägen einmischen.  Sie gibt nichts mit. Sie ermutigt bestenfalls, das Herz zu öffnen und geduldig zu horchen. auf die Antwort, die unsere Aufmerksamkeit braucht, um sich aufzutun.


 


 

 

 

 

 

 

Start der Jahresgruppen - 3. Jahresabschnitt

Abendimpuls 4.8.2015


 

SCHWEIGEN – MITTEN IM LÄRM


 

Musik ist etwas wunderbares und universelles. Doch wenn sie wie in Geschäften nur zur Verkaufsförderung verzweckt, in Wellnessoasen zur entspannenden Dauerberieselung benutzt, in Kirchen und stillen Räumen als Klangwolke instrumentalisiert wird, um Gefühle von Andacht oder Heiligkeit zu befördern, dann verliert sie leicht ihren Charme. Musik, die uns nicht mehr überrascht und anhalten macht, die uns nicht ganz Ohr und Sinn werden lässt, die nur mehr beiläufig abgespielt wird, wird unverbindlich.  Sie trifft nicht mehr unser Herz. Sie verliert allen Glanz. Sie wird seelenlos. Sie läuft - immer verfügbar – nur mehr so nebenher. Eine tote Konserve.  

 

Wir leben in einer sehr lauten Welt. Sie produziert nicht nur quantitativ viel Lärm. Sie tut es auch unablässig. All diese äußeren Geräusche erzeugen einen ständigen Strom, der uns vorgaukelt, es wäre etwas los auch wenn in Wirklichkeit tote Hose ist:  Nur viel Stress durch penetranten, akustischen Müll. Selbst mancher Wortaufwand täuscht bloß Leben vor. Nicht selten murksen Geräuschkanonen und Lärmregimenter jede Regung von echtem Leben ab. Dann ist es nur mehr laut und bewegt. Wir alle wissen: Es muss überhaupt nichts los sein, wenn es bloß bewegt oder nur laut ist.

 

Wenn wir zur Ruhe kommen, merken wir meist erst, wie laut es in uns ist. Und das ist zum Fortlaufen. Wir halten das kaum aus. Wenn wir also endlich Ruhe finden könnten, dann laufen wir lieber weg oder schalten das Fernsehen an: Die Berührung mit unserer inneren, unruhigen und lauten Wirklichkeit, kann sehr unangenehm sein. Viele denken, wenn es mal still wird: Da läuft ja nichts und greifen schnell zur Zeitung. Die Stille, nach der wir uns sehnen, macht eine unmittelbare Selbstbegegnung möglich: Das ist nicht immer schön! Da drücken wir lieber Knöpfe, hören Musik und gucken Bildchen. Diese unglaubliche Spannung zwischen Wunsch und Wirklichkeit hat Dag Hammerskjöld in seinem Tagebuch verewigt:

 

„Mitten im Gelärm, das innere Schweigen bewahren.“


 

Gibt es eine innere Stille, die stärker ist, als er ganze Lärm, für den wir nicht zu sorgen brauchen, der sich uns ständig und von alleine aufdrängt? Können wir dahin kommen, im Fundament unseres Daseins einen Frieden und eine Freiheit zu erfahren, die nachhaltiger und tiefer sind, als die ganze Geräuschkultur und der Lärm der Geschäftigkeit? Und wenn es so etwas gibt, eine solche Erfahrung, wie finden wir dahin?
 

Roberto Juarroz ist ein Poet aus Buenos Aires. Er schreibt in seinem Buch „Dreizehnte vertikale Poesie“ etwas ganz anderes.  Schon der Titel spricht davon, dass er nicht in die Weite will, bis zum Horizont und darüber hinaus. Vertikal, damit beschreibt er einen Richtungswechsel vom flachen Horizont zum Grund der Dinge. Und darin ist Tiefe immer auch Höhe, Wesen und Himmel werden synonym. Aus der lärmigen Bewegung wird traute Stille, in der ein Glanz durchdringt, der auch den Sonnenuntergang in der Horizontalen leuchten macht. In einem Gedicht des Buches  veranschaulicht er solch einen Richtungsumkehr mitsamt seinen eintretenden Folgen:

 

Heute habe ich nichts gemacht.

Aber viele Dinge geschahen in mir.

Vögel, die es nicht gibt, fanden ihr Nest.

Schatten, die womöglich da sind, erreichten ihre Körper.

Worte, die existieren, erlangten ihre Stille wieder.


 

Heute habe ich nichts gemacht.“

Nichtstun. Vertikale Poesie: Lyrik, die nicht nur verdichtet, sondern darüber hinaus reicht. Poesie, die anlangt in der Tiefe. Nichtstun: Gibt es in unserer hyperaktiven Welt jemanden, der dabei ein gutes Gefühl entwickelt, wenn der dem Götzen Arbeit ein Schnippchen schlägt? Nichtstun klingt für die Moderne wie ein ungeheuerlicher Tabubruch. Damit sollte einmal ein Reiseunternehmer werben. Bei uns bekommen sie nichts geboten, nur „Nichtstun“ ist angesagt. In keiner der Weisheitstraditionen dieser Erde, in keiner heiligen Schriften der Religionen, hat Arbeit einen hohen oder gar zentralen Stellenwert. Kennt jemand einen Satz wie: „Als Jesus mit Jüngern nach 10 Stunden von der Arbeit aus dem Steinbruch kamen, sprach Jesus: Selig, die hart arbeiten. Denn ihrer ist das Himmelreich."  - „Die Mönche Buddhas erbauten eine große Meditationshalle. Sie arbeiteten daran ein halbes Jahr. Als Buddha sah, dass sie zwar erschöpft aber noch nicht erleuchtet waren, schickte er sie an die Arbeit zurück." 

Wir brauchen das Rad der Zeit nicht zurückzudrehen.  Gearbeitet wurde zu allen Zeiten. Aber wir dürfen kritisch fragen: Warum erschrecken wir bei dem Wort Arbeit nicht, sondern eher bei der Vokabel „Nichtstun“. Warum verbinden wir mit unserem Arbeiten eher einen Adel und und assoziieren beim Nichtstun eher „Nichtsnutz“.


 

Vögel, die es nicht gibt, finden ihre Heimat.“

Vögel, die es nicht gibt sind von unserem Blickwinkel „surreal“. Aber es ist nur unser kurzsichtiges Alltagsbewusstsein, das - beschäftigt mit Handwerkern und Rechnungen – solche Existenz verneint.  Vögel, die es nicht gibt, die gibt es nur in unserem Sehen nicht? Vögel, die es nicht gibt, die gibt es nicht nur: Sie finden sogar heim, schreibt der Dichter.  In einfachen Worten ein großer Vorgang. In der Stille finden sich in uns nicht nur Wirklichkeiten ein, die wir negieren mögen, weil wir sie nicht wahrnehmen können, sie ordnen sich sogar und finden ihren Platz im Ganzen. Sie finden heim. Wir brauchen nichts dazu zu tun, als nichts zu tun. Und dieser Prozess geschieht sogar, obwohl wir die Vögel nicht zu sehen brauchen. So sind wir es letztlich, die einen neuen Platz finden, wenn die Vögel, die es nicht gibt, heimfinden.  Im Nichtstun kommen wir heim. Da ist alles getan.


 

Worte, die existieren, erreichten ihre Stille wieder.“  

Eine zunächst seltsam anmutende Komposition. Worte sind ja nicht Stille und Stille braucht kein Wort. Juarroz zieht jedoch geradezu eine Verbindungslinie zwischen Worten und Schweigen. Worte, die wirklich da sind, die echte Existenz beanspruchen und nicht bloß flüchtiger Schall sind, der kommt und vergeht, das sind Worte, die aus der Stille kommen, die sich im Schwiegen formen und von daher ihre innere Kraft und wesenhafte Stärke empfangen. Worte, die Existenz tragen, werden im Schweigen geboren.  Nur die Worte haben echtes und wirkungsstarkes Dasein, die im Schweigen wachsen und in der Stille das Licht der Welt erblicken durften.

 

Wie kommt man zum Schweigen und zur Stille? Nicht Handeln, das ist eine gute Übung. Der Dichter dokumentiert in seinen Worten, das vieles und wichtiges und wesentliches geschieht, indem wir uns in unseren Beschäftigungsmustern unterbrechen und es uns erlauben, einfach bloß da zu sein. Indem wir üben, nur da zu sein, sind wir noch längst nicht bei uns selber.  Aber wir kommen langsam dahin. Das heißt: Wir kommen heim. Wir finden dahin, bei uns selber zu wohnen statt sonst wo.

 

Eine solche Unterbrechung nenne Gebet. Gebet, das uns nicht unsere Muster aufbricht sondern uns neuerlich wieder beschäftigt, wenn auch religiös, ist horizontales Beten.

Wir brauchen ein vertikales. Vertikales Beten führt uns über das gewohnte Flachland hinaus. Es weitet den Horizont für Neuland. Es ist ein Beten, das keine Worte macht.

 

Angelus Silesius hat es so gedichtet:

 

„Gott ist so über all`s,

dass man nichts sprechen kann.

Drum betest du ihn auch

mit Schweigen besser an.“   

 

 

 

 

Juli 2015

Kurzimpulse / Erste Woche der Morgenexerzitien zum Sommeranfang

 


Montag  
NACH INNEN   


Geh in deinen eigenen Grund.
Dort im Innersten deiner Seele, da ist dein Leben und da alleine lebst du.

Meister Eckehart




JuLI 2015 Seerose ZENtrum



Dienstag
SEIN LASSEN


Wenn der Mensch in der Übung der inneren Einkehr steht, hat das menschliche Ich für sich selbst nichts. Es hätte aber gerne etwas, wüsste gerne etwas und wollte gerne etwas. Bis dieses dreifache Etwas stirbt,  kommt es den Menschen gar sauer an.
Das geht nicht an  einem Tag und auch  nicht in  kurze  Zeit.  Man muss  dabei aushalten, dann wird  es  zuletzt leicht und lustvoll.    

Johannes Tauler

Mittwoch
VERTIEFEN

Das Herz ist ein Teich.  Wirf Unrat rein, so trübt er sich. Grab ihn tiefer, so wird das Wasser klar.

Apophtegmata

Kaktusblüte


Donnerstag
HÖREN

Ich will sitzen und will schweigen und will hören,
was Gott in mir redet.

Meister Eckehart

Teich ZENtrum




Freitag
LEER WERDEN

Wäre ich bereit und  fände Gott  so weit  Raum  in  mir  wie in Jesus Christus. Er würde mich völlig mit seiner Flut erfüllen. Denn der Heilige Geist kann sich nicht enthalten, in all das zu fließen, wo er Raum findet und so weit er Raum findet.

Meister Eckehart

Duftrose - Juli 2015


 

 

 

Juli 2015

Impressionen aus dem Vortrag zum Übungstag 4.7. 2015

Vollständiges Skript unter zentrum.kontemplation@gmail.com  erhätlich

 

 

HEILWERDEN MIT DEN WÜSTENVÄTERN

 

DÄMONENKAMPF UND SELBSTWERDUNG  Wüstenvater Antonius

 

Geh, verkaufe, was du hast. Gib das Geld den Armen und du wirst einen bleibenden Schatz im Himmel haben. Dann komm und folge mir nach!“(Mk10,21). Antonius folgt diesem Wort und zieht in die Wüste. Dort schließt sich in ein verlassenes Kastell ein und wird mit seinem Innersten konfrontiert. Die Leute, die am Kastell vorbeikommen, erschrecken zutiefst: Aus dem Kastell  hören sie Antonius ganz entsetzlich schreien. Seine furchterregendes Lautstärke ist Ausdruck eines tiefen Kampfes mit dem, was ihm in der Einsamkeit an Wirklichkeiten begegnet. Dämonen und Ungeheuer quälen ihn und bereiten ihm Schmerzen und Leiden. Antonius steht in einer tiefen Begegnung mit seinen seelischen Schatten und seinem Dunkel. Die Leute brechen das Kastell auf, weil sie um das Leben des Antonius fürchten. Da tritt ihnen ein ruhiger, aufrechter, von innen her stark wirkender Mann entgegen. Athanasius – sein Biograph - beschreibt ihn so:

 

"Die Verfassung seines Inneren war rein, denn weder war er durch Missmut grämlich geworden noch in seiner Freude ausgelassen, auch hatte er nicht zu kämpfen mit Lachen oder Schüchternheit. Der Anblick der großen Menge brachte ihn nicht in Verwirrrung. Man merkte aber auch nichts von Freude darüber, dass er von so vielen begrüßt wurde. Er war vielmehr ganz Ebenmaß, gleichsam geleitet von seiner Überlegung und sicher in seiner eigentümlichen Art.“

 

 

RADIKALE  SELBSTGBEGEGNUNG IN DER WÜSTE - ZU SICH SELBER KOMMEN -  

 

Die Geschichte der drei Mönche

 

Drei Freunde werden Mönche. Einer von ihnen nimmt sich vor, Streitenden zum Frieden zu verhelfen. Der zweite beschließt, Kranke zu pflegen. Der Dritte geht in die Wüste, um in der Einsamkeit Ruhe zu finden.  Der Erste müht sich mit großer Hingabe um den Streit der Menschen. Mit mäßigem Erfolg: Er kann längst nicht alles in Ordnung bringen oder gar versöhnen. Irgendwann  ermüdet er; besucht erschöpft und ein wenig entmutigt den Zweiten, der sich um Kranke kümmert.  Auch diesem war es nicht gelungen, sein Vorhaben zu vollenden. Er hatte sich  schwer ins Zeug gelegt, nun jedoch war er ausgebrannt und zu schwach, um sein Vorhaben weiterzuführen. Da beschließen die beiden, dem Dritten in der Wüste einen Besuch abzustatten und zu schauen, was aus ihm geworden ist. Sie erzählen von ihren Anstrengungen. Dann bitten sie den Dritten, er möge ihnen erzählen, was er selber erreicht habe.

Der Mönch aus der Wüste zögert  mit der Antwort und denkt nach. Dann gießt er schmutziges Wasser in ein Gefäß, zeigt es seinen Freunden und sagt: „Gebt auf das Wasser acht!“ Dieses ist sehr trübe und unruhig. Nach einer Weile weist  er auf das Wasser und spricht: „Schaut,wie ruhig und wie klar das Wasser geworden ist.“ Und wie sie sich zum Wasser beugen, nehmen sie wie in einem Spiegel ihre eigenen Gesichter im stillen Wasser wahr: Sie sehen sich selbst. Da sagt der dritte Mönch zu ihnen:

 

„So geht es dem, der in ständiger Spannung lebt und sich immer ablenken lässt.

 Erst wenn er stille wird, besonders hier in der Einsamkeit, kommt er zu sich selbst.“

 

 

WORTE AUS DEM SCHWEIGEN

 

Es kam vor, dass der Wüstenvater im Kontakt mit Ratsuchenden schweigt.  Zunächst gilt es zu sehen, dass das Schweigen wohl für ihn einen höheren Wert darstellt als das Reden. Daher spricht er nur, wenn er darum gebeten wird.  Unaufgefordert redet er nicht. Die Rede des Abbas ist also immer erbetene Rede, mit der er sein Schweigen bricht.  Da der Abbas keine Lehren verkündet, antwortet er auch nicht aus dem „FF“.  Er muß selber warten, ob ihm ein weisendes und aufrichtendes Wort zufällt. Er kann ein solches Wort nicht ergreifen, denn es ist ihm nicht verfügbar. Entweder fällt es ihm zu oder es fällt ihm halt nicht ein. Daher kann es vorkommen,  dass er schweigen muß. Die Therapie der Wüstenväter schöpft aus der Stille. Ihre Worte basieren auf Zufluss aus innerstem Herzen.

Ein Bruder besuchte den Altvater Ammoes, um von ihm einen Spruch zuerbitten. Er blieb sieben Tage lang bei ihm, aber der Greis schwieg sieben Tage lang und gab keine Antwort. Dann schickte er ihn fort und sagte:

 

„Geh und habe selber auf dich acht! Denn zur Zeit bin ich von Gott durch  eine finstere Wand getrennt.“

 

 

MIT DEN VERSUCHUNGEN WACHSEN - VON IHNEN NEHMEN UND IHNEN GEBEN

 

Altvater Poimen fragte einmal den Altvater Josef: „Was soll ich tun, wenn die Leidenschaften an mich herankommen. Soll ich widerstehen oder sie eintreten lassen?“ Der Greis gab zur Antwort:  „Lass sie eintreten und kämpfe mit ihnen.“  Poimen kehrte in die Wüste Sketis zurück und setzte sich hin. Da kam einer von den Thebäern und erzählte: „Ich fragte Abbas Josef: Wenn die Leidenschaften mir nahe kommen, soll ich widerstehen oder sie einlassen?“ Und Josef gab zur Antwort: „Lass sie ganz und gar nicht hereinkommen, sondern haue sie auf der Stelle aus!“ Poimen hörte; dass der Thebäer einen ganz entgegengesetzten Rat erhalten hatte. Da machte er sich erneut auf den Weg zu ihm und stellte ihn zur Rede. „Ich habe dir meine Gedanken genannt. Auf meine Frage aber hast du etwas  ganz anders geantwortet als bei dem Thebäer. Was soll das? Es gibt doch keine zwei Wahrheiten? Was stimmt denn nun?“ Da sagte der Greis: „Weißt du nicht, dass ich dich liebe?“ Poimen sagte: „Ja! Das weiß ich wohl!“  Und Josef fuhr fort: „Erinnerst du dich nicht, dass du mich batest: So wie du zu dir selber sprichst, so sprich  auch zu mir?“  Poimen sprach: „Ich erinnere mich. So ist es gewesen!“ Da sprach Josef:

„ Wenn die Leidenschaften eintreten und du ihnen gibst und von ihnen nimmst, so werden sie dich bewährter machen. Ich habe also zu dir gesprochen, wie ich zu mir selber rede. Es gibt aber andere, denen bekommt es nicht, wenn die Leidenschaften an sie herantreten. Sie haben es nötig, sie auf der Stelle abzuschneiden.“

 

 

 

ARZT HEILE ERST DICH SELBER

 

Die Altväter der Vorzeit begaben sich in die Wüste und machten nicht nur sich selber gesund, sondern wurden auch noch Ärzte für andere. Wenn aber einer von uns in die Wüste geht, dann will er andere früher heilen, als sich selbst. Und dann kehrt unsere Schwäche zu uns selbst zurück und unsere letzten Dinge werden ärger als die ersten. Und daher heißt es für uns: Arzt, heile dich vorher selber!“

 Antonius

 

HERZENSRUHE

 

Ein wichtiges Kriterium, ob ein Wort oder eine Behandlung für einen Hilfesuchenden der momentan richtige und beste Weg ist, besteht für die Wüstenleute darin, ob sie bei dem Betroffenen innere Ruhe auslöst. Ein Wort ist dann stimmig und heilsam, wenn es den Ratsuchenden oder Leidenden still werden lässt und ihm Herzensruhe (Hesychia) schenkt.  Bewirkt das Gehörte im Gegenüber hingegen Unruhe, Druck oder gar Stress, so führt es nicht weiter, selbst wenn es eine geniale Wahrheit ist.

 

ENTSCHEIDEN

 

Wovon du siehst, dass es deine Seele im Einklang mit Gott will, das tue,

und du wirst dein Herz bewahren.“

 

 

GEDANKEN

 

Ein Bruder kam zum Altvater Poimen und sagte: „Vater, ich habe vielerlei Gedanken und komme durch sie in Gefahr.“ Der Altvater führte ihn ins Freie und sagte zu ihm: „Breite dein Obergewand aus und halte die Winde auf!“ „Das kann ich nicht!“ antwortete der Mönch. Da sagte der Greis zu ihm: „ Wenn du das nicht kannst, dann kannst du auch deine Gedanken nicht hindern, zu dir zu kommen. Aber es ist deine Aufgabe, ihnen zu widerstehen.“


UND FÜHRE MICH IN DER VERSUCHUNG

 

Altvater Johannes Kolobos rief zu Gott, ihn von Leidenschaften zu befreien.Dies geschah und er war ohne Sorgen. Einem Greis, den er traf, sagte er: „Ich stelle fest, dass ich in Ruhe bin und keine Anfechtung mehr habe.“ Der Greis erschrak und sprach zu ihm: „Geh und rufe Gott an, dass dein Feind gegen dich aufsteht, und so auch die alte Zerknirschung und frühere Demut wieder zurückkehrt. Denn gerade durch die Anfechtung macht die Seele Fortschritte.“    Er folgte dem weisen Rat und rief zu Gott. Da kam der Feind zurück. Von da an wünschte er sich niemals mehr, von ihm befreit zu werden. Vielmehr sagte er nun: „Gib mir Geduld mein Gott in meinen Kämpfen.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Juni 2015

Jahresgruppen, Jahresabschnitt II, 24.06.2015

 

ERFAHRUNG UND WANDLUNG

 

 

Von 1936 bis zum 1947 erforschte Dürckheim in Japan im Auftrag der Nationalsozialisten die „geistigen Grundlagen der japanischen Erziehung“. Dabei begegnet er dem Erfahrungsreichtum des Buddhismus und seinen vielfältigen Übungsgestalten.  Hier findet er ein Verständnis vom Menschen und seinen Möglichkeiten, dass nach seiner Ansicht  viel allgemein Gültiges enthält, eine Sicht, die hinsichtlich der Befreiung und Heilwerdung des Menschen weit über die Themen Gesundheit, Leistungskraft und soziale Einbindung hinaus ging.  Was ist das besondere des buddhistischen Menschenbildes?  Man begreift den Menschen von seinem Wesenskern her. Diese Einsicht ist kein rationales Konstrukt,  sondern basiert auf Erfahrung: WESENSERFAHRUNG.  

 

Anders als Dürckheim hält die christliche Mystik ausnahmslos jeden Mann und jede Frau für geeignet, diesen Wandlungsweg durch Hinwendung zum Wesen zu beschreiten. Wichtig ist nicht, dass jemand bereits eine hohe Bewusstseinsstufe erreicht hat, sondern eher, dass er sich bereiten will und mit ganzem Herzen übt: Zazen wirkt in jeder menschlichen Entwicklungsphase spezifisch.  Wichtig ist also, ob man eine Übungspraxis entwickelt und sich dem damit verbundenen strengen Exerzitium stellt.  Natürlich gibt es viele Menschen, die gut, tüchtig, zuverlässig und höchst intelligent, aber dennoch  nach Dürckheim seins-taub sind.  Auch die Bibel bewertet den Zustand vieler Menschen so: Sie haben Augen und sehen nicht, Ohren und hören nicht. Aber das ist keine  anthropologische Urkonstante: Menschen sind vielmehr so geworden, haben sich einen dicken Ich-Panzer zugelegt, sind durch verletzende Erfahrungen traumatisiert oder sind bloß daran gewöhnt auf alles andere, aber nicht nach innen und auf ihr Wesen zu hören. So, wie wir uns die Blindheit angewöhnt haben, können wir sie uns wieder abgewöhnen.  Sehen lernen, ist eine Übung, Erleuchtung eine Gnade. Ob man diese Möglichkeit wahrnimmt, ob  man das Organ der Seinswahrnehmung öffnen, ausbilden und nutzen mag, das ist eine ganz andere Frage. Ob man sodann dem Ruf seines Wesens folgen will, sobald man ihn vernimmt, ist ein neuer Schritt. Aus der Vorstellung Dürckheims, es bräuchte "besondere" Menschen für Zazen, entstand der Vorwurf des Snobismus, der sich bis heute gehalten hat. Zazen-Praktizierende sind keine Elite.  

 

Der Wandlungsweg des Zazen kann in zwei aufeinander bezogenen Schritten beschrieben werden. Zunächst geht es um Innenorientierung, also darum, mit der uns innewohnenden Transzendenz, mit Gott in Fühlung zu kommen.  Darüber hinaus  geht es um Gestaltwerdung. Was wir an Wesenhaftem berühren, bringt uns in eine neue Verfassung, körperlich, seelisch und geistig.  Von der inneren Wesenserfahrung her werden wir wesentlich und wirken ebenso nach außen. Wir werden, was wir sind und wirken aus dem, was wir sind.

Was lehrt Zen? Jeder Mensch ist seiner ursprünglichen Natur nach Buddha, wie Eis seiner Natur nach Wasser ist. Diese prinzipielle Wirklichkeit des Wassers ist unsere Wahrheit. Dieses ursprüngliche Antlitz entdecken wir im Prozess des Übens wieder. Ist es entdeckt, so kannn es sich entfalten. Um dahin zu kommen, dass Eis Wasser wird, braucht es nur zu schmelzen. 

 

Was wir in der großen Erfahrung für kurze Zeit berühren, bleibt ein Kratzer im Lack, wenn es sich nicht in unserer menschlichen Verfassung ausbilden und Gestalt gewinnen darf. Wir können in das hinein verwandelt werden, was wir berühren.  Die vorübergehende Seins- oder Gotteserfahrung wird vom kurzen Geschehen dann zum tragfähigen, neuen Habitus. Erleuchtung wird Alltag. .

In Christus seid ihr eine neue Schöpfung, denn das Alte ist vergangen und Neues ist geworden, so beschreibt Paulus die Ausformung dieser inneren Wesenserfahrung in das Ganze unseres Menschseins. Unsere Übung hat daher zwei Gesichter. Einmal bereiten wir uns zur großen Erfahrung (Satori). Das Exerzitium öffnet uns dafür. Darüber hinaus ist es ein Exerzitium ad integrum. Was wir erfahren, wird ganzheitlich integriert. Seinserfahrung und Weg der Wandlung gehören zusammen. Eine Erleuchtung gibt also noch keinen Erleuchteten.  Sie ruft uns und fordert heraus, dass wir werden, was wir erfahren: erleuchtet. Anders gesagt: Unser ganz gewöhnliches Leben darf ein erleuchtetes Leben werden. Erleuchtung , die unseren Alltag nicht zu einem erleuchteten Alltag macht, ist bloss eine Nebelkerze. Sie macht starkes Licht, doch dann erlischt sie, hat ausgeleuchtet und ist dahin.

 

Wohl ist das Ziel jeder Übung eine bestimmte, möglichst vollendete Leistung, der Sinn aber (…)  heißt der Mensch. Das bedeutet (…) ein Durchlässigwerden für die uns innewohnende Transzendenz, das ihn unabhängig macht von den Bindungen der Welt.  Dies meint vor allem: Herr zu werden über sein weltbezogenes und weltbedingtes,  kleines Ich!  Im Buddhismus ist der Abbau der Ich-Herrschaft mit der Vorstellung verbunden, einmal endgültig eingehen zu können in das all-eine Sein."

Karlfried Graf Dürckheim, Erlebnis und Wandlung, S. 44

 

Das Üben ist keine einer Leistung oder einem Ziel dienende Technik. Alles Üben ist viel mehr auf Transzendenz hin ausgerichtet.  Wird es sportlich absolviert, macht es uns sportlich. Wird es als einem Ziel dienende Technik geübt, bleibt es Technik.  Tun wir es als Entspannungsübung, wird es zum Entspannungsverfahren. Wird es wie ein heiliges Tun vollzogen, so heiligt es unsere innere Verfassung. Dann werden wir nicht müde, wenn wir stundenlang dasselbe tun.  Jede Verneigung dürfen wir tun als eine heilige Handlung. Dann heiligt sie uns.

I

st das nicht seltsam? Im Osten, wo die Wiedergeburt  in ein neues Leben - das heißt die Fleischwerdung (Inkarnation) - das Grundübel ist, aus dem man erlöst werden will, entsteht eine spirituelle Kultur, die ganz auf den Leib bezogen ist. Im Westen, wo wir die Fleischwerdung Gottes – die Inkarnation – als Glaubensgeheimnis hochhalten und festlich feiern, wird der Leib bei Gottesdienst, Gebet und Exerzitien meist vergessen, als Nebensache gesehen, oder nicht beachtet. Und so kommt es, dass Yoga, was übersetzt bedeutet „Anjochen am Absoluten“ im Westen oft als bloße Gymnastik genutzt wird.

 

Beim  Zazen  wird aus dem ES des Körpers, das ICH des Leibes. Aus dem Körper als gegenübergestelltes Objekt, an dem man rummacht, wird Leib, als Wirklichkeit und Ausdruck meines Daseins, Leib, den man achtet statt ihn mit sich rumzutragen, weil man selber Leib ist. Statt äußere Leistungen zu erbringen, steht er in unserem Übung im Dienst und im Zentrum der Menschwerdung. Den Körper, den hat man, der Leib, das ist man. Leib ist immer die Weise, wie ich in der Welt da bin.

 

Man kann so oder so im Leib da sein. Es gibt das Dasein im Leib, bei dem man physische Störungen spürt. Dann sind wir an Gesundheit orientiert. Es gibt das Dasein im Leib, das auf die äußere Gestalt schaut, dann  sind wir an Schönheit orientiert. Wahre Schönheit kommt von innen. Das ist die dritte Weise im Leib da zu sein. Dann sind wir an Transparenz orientiert.  Wir sind durchlässig für unsere  Wesensnatur. Sie bildet und formt unseren Leib.

Die zen-buddhistische Orientierung am Leibe löst die Deformationen, die unserer Wesensnatur widersprechen, die uns daran hindern, die uns aufgegebene Form „Mensch“ zu verwirklichen.  In der Übung, im Atmem, in der Haltung und in der guten Balance gelöster Spannung spielen wir nicht an Details, sondern wir bilden unser Menschsein aus, unsere Gestalt, unser Dasein, unsere Wesensnatur. Wir werden so Mensch und Buddha in einem. Wir gehen Gott bis an die Grenzen unserer Möglichkeiten entgegen, so sagt es einmal Pater Lassalle.

 

 

 

Dieser Impuls greift Gedanken Karlfried Graf Dürckheims aus seinem Buch "Erlebnis und Wandlung" auf, vor allem die Seiten 42 bis 47
 

 

 

 

 

 

 

 

 

Jahresgruppen, Jahresabschnitt  II, 17.06.2015

 

 

STILLE FINDEN IN EINER LAUTEN LEISTUNGSGESELLSCHAFT


Stille fehlt

Stille war zu früheren Zeiten eine selbstverständliche Lebensqualität. Heute schwindet sie. Sie fehlt uns. Einmal äußerlich, denn die wachsende Technisierung füllt jeden Lebensraum Häuser wie Natur mit Geräuschen, mit Piepen und Fiepsen. Auf dem Camino Santiago tat uns die Hochebene Kastiliens so gut, weil sie kilometerlang ohne viele optische und akustische Reize blieb.  Die Weite des Raumes: Da können Seele und Geist frei und ungestört ausschwingen. Der Raum in Kastilien war eben und leer und frei von Störungen. Solch äußere Stille müssen wir heute suchen.


Stille ist nicht Ruhe

Ruhe und Stille sind nicht dasselbe. Stille ist etwas organisch gewachsenes, das aus unserer Mitte, unserem göttlichen Wesen genährt ist.  Das Wort Ruhe meint meist etwas anderes als Stille. Das klingt durch, wenn wir sagen: „Ich brauche jetzt Ruhe.“ Ruhe richtet man ein, weil es einem einfach zuviel wird. Ruhe verschafft man sich, damit die Lebensbalance nicht aus dem Ruder gerät. Ruhe ist also etwas, was wir selber tun, wann und weil und solange wir es wollen. Ruhe ist ein Still-legen aus eigenem Antrieb.  Stille kommt hingegen von innen und tritt von alleine ein. Ruhe kann man einrichten, Stille nicht machen. Stille ist aus Gott, Ruhe geht von uns selber aus. 

 


Stille und Leistung

Der Mangel an innerer Stille betrifft gerade die Engagierten und Leistungsträger. Kraft ihren hohen Begabungen – Kraft, Phantasie, Offenheit, Sensitivität, Gestaltungswillen, intellektueller Stärke, Motivation, Kreativität,  Begeisterungsvermögen, Einsatzfreude, Kompetenz – kommen sie in verantwortliche Positionen.  Und gerade so bauen sie Schritt um Schritt inneren Druck auf. Aus Herausforderungen, werden Forderungen. Aus Forderungen schließlich Überforderungen. Die innere Spannung, die zusätzlich  durch Arbeitsverdichtung und Beschleunigung gefördert wird, ist aber das genaue Gegenteil von Stille.  Man findet nicht einmal mehr Ruhe, selbst wenn man sich bemüht, sie zu finden.

Menschen, die Verantwortung tragen, bannen die Fülle der Spannungen, die sie von innen bedrängen, oft Jahre und Jahrzehnte mit beachtlicher Selbstdisziplin. Das funktioniert eine Zeit lang. Aber das Verdrängen des zunehmenden Druckes und ein eisernes Weitermachen bei wachsenden, inneren Spannungen führen nicht weiter. Äußerlich sieht das lange noch ganz ordentlich aus. Doch innerlich entsteht Unordnung. Die seelischen Dynamiken geraten durcheinander. Messbar zeigen die Körperfunktionen eine erschreckende Verstörung des Ganzen an. Das Schlimme daran: Die davon Betroffenen spüren durch aufgebaute Spannung den Ernst der eigenen Lage nicht mehr.  Nicht selten streben sie nach schneller Reparatur , um weitermachen zu können wie bisher. Die durch Stresse wachsende innere Unordnung zeigt sich in Empfindlichkeiten, Nervosität, Stimmungsschwankungen, schlechter Laune, Dünnhäutigkeit u.v.m.  Und wenn die Fassung nicht mehr hält, folgen unerwartete Explosionen oder ein Kollaps.


Verantwortungsträger und die innere Basis

Es ist die echte Stille, die unser Inneres ordnen kann, die das Fundament für äußeres Tun ist. Aber wir haben meist selber und freiwillig den Zugang verbaut. Und wir brauchen wieder „echte Stille“, damit wir von innen gut getragen, genährt und geleitet sind.  Technische Reparaturen tragen oft  nur bis zur nächsten Störung. Kommt wieder Druck auf, droht der nächste Zusammenbruch. Medis und Entspannungsübungen tragen nicht weit. Wenn wir den Zugang zu wahrer Stille finden, dürfen sich Lebensmuster nachhaltig und von innen aus wandeln. 


Menschen ohne Rang und Namen

Dennoch kennen wir auch anderes: Menschen erleiden Niederlagen und werden dennoch nicht klein. Menschen werden persönlich angegriffen und bewahren inneren Frieden. Menschen verlieren alles, was ihnen Rang und Namen gab und strahlen dennoch Ruhe und Frieden aus. Ruhe, die von einer Position ausgeht, ist eine artifizielle Stille. Sie entsteht durch eine Machtposition. Sie bricht zusammen, wenn ich die Position verliere oder  kündige.   Warum bewahren Menschen, die in Teufels Küche kommen, die innere Stille? Ist es ihr Können, ihre Überlegenheit, ihr gutes Nervenkostüm? Gewiss nicht!

Der Schlüssel ist eine Qualität, die aus der inneren Stille wächst: Menschen leben anders, wenn sie für sich selber nichts wollen. Sie stehen in einer Freiheit, die es ihnen ermöglicht, den Geltungswunsch des Ichs loszulassen.  „Mensch ohne Rang und Namen“ ist der Name eines Zenlehrers. In der ersten Lebenshälfte bauen wir unser ICH auf, in der zweiten verabschieden wir die Konstruktion. Das Bauwerk da, das bin ich garnicht. Mein Namensschild steht bloß drauf. Ich klebe nur dran. Ich werde frei, Positionen zu räumen. Ich hänge nicht an Vorstellungen, Posten und Mustern. Wir nehmen Abschied von der Vorstellung, das Leben müßte meinen Vorstellungen entsprechen.

 

 Der wesentliche Grund, warum wir nicht zur Stille finden, ist die Unbeweglichkeit unseres ICHs.
 Man kann es auch umgekehrt formulieren. Das ständige Treiben und das unentwegte Drängen des Ichs! „Alles was zwischen mir und Gott steht, ist mein EGO.“ heißt ein Spruch aus dem Islam.  Der Grund unseres Wesens wird nicht durch andere oder anderes an seiner Entfaltung gehindert, - sondern ganz zentral durch mich selbst.

 

 

 

 

Beglückend ist die Stille, die von einem Menschen ausgeht,

der ganz einfach und menschlich ist, was er ist,

und der sein Schicksal überwindet, weil er es hinnimmt.

Beglückend ist die Stille eines Menschen, den keine Position und kein Ehrgeiz verleitet, sein inneres Maß zu verletzen, und verführt, sich anders zu geben oder zu wollen, als er seinem Wesen nach ist.

 

Beglückend ist seine Stille, weil sie auch den anderen frei macht,

frei in seinem eigenen Menschsein und dadurch allein auch erst frei

zur Entfaltung seiner schöpferischen Kräfte.

 

Denn das ist die Frucht eines Werdens aus der Wahrheit gegenüber dem eigenen Wesen, dass dem Menschen nicht nur der Friede mit sich und mit Gott geschenkt wird, sondern dass auch die Kräfte zur Leistung ihr volles Maß erst gewinnen.

Es entfällt der Kräfteverbrauch aus der Lüge des falschen Anspruchs.

 

Nur die Lebens- und Leistungsentwicklung, die nicht aus einem planendenWillen hervorgeht und ihr Gesetz nicht mehr aus dem Ich-Anspruch nimmt, sondern aus der geheimnisvoll-ichlosen Tiefe des Wesens, zeitigt auch jene Dauer des Werkes, die niemals einer Endgestalt eignet, sondern als eine fortzeugend fruchtbare Form dem Grundgesetz des atmenden Lebens entspricht.“

 

in: Dürckheim, Durchbruch zum Wesen, S. 36


 


 

 

Juni 2015

Jahresgruppen, Quartal II, 10.06.2015

 

 

Dem inneren Meister begegnen

Karlfried Graf Dürckheim


 

Was der Westen dem Zen verdankt

Im Westen war das 20. Jahrhundert eine Zeit der Suche nach tieferen Möglichkeiten der menschlichen Wahrnehmung und eine Wiederentdeckung der mystischen Erfahrung. Der Zen-Buddhismus hatte an dieser Renaissance der Kontemplation im Westen mit der Übung des Zazen einen beeindruckenden Einfluss.  Zazen vermittelt einen Zugang zu innerer Erfahrung. Der Westen griff daher dankbar das im Schweigen vollzogene Sitzen auf, das im Westen verloren gegangen war.

 

Hugo Enomya Makibi Lassalle und Karlfried Graf Dürckheim

Der Weg des Zen in den deutschsprachigen Raum führte von christlicher Seite vor allem über Pater H.E. M. Lassalle, von psychologischer Seite über Karlfried Graf Dürckheim. Aus der Arbeit von Lassalle entstanden Schulen, die sich auf ihn berufen, in Deutschland die Würzburger Schule der Kontemplation „Wolke des Nichtwissens“ und von der Schweiz herkommend die „Via Integralis“, die Lassalle Kontemplationsschule. Beide sind eng mit Zenlinien verbunden. Lehrer und Lehrerinnen der Via Integralis haben  auch ihre Lehrbefugnis in Anbindung an die zenbuddhistische Glassman-Lassalle Zengruppe.


Vom NS Auftrag zur Initiatischen Therapie

Karlfried Graf Dürckheim kann als Lehrer einer westlichen Gestalt des Zen gesehen werden. Er war Mitbegründer der Initiatischen Therapie. In Todtmoos-Rütte im Schwarzwald begleitete er über 40 Jahre lang spirituell motivierte Menschen auf dem Weg in die „Große Erfahrung“, darunter auch Christen und Ordensleute.  

Dürckheim kam als Psychologe auf Geheiß seines Vorgesetzten des Reichsaußenministers Joachim von Ribbentrop nach Japan. Er arbeitete dort eng mit den NS-Behörden zusammen. Deswegen wurde er nach Kriegsende verhaftet. Sein Auftrag bestand darin, Ethos und Mentalität des japanischen Menschen zu erforschen und Parallelen zum nationalsozialistischen Menschenbild zu untersuchen. Dürckheim war in seiner Begegnung mit ZEN zunächst ganz anders motiviert als Lassalle. Die Absicht, ZEN für die nationalsozialistische Ideologie zu nutzen war offensichtlich. Die Mitarbeit im Nationalsozialismus  bagatellisierte Dürckheim später. Er verheimlichte seine braune Vergangenheit selbst ihm Nahestehenden. (siehe dazu: Gerhard Wehr, Karlfried Graf Dürckheim, Ein Leben im Zeichen der Wandlung, München 1988, S. 128-172). Aber ohne Frage hat die ZEN-Erfahrung in ihm einen tiefen und beeindruckenden Wandlungsprozess auslösen können.


Die große Erfahrung

Anders als Lassalle hat Dürckheim seine persönlichen Erfahrungen publiziert. Beim Hören des 11. Spruches von Laotse im Tao te king

"schlug der Blitz in mich ein. Der Vorhang zerriss und ich war erwacht. Ich hatte ES erfahren. Alles war und war doch nicht, war diese Welt und dennoch durchscheinend auf eine andere. Auch ich selbst war und war nicht. (…) Das Leben ging weiter, das alte Leben, und doch war es das alte Leben nicht mehr.“

(zitiert nach Gerhard Wehr, S. 211).

Dürckheims Erfahrung war eine Initiation, eine Einweihung in bisher Verborgenes. Der Text des Laotse, von dem diese Erfahrung angestoßen wurde finden Sie rechts in der Spalte.
Dürckheim begegnet den Schriften Meister Eckeharts: „Der Zustand der Seinsnähe, der mich von da an nicht mehr losließ, veranlasste mich in allem, was mir begegnete, etwas Bestimmtes zu suchen. So war es nicht verwunderlich, dass es Meister Eckhart war, der mich im Innersten traf. (…) Ich erkannte in Meister Eckhart meinen Meister, den Meister.“

(zitiert nach Wehr, S. 211)

Nachdem anfangs eine Erleuchtung als nationales Satori für die Durchsetzung kriegerischer und imperatorischer nationaler Interessen im Blick war, sprach Dürckheim an Hitlers Geburtstag, als ihm das Kriegsverdienstkreuz zweiter Klasse verliehen wurde von einem „übervölkischen Satori“, einem „geistigen Durchbruch zur letzten Wirklichkeit.“, „einem kommenden höheren Selbst“. ( nach Wehr, S. 212).  Später in der „Initiatischen Therapie“ nutzt er die allgemeinmenschliche Substanz der Zen-Praxis und benennt als Ziele

1. die Einswerdung mit unserem Wesen, als der Weise, in der das überweltliche und göttliche Sein in uns anwesend ist und

2. die uns aufgegebene Wandlung auf dem Wege des Durchlässigwerdens für die uns innewohnende Transzendenz.  

 

Auch bei Dürkheim wird die Haltung im Leibe diszipliniert. Das entspricht der westlichen Vorstellung personaler Ganzheit und dem christlichen Gedanken der Inkarnation, der Fleischwerdung des Geistes. In der Begegnung mit Zen sah er bei vielen Übenden eine Wiederentdeckung und -belebung der eigenen Tradition und eine Befruch-tung des Glaubenslebens in Gang kommen.  Im Laufe seiner eigenen Reifung ermutigte Dürckheim die Menschen dazu, dem eigenen „inneren Meister“ zu folgen.  Der innere Meister ist man selbst, als das bewusstgewordene Potential des Menschen, der man sein könnte und sein sollte. Den inneren Meister, also dieses Potential zu spüren, zu erkennen und anzuerkennen, hat eine bestimmte Reife zur Voraussetzung.

"Die Stimme des Meisters als Ruf zu hören, dazu gehört eine bestimmte Bereitschaft, ihm zu folgen, nicht nur Mut, sondern eine bestimmte Demut.“ (Wehr, S. 214)

Das, was innen erfahren und als Gewissheit erspürt wird, darf im äußeren Leben Gestalt finden. Die Wesenserfahrung ruft nach Realisierung im Alltag. Dabei geht es auch um Bejahung und Vollzug von unangenehmem und unzumutbar Erfahrenem, wenn ein Wesensanruf von innen dazu drängt. Man sucht sich seine Berufung nicht aus.

 

Wir sind gerufen, in unsere finstere und ungeordnete Welt das hineinzutragen, was nicht von dieser Welt ist und so mitzuwirken an der wechselseitigen Durchdringung der beiden Welten, deren Bürger wir sind. Aber nicht die Leistungen der Gesellschaft können das bewirken. Wo immer wir in der Gesellschaft an einer Stelle eingesetzt sind, an der wir Verantwortung zu übernehmen haben, hängt der Segen unseres Wirkens von der Tiefe und der Reife der eigenen Person ab. Die Verwirklichung des Reiches Gottes auf Erden hängt einzig und allein ab von der lebendigen Beziehung jedes einzelnen Menschen zur Transzendenz.“

(nach Wehr, S. 214)

 

Die Große Erfahrung ist eine Erfahrung, die auf alle Menschen wartet, die kraft einer Stufe oder aus innerer Not dazu aufgeschlossen sind, ganz gleich zu welcher Religion sie gehören. Der Gehalt dieser Erfahrung ist ohne allen Zweifel die Wurzel aller echten Religiösität und so auch die Voraussetzung jeder Erneuerung religiösen Lebens.“

Karlfried Graf Dürckheim, Zen und wir,  S. 13

 

Was sind die Sternstunden des Lebens?  Es sind die Stunden, in denen uns ganz unerwartet Tieferes anrührt und uns mit einem Mal in eine andere Wirklichkeit hineinstellt.“

Dürckheim, Zen und wir, S. 38


Lesehinweise

 

Karlfried Graf Dürckheim, Durchbruch zum Wesen, Aufsätze und Vorträge

Karlfried Graf Dürckheim, Vom doppelten Ursrpung des Menschen

Karlfried Graf Dürckheim, Erlebnis und Wandlung, Grundfragen der Selbstfindung

Karlfried Graf Dürckheim, ZEN und wir, Einführung in Wesen und Prxis des Zen

Karlfried Graf Dürckheim, Auf der Suche nach dem inneren Mesiter, Ausgewählte Texte

Karlfried Graf Dürckheim, Im Zeichen der Großen Erfahrung, Studien

Karlfried Graf Dürckheim, Wunderbare Katze und andere Zentexte

 

 

 

 

 

 

 

 

 Jahresgruppen, Quartal II, 03.06.2015

Abendimpuls

 

 

WIDERSTÄNDIG LEBEN - AKZEPTANZ LERNEN

 

Ein grosses "Ja": Davon erzählt der Anfang der Selbstverpflichtung, ein Text der Ausrichtung, den wir im mehrtätigen Schweigen und bei den Exerzitien am frühen Morgen jeden Tag rhythmisch sprechen.  (siehe rechte Spalte!) Er nährt sich von dem uralten Wissen der Menschheit, dass ein Tag, auf den ich mich bewusst ausrichte und auf den ich mit einer freiwilligen Verpflichtung zugehe, ein anderer Tag wird, nämlich ein neuer.  Ein Tag, in den ich mich nur hineingleiten lasse, wird hingegen eher ein All-Tag. Ein neuer Tag hat eine andere Qualität, als ein Tag wie gestern, ein Tag wie alle Tage, ein All-tag eben. Ich bin gewiss nicht der Grund für einen neuen Tag, aber ob der Tag ein neuer wird, das liegt dennoch ganz an mir. Gewachsen ist diese Selbstverplichtung als westliches Pendant zu den Boddhisattva Versprechen des Zen-Buddhismus. Dort gibt es vier Versprechen, die im Zen-Sesshin 3x  mit hoher Intensität, beinahe hymnisch, wiederholt werden (Text in der rechten Spalte!)


 

In unserer Ausrichtung heißt es : Eins mit Gott, dem Urgrund allen Lebens, sage ich ein großes „Ja“ zu mir und meinem Leben und zu allem, was ist. Ich danke für diesen Morgen und nehme ihn an als Gnade  eines neuen Anfangs.  Die westliche, mystische Tradition spricht von  der Einheit mit Gott als Urgrund und Quell des Lebens, die östliche sagt hier eher Wesens- oder Buddhanatur. Dann kommt ein Satz, den es in den Boddhisattva Versprechen nicht gibt und der in der östlichen Weise das Leben wahrzunehmen, vielleicht nicht nötig ist. Ich sage ein großes "JA" zu mir und meinem Leben und zu allem, was ist. Das große Ja, als Zustimmung zu meiner Wirklichkeit und zur vorgefundenen Realität.  Der Dank für den Morgen ist keine Zugabe, sondern Vorgabe und Basis solch positiver Annahme. Dank als Basis der Akzeptanz. So wird der Morgen zur Gnade eines neuen Anfangs.

 

Es wäre ein großes Missverständnis, dass ein spiritueller Mensch zu allem Ja und Amen sagt. Wenn wir mit dem Üben wach werden für die Wirklichkeit, dann entdecken wir sehr vieles, was nicht in Ordnung ist. Genau genommen nehmen wir deutlicher und schärfer wahr, an wie vielen Stellen und zu wie vielen Zeiten einfach nicht alles stimmt auf dieser Erde, bei anderen und selbstverständlich auch bei uns selber. Man kann sagen, dass der Schrei gegen Ungerechtigkeit und Gewalt von einem punktuellen Erschrecken zu Zeiten der Tagesschau zu einem durchgängigen Schrei wird.  Das gehört zum Praktizieren dazu. Wer aufwacht aus seinem Traum vom Leben, tritt ein in die Realität. Er durchschaut den schönen Schein. Sein Blick trifft auf das Kreuz und da bleibt er.  Wer Zazen praktiziert, öffnet sich für die Wirklichkeit. Er verlernt nicht die Fähigkeit, wenn es zu viel wird, auszublenden, aber er lernt im Angesicht der alltäglichen Widrigkeiten und im Angesicht des Leidens zu leben.


 

Ich sage ein großes  JA zu mir, meinem Leben und zu allem, was ist.  Hier geht es um Akzeptanz dem gegenüber, was ich nicht ändern kann. Es geht um Annahme meines Schicksals. Vieles, was in meinem Leben und auf Erden geschieht, kann ich nicht ändern. Es entzieht sich meinem Einfluss. So kann ich zum Beispiel dem Tod nicht entkommen. Dabei ist der Tod das einzige Faktum des Lebens, was 100% sicher ist.  Der Rest ist unsicher. Unsere Gesellschaft weigert sich im Grunde, diese Tatsache zu akzeptieren. Wir sterben alle, aber wir sehen nicht hin.  Wenn wir leben, als gäbe es den Tod nicht, setzen wir uns selber außerstande, die Wirklichkeit  des Sterbens annehmen zu lernen.

 

Unsere westliche Welt hat sich in einer seltsamen Glaubenshaltung eingefroren. Wir meinen tatsächlich, wenn etwas schief gelaufen ist, könnten wir das irgendwie wieder ins Lot bringen. Wir glauben wirklich, dass es möglich sein muss, alles wieder zu ändern, wenn wir die richtigen Mittel oder Medikamente einsetzen. Man kann das einen technologischen Irrwitz nennen. Ich bin sicher, dass dieser Glauben an die technischen Möglichkeiten mehr Leiden verursacht, als dass er Gutes auf den Weg bringt. Dieser moderne Glaube klingt ganz harmlos: „Wenn es nicht ist, wie ich es haben will, werde ich eine Möglichkeit finden, die Sache zu regeln und in Ordnung zu bringen.“ Sicher gibt es Umstände, die man zum Besseren wenden kann.  Da braucht es keine Akzeptanz, sondern unser Bemühen. Annahme und Akzeptanz werden erst wichtig, wenn eine Reparatur nicht mehr möglich ist. 


 

Akzeptanz und Annahme können wir lernen. Die Übung des Zazen ist eine wunderbare Gelegenheit hierfür. In der Übung halten wir uns aus, mit allem, was zu uns gehört.  Im Alltag laufen wir eher weg, lenken uns ab, beschäftigen uns mit Dingen oder putzen uns heraus. Übend hören wir damit auf, gegen uns selber und gegen die Wirklichkeit zu kämpfen. Wir lassen allen Druck sein, uns ändern zu müssen. Wir laufen nicht vor uns davon und schauen uns an, so wie wir gerade da sind. Wir lassen jede Überhöhung und jede Abwertung sein.  JA zu meinem konkreten Dasein, Freude und Dank für meine Begabungen und Begnadungen, Trauer und Schmerz für meine Grenzen und für soviel ungelebtes Leben in mir, Potential, das liegen geblieben ist und auch Dinge, die einfach nicht gelungen oder auch gar missraten sind.

Annahme wirkt Wunder. Mit Akzeptanz werden wir beweglicher und lebendiger, oft auch froher und gelassener. Wer ein schweres Schicksal anzunehmen lernt, kann einen inneren Frieden entwickeln, den einer, der es im Leben leicht hat, gar nicht kennt. Das Ändernmüssen erzeugt oft viel zu viel Druck. Wenn der innere Druck sowieso schon hoch ist, geht dann meist gar nichts mehr.

Die Entwicklung von Akzeptanz braucht Geduld. Lange Zeit pendeln wir hin und her zwischen Nein und Ja, zwischen Widerstand und Ergebung, bis wir irgendwann sagen: „Okay, so ist es eben.“  -

 

Akzeptanz ist nicht etwas passives. Sie wird sich entwickeln, indem wir versuchen, der Realität ins Auge zu blicken, statt zu meinen, die Wirklichkeit sei etwas anderes, als das, was sie ist. Akzeptanz ist also kein Talent, das Menschen besitzen, keine Begabung, mit der Menschen ausgestattet sind. Akzeptanz ist vielmehr etwas, was wir erlernen. Es ist unsere Antwort auf etwas, was uns zustößt, was uns bewusst wird und unabänderlich ist. Es gibt einen wichtigen Unterschied, den zwischen Reaktion und Antwort. Wie wir auf etwas, was uns betrifft, anfänglich und emotional reagieren, darüber haben wir meist keine Kontrolle. Es ist auch nicht nötig, dass wir immer und überall kontrolliert sind. Aber wir können entscheiden, wie wir auf etwas, was uns zustößt und schlechte Gefühle macht, angemessen antworten. Reaktion und Antwort sind zweierlei.

 

Emotionen sind eine Gnade. Sie dürfen sein. Aber wir brauchen uns nicht unseren Emotionen auszuliefern. Wenn wir uns dazu entscheiden, Antwort zugeben, statt nur zu reagieren, kann „Annahme“ ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu innerer Stärke werden.  Auch eigene destruktive Emotionen können nämlich unsere geistige, seelische und körperliche Gesundheit untergraben.  Von der ersten emotional bestimmten Reaktion dürfen wir zu einer emotional stimmigen Antwort kommen. Kontemplieren hilft uns, nicht in Reaktionen stecken zu bleiben sondern Antworten zu finden, genauer: selber zur Antwort zu werden.

 


Lesehinweis: Mitch Albom, Dienstags bei Morrie, Die Lehre seines Leben, München 2002

Morrie Schwartz, Weisheit des Lebens, Eine Liebeserklärung an das Leben, München 2005


 

 

Mai 2015

 

Jahresgruppen, Quartal Frühling - Sommer, 27.05.2015

"VON DER GNADE ZU ATMEN"

Kurzimpuls

 

 

 

In unserer Übung gibt es einen Fokus. Das ist der Fluss unseres natürlichen Atems. Yamada Koun Roshi, der die Übung des Zazen  auch an Nichtbuddhisten weitergab, nannte unsere Weise des Atmens: „Breathe naturally“.  Natürlich atmen! Das unterscheidet unser Üben von allen möglichen yogischen Atemübungen und von Atemarbeit. Wir sind ganz beim Atem, bis wir Atem sind, aber wir nutzen den Atem nicht als Technik. Wir lassen ihn kommen und gehen, so wie er sich gerade zeigt. Wir machen nicht am Atem rum, wir sind Atem.

Atmen ist ein zentrales Lebensgeschehen. Aufmerksam beim Atem zu verweilen, lenkt unsere Achtsamkeit nicht auf etwas Nebensächliches, sondern auf unser Dasein selbst, auf die Hauptsache.  Nur sitzen und atmend da sein:  Das ist unsere Praxis: Zuiso Kukan, nennt Harada Roshi diesen Weg: Tief schauen. Oder wie Niklaus Brantschen es übersetzt: Tief auf den Atem achten, oder besser: Atem sein. (...)

 

Der Atem verbindet uns mit allem, was ist. Wenn er uns innerlich berührt, so erreicht er alle Stellen und Räume die wir kennen, aber auch solche, die uns mehr oder weniger unbekannt und sogar komplett fremd sind.  

Das sind einmal die Körperräume und Körperorgane: Den Herzbereich: Nase und Rachen, Lunge, Blutgefäße und Herz. Sobald wir üben, dringt der Atem nicht nur ein und aus, sondern er wirkt im selben. Ganz unmittelbar auf Herz, Kreislauf und Blutdruck. Er erreicht den Beckenraum: Das Zwerchfell, Magen und Bauchspeicheldrüse, Milz und Leber, Darm und Nieren; auch Muskeln und Nerven, Blutgefäße und limbisches System, Haut und Knochen, Gelenke, Sehnen und Bänder. Es ist auch im Kontakt mit unseren Sinnen: Sehen, Riechen, Schmecken, Hören, Tasten.

Der Atem bewegt uns. Den Brustkorb am deutlichsten, aber wir können die Bewegung bis zum Kopf, bis in die peripheren Gliedmaßen spüren. Weiter berührt der Atem, bewegt und wirkt er in unsere seelischen Räume: Er ist in innigem Kontakt mit unserem mentalen Zentrum, mit unserem Denken und unseren Gedanken. Er berührt unmittelbar unsere seelischen Gegebenheiten: Empfindungen und Gefühle, Wunden und Verletzungen, unsere Freuden und Leiden, manchmal auch unsere Sperren und Barrikaden, unseren hart und undurchlässig gewordenen Seelenpanzer, unsere Mauern und verschlossenen Tore.
Und der Atem wirkt ganz sanft und ohne Gewalt auf all das ein, was er berührt. Wir atmen mit allem, was sich zeigt, auch mit dem Schmerz: Das ist höchst wirksam. Wir atmen mit unseren engen Grenzen und Mauern: Atem ist ein beständiger Mauerspecht.  Wir atmen mit unserer gespürten Verschlossenheit: Atem klopft unablässig an Tore, die wir noch geschlossen halten.  Daher wird der Geistatem in den Religionen als  höchst-wirksame Qualität des Göttlichen als heilig benannt. Unser Üben mit dem Atmen ist daher nicht harmlos. Es ist ein gewaltiger und transformierender Vorgang. Im Atmen öffnen wir uns dem göttlichen Atem. So geschieht Wandlung, selbsttätig und im genau rechten Maß.  Den Geistatem wirken lassen, das ist eine mächtige Konfrontation, aber ganz ohne äußere Konfrontation, ganz ohne Druck, ganz ohne Arbeit. Atmen löst unsere eingefrorenen Tränen. Wir werden beweglich und durchlässig, flüssig und lebendig, gewinnen Leichtigkeit und erleben Aufrichtung.  Geburt und Neuschöpfung sind die Werke des Geistatems, wie die Bibel ihn beschreibt. Am Anfang der Schöpfung schwebt Geistatem über den Wassern. Kein Bild von damals, sondern eine Grundwirklichkeit. Als Maria eine Geburt angekündigt wird, heißt es „heiliger Geistatem wird über dich kommen.“  Ein Grundgeschehen.  Wer mit dem Atem Zazen übt, kann nicht bleiben wie er ist. Die Träume etwa bei den Stillen Tagen verraten, was geschieht: „Ich habe gesehen, wie ich ein Kind zur Welt brachte. Und dieses kleine Neugeborene, das war ich selber! Es trug mein Gesicht!“  (...)

Unser Atem verbindet uns schließlich auch mit unseren unbewussten seelischen Räumen, mit unserem Schatten, mit den kollektiven Räumen und der Geschichte der Menschheit und des Kosmos.  Nicht zuletzt öffnet er unser inneres Auge für die Räume hinter den Räumen, für die transpersonale Wirklichkeit, für unsere Wesensnatur, für den großen Atman, für die Wirklichkeit Jesu Christi, für den Herzraum des Lebens. Hier warten unsere tiefsten Ressourcen und Kräfte. Wenn wir sie atmend berühren, beginnen wir aus ihnen zu leben. Indem  wir sie atmend berühren, beginnen vom göttlichen Grund her, unsere Krankheiten und Wunden zu heilen.  Wir kommen in Kontakt mit unseren Heilungskräften.

 

Im Atmen entsteht eine Brücke zu allem, was ist. Auch den Räumen um uns her, begegnen wir tiefer und inniger, den sozialen Feldern, unseren Beziehungen, unserer Arbeit, unserer Geschichte.  Der Atem als Medium verbindet und eint die Welten. Was separat war, wird langsam integriert. Er öffnet neue Seiten und weckt Begabungen in uns. Wer unpolitisch war, wird politisch, wer bisher im Außen arbeitete, findet die innere, unendliche Seite seiner Seele.

 

Dann schenkt uns die Übung des Zazen mit dem Atem ein wunderbares Mittel der Lebensbalance.  Er  hat nämlich zwei ganz klar unterschiedliche Seiten. Das Einatmen und das Ausatmen.  Wo liegt unser eigener Akzent? Indem wir atmen, merken wir,  wer wir sind, ob wir Einatmer oder Ausatmer sind. Es handelt sich bei der Entdeckung nicht um eine Banalität. Der Atem weist zweifelsfrei unser Lebensmuster aus.  Wer nur einatmen würde, der erstickt am zu viel. Er nimmt  und behält zu viel.  Er hält fest, was er hat. Wer nur ausatmet, der kommt auch in Atemnot, weil er so viel gibt, dass er selber am Schluss nichts mehr behält.  Weg nach innen und Weg nach außen sind keine Alternativen. Es gibt eine Innerlichkeit, die erstickend ist und es gibt ein äußeres Engagement, das krank macht und ausbrennt. Wenn wir mit dem Atem üben, stellt sich eine neue und angemessene Lebensbalance ein, ein gutes Maß zwischen Weg nach innen und Weg nach außen.  


Im Unterschied zu anderen lebenserhaltenden Körperfunktionen ist das Atmen ein Vorgang, der lebensnotwendig und uns gleichzeitig durchgängig bewusst ist, wenn wir das wollen.  Weder vom Herzschlag oder der Leber- und Nierenfunktion kann man das sagen.  Also verbindet Atmen Leben und Bewusstsein in besonderer Weise miteinander.  Das Einatmen weitet einerseits den Körper, seelisch empfinden wir es eher als Zusammenziehung und Einengung. Ausatmend lassen wir los und fühlen uns befreit von Druck und Spannung. Einatmen ist konzentrierend, ausatmen entspannend.  Das sind die beiden Standardelemente der Kontemplation: focussed attention und open monitoring. Fokussierung und offenes Gewahrsein.  Unser Bewusstsein öffnet sich wahrnehmend der Wirklichkeit und empfängt Eindrücke. Dann stehen wir an der Wende vom Ausatmen  zum Einatmen.  Und wenn wir innerlich das Empfangene spüren, uns beindrucken lassen, es sich verarbeitet und daraus Impulse entstehen, stehen wir an der Kehre vom Einatmen zum Ausatmen. In der Übung intensiviert sich der Pendelschlag des Lebens: Öffnung und Wahrnehmung – Verinnerlichung und Verarbeitung. Im Atem vollzieht sich der Pendelschlag des Lebens. Es ist eine Gnade.
 

Kein geringerer als Rudolf Steiner hat vom Meditieren mit dem Atem abgeraten.  Aber er hatte leider nur solche spirituellen Wege kennenlernen dürfen, bei dem es um eine absichtliche Veränderung des Atems geht.  Natürlich kann man durch vom Willen gesteuerte Atemübungen ein verändertes Bewusstseins erzeugen, wie dies im Pranayama geschieht oder in Psychotechniken wie dem Holotropen Atem angestrebt wird.  Davon hielt Steiner nichts.  Er wollte das Bewusstsein nicht durch Techniken beeinflussen, sondern setzte darauf, dass eine Entwicklung des Bewusstseins durch sich selber, also ohne manipulative Beeinflussung, sehr viel nachhaltiger sei. Wie nahe war Steiner damit dem Zazen des Mahayana Buddhismus. Dessen Atempraxis allerdings hat er nie kennen lernen dürfen.

 

Lesehinweis: Anna Katharina Dehmelt, Atem, Rhythmus, der uns trägt, in: Evolve,Magazin für Bewusstsein du Kultur, 06/2015, S.18

 

 

 

 

 

Jahresgruppen, Quartal Frühling-Sommer, 20.05.2015

 

"BEGEGNUNG VON OST UND WEST

ERLEUCHTUNG IST ERST DER ANFANG "

 

 

Teilnehmerblatt mit Zitaten von  Pater Bede Griffith, Pater LeSaux und Pater Lassalle 

Gesamtimpuls beim ZENtrum  erhältlich

 

Bede Griffith in der Begegnung mit der hinduistischen Spiritualität

Ich will die Hälfte meiner Seele entdecken.“  

„Es ist heute für eine Religion nicht mehr möglich, sich weiterhin von anderen Religionen zu isolieren.“

„Meine Seele ist ebenso weit gereist wie mein Körper. Seit 16 Jahren lebe ich als Inder unter Indern, folge der indischen Lebensweise, studiere indisches Denken und vertiefe mich in die lebendigen Traditonen des indischen Geistes. Ich blicke zurück auf das, was Indien mir gegeben hat und betrachte, wie mein Geist sich in diesen Jahren entwickelt hat, wie sich meine Lebensweise verändert hat und was in den Tiefen meiner Seele vor sich gegangen ist.“  - „Wir müssen uns um die lebendige Wahrheit des Neuen Testamentes bemühen. Aber das kann der westliche Geist nicht allein. Wir müssen uns auch der Offenbarung des göttlichen Mysteriums öffnen, die in Asien stattgefunden hat. (…) Und dabei dürfen wir auch nicht die intuitive Wahrheit der sogenannten primitiven Völker übergehen, der Einwohner Australiens, der polynesischen Inselbewohner, der afrikanischen Buschmänner, der Indianer Amerikas und der Eskimos.


 

Pater Hugo Enomiya Makibi-Lassalle (1898-1990) in der Begegnung mit ZEN

Die christlichen Inhalte werden nicht zurückgestellt, weil sie wertlos seien, sondern weil die Art und Weise, in der sie bisher meditiert wurden, zu sehr in der Gefahr steht, an der Oberfläche des Geistes haften zu bleiben. Das aber genügt nicht, um den Menschen im Grunde umzuwandeln, wozu doch schließlich die Meditation führen soll. Mit Hilfe der Zen Meditation aber ist es uns möglich, tiefer in die Seele einzudringen. Es geht um das Durchbrechen der oberen Seelenschichten des zugreifenden Verstandes, des technischen Denkens, des bewussten, gezielten Willens und das Freigeben der tieferen Seelenschichten. (…) Die gegenständliche Meditation soll also in der übergegenständlichen zur Vollendung geführt werden.“ in: Zen – Meditation für Christen, S. 20

 

„ Was erfahren wird, ist der Grund, von dem her die Dinge auf uns zukommen, also jenes Geheimnis, das uns im Dasein trägt, worauf alles ruht, was uns in der Tiefe anzurühren vermag, was durch Sinn und alle Schönheit hindurch leuchtet. Man hat diese Erfahrungen vielfach mit Recht als Seins-Erfahrungen genannt, was sie auch wirklich sind. - Wenn wir die Schriften der Mystiker studieren, werden wir finden, dass der Weg der christlichen Mystik ein Weg zur Gotteserfahrung ist, und wir werden sehen, dass der Weg viel Ähnlichkeit mit ZEN hat.“ in: Zen Unterweisung, S. 36 
 

Zitate auch in der rechten Spalte nach: Gerhard Wehr „Nirgends, Geliebte wird Welt sein als innen.“ Lebensbilder der Mystik im 20. Jahrhundert, München 2011, S.179 bis S. 207

 

 

Jahresgruppe, Quartal Frühling-Sommer, 13.5.2015

Impuls und Text der Teresa von Avila
 

 

MEDITATION UND KONTEMPLATION


 

Meditation  und Kontemplation oder Zazen sind nicht dasselbe.  Wir können uns den Unterschied ganz praktisch vor Augen halten. Wenn wir üben, so kann es geschehen, dass Schmerzen auftauchen. Wie gehen wir damit um?

 

Wenn wir meditieren, dann schauen wir den Schmerz an. Wenn wir kontemplieren, lassen wir den Schmerz Schmerz sein. Wenn wir meditieren, versuchen wir den Schmerz zu deuten, wenn wir kontemplieren, lassen wir alle Deutungen sein. Wenn wir meditieren, so beobachten wir den Schmerz, wenn wir Zazen üben, lassen wir alle Beobachtung des Schmerzes sein.  Wenn wir meditieren, dann suchen wir, was hinter dem Schmerz stecken könnte. Wenn wir kontemplieren, dann lassen wir alles Suchen sein. Wenn wir meditieren, dann stellen wir Fragen und ergründen, wenn wir kontemplieren, dann lassen wir das Fragen und Ergründen sein. Wenn wir meditieren, dann überlegen wir uns, was die Botschaft des Schmerzes sein könnte. Wenn wir Zazen üben, dann machen wir keine Überlegungen dazu, sondern lassen das sein. Wenn wir meditieren, wollen wir etwas gewinnen, wenn wir Zazen üben, verlieren wir "alles". In der Meditation ein Trost,  gute Gedanken, angenehme Gefühle, sinnliche Anregungen, in der Kontemplation eher nichts davon, pures Da sein. In der Meditation arbeiten wir mit unseren Möglichkeiten, in der Kontemplation öffnen wir uns dem Walten der  Gnade.

 

Kontemplation und Zazen machen also nie etwas dazu. Wir nehmen die Phänomene des Lebens einfach wahr, so wie sie sind: Keine Wertung, kein Hineingehen, keine Geheimnisse entschlüsseln, keine Analyse, keine Fragen, kein Suchen, keine Gedanken und auch kein Wegdrängen. Wir bleiben einfach im Atem und achten darauf, gesammelt da zu sein. Wir lassen den Phänomenen, die sich zeigen wollen, ihren Raum und ihren Lauf, ohne diesen zu vergrößern oder ihn einzuengen. Wir beschäftigen uns nicht mit dem, was auftaucht, aber wir drängen auch nichts davon weg. Wir üben mit allem, was sich zeigt. Alles, was sich zeigt ist unser Leben und nichts davon ist eine Störung.

 

Das ist beim Schmerz eine besonders große Herausforderung. Denn wir sind ja im Grunde so konditioniert, dass wir denken, man müsse schmerzfrei leben oder Schmerz behandeln. Schmerz ist nicht angenehm und wir möchten alle, dass er wieder verschwindet. Er stört unser Wohlbefinden. Wenn wir aber etwas wegmachen wollen oder uns mit etwas beschäftigen, entsteht immer eine Spannung, manchmal gar eine Anspannung. Die wollen wir uns beim Üben ersparen. Wir haben ja meist genug davon und machen nicht weiter mit „mehr desselben“. Erst wenn die Spannungen leiblich wie seelisch und geistig sich lösen, öffnet sich unser Inneres. Druck hingegen macht eng und verschlisst uns. Wir spannen nicht gegen das Leben, auch wenn es uns Schmerz zeigt.  Das ist nicht einfach, selbst wenn wir wissen, dass Anspannen gegen den Schmerz, den Schmerz größer, stärker und haltbarer machen. Der Kampf gegen Schmerz, führt oft zum Krampf.  Zazen heißt, nicht gegen das Leben zu kämpfen und dem, was sich beim Üben zeigt, das Recht zum Dasein nicht zu entziehen.

Im Zazen und in der Kontemplation arbeiten wir also nicht an unserem Leben und an unserer Seele herum. Umgekehrt: Alles Herumdoktern lassen wir sein. Nicht Handeln ist unser Prinzip. Kein Arbeiten kein aktives Beschäftigen mit dem, was sich zeigt.

 

Wir halten vielmehr still und atmen mit allem, was sich zeigt. Wir atmen mit dem Schmerz. Mein Atem ist da, der Schmerz ist da, Gedanken sind da. Wir machen nichts dazu. Wir machen nichts weg. Kein Herummachen. Kein Hineinatmen. Kein Hineingehen. Kein Wegatmen. Ich bin da mit allem, was sich zeigt. Das ist sehr viel anspruchsvoller, als eine Technik einzusetzen oder sich auf irgendeine Weise mit dem, was sich zeigt,  zu beschäftigen. NICHT HANDELN IST UNSER WEG.

 

Indem wir in dieser nicht bewertenden und nicht angestrengten Weise da sind und alles da sein lassen, was da ist, geschieht nicht selten etwas Großes und Wunderbares: Wir selber wandeln uns, oft ohne es zu bemerken. Der Schmerz hört auf ein Gegenüber zu sein, das uns dominiert, und das wir fokussieren. Wir geben dem Schmerz Raum, ohne uns auf ihn zu zentrieren oder ihn gar zu fixieren. Damit hört er auf, Mittelpunkt, Gegenüber oder Thema zu sein.  Wir beginnen uns anzufreunden mit dem uns Widrigen. Die duale Perspektive löst sich langsam auf, und wir nehmen nicht polarisierend wahr. Wir üben, das Feindliche zu umarmen. Wir fangen an, dem Schmerz die Hand zu reichen, ohne ihn zu begreifen oder festzuhalten. Wir streicheln ihn nicht fort, wir atmen ihn nicht weg. Wir nehmen ihn, wie er da ist. Er gehört zu uns. Schmerz ist auch unser Leben. Wir wünschen uns keinen Schmerz, aber wenn er da ist, üben wir uns, ihn anzunehmen. Wenn wir den Schmerz irgendwann wirklich ganz annehmen, dann tut er nicht mehr weh. Annahme ist der Schlüssel. Er bleibt da der Schmerz, aber es tut nicht mehr weh. Das ist etwas Heilsames, das so geschehen kann. Wir berühren ohne zu berühren. Manche erleben und beschreiben diesen Wandel ihrer Schmerzwahrnehmung auf dem Weg der Übung.  Schmerz ist auch unser Leben, aber unser Leben ist nicht Schmerz. Wenn wir üben, bleiben wir daher im Atem. Wir atmen mit dem Schmerz.  So freunden wir uns möglicherweise mit ihm an. Wir üben „Eins zu sein“ mit dem Atem. Und der Schmerz gehört dazu.

Sehr schön hat Teresa von Avila den Unterschied zwischen Meditation, die eher unserem arbeitsreichen Alltagsmodus gleicht, und Kontemplation, die einen anderen Daseinsmodus einübt, beschrieben: Mit betrachtendem Gebet meint Teresa den meditativen Vollzug. Mit Kontemplation das „Gebet der Ruhe“, bei dem wir „nichts“ tun. (siehe rechte Spalte)

 

 

 

 

 

 

Mai 2015

Stille Tage

Kloster Engelthal Altenstadt - Wetterau

KONTEMPLATION MIT TERESA VON AVILA

Auszüge aus dem 1. Vortrag

 

 

Teresa als Frau

Wie es in allen Gemeinden (…) üblich ist, sollen die Frauen in der Versammlung schweigen. Es ist ihnen nicht gestattet zu reden. Sie sollen sich unterordnen, wie das Gesetz es fordert. Wenn sie etwas wissen wollen, sollen sie zu Hause ihre Männer fragen; denn es gehört sich nicht für eine Frau, vor der Gemeinde zu reden. Ist etwa das Gotteswort von euch ausgegangen? Ist es etwa nur zu euch gekommen?“ Paulus im Brief an die Korinther

Teresa litt sehr unter der frauenfeindlichen und frauenverachtenden Haltung ihrer Zeit, dies um so stärker je bewusster ihr die eigene Genialität wurde. Kirche und Gesellschaft folgten der benannten Diktion des Paulus. Frauen und ihren Möglichkeiten gegenüber bestand nicht nur ein grosses Misstrauen, sondern eine verächtliche Entwertung. Don Juan Manuel, der erste Schriftsteller der spanischen Prosa sagte: ,, Die Frau soll sich dem Mann total unterwerfen." Juan Ruiz-Arzipreste de Hita: ,,Die Frau ist nur ein Objekt des erdlichen Genußes." Castilejo schrieb im 16. Jahrhundert: ,,Die Frau ist ein notwendiger Schaden."

Ihr Leid darf Teresa nicht öffentlich klagen. Daher kommuniziert sie es klugerweise im Gebet. Sie klagt an  „… dass die Richter dieser Welt lauter Männer sind, und dass es keine Tugend einer Frau gibt, die sie nicht für verdächtig halten.“  Sie will sich mit dieser schreienden Ungerechtigkeit nicht abfinden:

,,Du Herr meiner Seele, dir hat vor den Frauen nicht gegraut als du durch diese Welt zogst, im Gegenteil, du hast sie immer mit großem Mitgefühl bevorzugt und hast bei ihnen genau soviel Liebe und mehr Glauben gefunden als bei den Männern, (...). Reicht es denn nicht, Herr, dass die Welt uns eingepfercht und für unfähig hält, in der Öffentlichkeit auch nur irgend etwas für dich tun, was etwas wert wäre, oder es nur zu wagen, ein paar Wahrheiten auszusprechen, über die wir im Verborgenen weinen, als dass du eine so gerechte Bitte von uns nicht erhörtest? Das glaube ich nicht, Herr, bei deiner Güte und Gerechtigkeit. Denn du bist ein gerechter Richter, und nicht wie die Richter dieser Welt, für die, da sie Söhne Adams und schließlich lauter Männer sind, es keine Tugend einer Frau gibt, die sie nicht für verdächtig halten. O ja, mein König, einmal muss es doch den Tag geben, an dem man alle erkennt. Ich spreche nicht für mich, denn meine Erbärmlichkeit hat die Welt schon erkannt, und ich bin froh, dass  sie bekannt ist, sondern weil ich die Zeiten so sehe dass es keinen Grund gibt, mutige und starke Seelen zu übergehen und seien es die von Frauen."

 

 aus: Wohnungen der inneren Burg, hier zitiert nach CIG, S. 238, 2015

 

 

 

TERESA ALS MEISTERIN DES INNEREN GEBETES

 

Inneres Beten“, beschreibt eine kontemplative Praxis. Das Novum: Gebet erwächst nicht aus äußeren textlichen Vorgaben. Beten ist auch kein Akt des Denkens, sondern zutiefst mit der seelischen Entwicklung des Menschen verbunden.   Die innere Dynamik der menschlichen Person findet Gestalt und Formung  im kontemplativen Gebet.   Das ist etwas ganz anderes als eine rigoristische und von außen geleitete Frömmigkeit, wie sie damals allgemein üblich war. Der reichte es aus, vorgegebene Gebete zu sprechen und feste Riten zu vollziehen.  Beten bekam bei Teresa eine ganz lebendige, intime und persönliche Note. Wer kontempliert, setzt sich einem inneren Lernprozess aus. Beten darf nicht vor  Wandlung immunisieren und den Status Quo fixieren. Als Frau Gott begegnen zu wollen, galt damals anmaßend und überheblich. Beten führte daher nicht zur Einswerdung, sondern war eine Möglichkeit Gott zu gefallen. Texte betrachten und darüber nachsinnen, das ging. Doch Wiederkäuen und Mitschwimmen genügten im Grunde. Diese Haltung wirkt auch heute: Messe absolvieren langt. Teresas Anliegen lauteten eher: die innere Re-formation oder Trans-formation oder E-volution im kontemplativen Prozess.

Man kann sagen, dass für Teresa im kontemplativen Tun bereits der Mensch der Moderne vorweg genommen wird: Der Mensch ist Individuum und Subjekt. Daher wird jeder Mensch seinen ganz eigenen Weg geleitet. Die Einbindung in eine Gruppe darf nicht zum Kollektiv geraten, in dem diese Besonderheit des Einzelnen, der Einheit der Gruppe geopfert wird.  Jeder Mann und jede Frau stehen bei Teresa ganz unmittelbar zu Gott. Es braucht keine Mittelsmänner. Und es braucht keine Begrenzung auf Heilsmittel. Denn Gott führt selber, und er leitet jeden in jeweils stimmiger Weise.  Teresa überwindet frömmigkeits-geschichtlich das Kollektiv, dem heute im gefühlten Frömmigkeitsvollzug eine immer noch vorrangige Bedeutung zugemessen wird. Zu Gott können wir unmittelbar in Bezug treten:

 

O Gott, du bist nicht wie die Herren dieser Welt, die ihr ganzes Herr-Sein auf Autoritätsprothesen gründen. Sie brauchen Sprechstunden und Mittelsleute, die mit ihnen sprechen.  Wie viel Gunst und Mühe sind nötig, wenn ein Armer ein Anliegen hat! Und erst recht, wenn man den König selbst sprechen will!  Arme und nichtadelige Leute werden erst gar nicht vorgelassen. Man muss sich an die Vertrauten des Königs wenden.  Und das sind sicher nicht solche, die mit beiden Beinen auf dem Erdboden stehen, denn die sagen die Wahrheit und fürchten sich vor nichts.  Aber solche Leute passen nicht in den Palast.  Da darf man die Wahrheit nicht sagen, sondern muss schweigen über alles, was einem an Unrecht scheint. Man darf nicht einmal wagen, so etwas zu denken, sonst fällt man in Ungnade. O König der Herrlichkeit und Herr aller Könige! Dein Reich ist nicht auf so unsicherem Erdreich errichtet, es ist ein Reich ohne Ende. Bei dir braucht man keine Mittelsmänner.  Wer dich nur anschaut, erkennt, dass du allein würdig bist, Herr genannt zu werden. Du brauchst kein Gefolge, keine Wache, damit man dich als König erkennt. Ist ein irdischer König dagegen allein erkennt man ihn nicht. Nichts weist darauf hin, daß er anders ist als andere Menschen. Erst wenn man die Insignien seiner Würde sieht, glaubt man, dass er es ist. Der König hat nur geliehene Autorität. O mein Herr und mein König. Könnte ich doch die Herrlichkeit schildern, die dir zu eigen ist. Der Anblick deiner Herrlichkeit versetzt jeden in Staunen. Noch viel erstaunlicher aber  ist deine Demut und die Liebe, die du einem wie mir erweist. Wenn die Furcht einmal überwunden ist, die einen beim Anblick deiner Herrlichkeit überfällt, kann man sich mit dir über alles unterhalten und  alles nach Belieben mit dir besprechen.

 

 

WEG DER VERSENKUNG - NO PENSAR NADA

 

Mit dem Gebet geht es mir nun so: nur selten kann ich noch schlussfolgernd denken, denn die Seele konzentriert sich ganz nach innen und bleibt in solcher Ruhe und Versenkung, dass sie keinen Gebrauch mehr von ihren Sinnen und Fähigkeiten machen kann. Einzig das Hören ist ihr noch möglich, aber auch dabei versteht sie nichts.“

Versenkung heißt die große Entdeckung der Teresa, eine ganz neue und faszinierende Erfahrung, die sie nicht mehr missen möchte:

Diese Ruhe und Einkehr der Seele ist etwas, dass man sehr deutlich spürt durch den Frieden, der sie so beglückend und sanft erfüllt, dass ihre Kräfte zur Ruhe kommen. Es scheint ihr (…), dass ihr nun nichts mehr zu wünschen übrig bleibt (...).  Sie wagt weder sich zu rühren, noch sich zu bewegen, damit ihr das hohe Gut nicht zwischen den Fingern zerrinne. Und manchmal möchte sie nicht einmal mehr Atem holen. Die Ärmste versteht nicht, dass sie, da sie diesen beglückenden Zustand nicht selber herbeiführen kann, ihn erst recht nicht festhalten kann, wenn der Herr es nicht wünscht.“

Was Teresa erfährt lässt sie zu den gewöhnlichen Bewusstseinszuständen des Menschen,dem Wachen, dem Schlafen, dem Träumen noch einen vierten hinzufügen, die ruhevolle Wachheit.

 

sämtliche Vorträge zu Teresas Gebetsweg beim ZENtrum zu erhalten

 

 

März 2015

 

28.03.1515 - 28.03.2015 

500. Geburtstag der  Teresa von Avila

 

EINHEITSERFAHRUNG - VERLOBUNG UND VERMÄHLUNG DER SEELE MIT GOTT 

 

In ihrem Meisterwerk  den "Wohnungen der inneren Burg" beschreibt Teresa, den Weg des Menschen in die  Einswerdung mit Gott. Durch die vielen und in sich wieder geglieder-ten Gemächer der Reinigung, der Sammlung und der Ruhe gelangt die Seele schließlich durch Gottes Initiative in die sechste und siebte Wohnung der inneren Burg. Dort steht ihre Verlobung und  Vermählung an. Verlobung meint eine vorübergehende Einung mit Gott.  Sie gleicht den Flammen zweier Kerzen, die man ineinander hält, so dass nur mehr eine Flamme zu sehen ist. Nimmt man die Kerzen wieder auseinander, sieht man zwei. Für die Vermählung wählt Teresa ein Bild, das an die Einheitserfahrung im ZEN erinnert. Hier ist nicht mehr zwei, sondern Mensch und Gott  sind untrennbar eins. Gott als Gegenüber scheint aufgelöst zu sein.

 

"Hier ist es, wie wenn Wasser vom Himmel in einen Fluss oder eine Quelle fällt, wo alles zu einem Wasser wird, so dass man es nicht wieder aufteilen und voneinander trennen kann, was nun Flusswasser ist, oder was vom Himmel fiel."

 

 

 

Impuls beim Übungstag am 7.3. - Auszüge

 


ALS  CHRIST ZAZEN ÜBEN?

 

Religiöse Identität im globalen Dorf – Aus verschiedenen religiösen Traditionen schöpfen


 

Multiple religiöse Identität: Von biographischer Rarität zur Grundsituation des Erdenbürgers

 

Raimund Panikhar wurde in eine tiefreligiöse Familien geboren. Seine Mutter ist spanische Katholikin und sein Vater praktizierender indischer Hindu. In den 50iger Jahren befasste Panikhar sich intensiv mit der buddhistischen Mystik. Panikhar ist dem Dalai Lama in Freundschaft verbunden und lehrte und forschte in den 60iger Jahren in Rom.  Fast wäre er Leiter einer hinduistischen Hochschule in Benares geworden. Aus dieser kurzen Skizze wird klar: Raimund Panikhar ist kulturell und religiös mehrsprachig. Man kann das als multiple religiöse Identität beschreiben. Multiple religiöse Identität ist keine Erkrankung sondern beschriebt einen spannenden Prozess der Integration religiöser Verschiedenheit in der eigenen Person jenseits banalisierender Vereinfachung. Was sich bei ihm von seinen Eltern her nahe legte und biographisch entfaltete, wird heute in wachsendem Maße zur Grundsituation  des Erdenbürgers.  


 

Multiple religiöse Identität wird zum Paradigma der Postmoderne

 

Im globalen Dorf Erde vernetzen sich bisher disparate Bereiche. So liegt der ganze Reichtum der Religionen dieser Welt heute auf unseren Büchertischen. Übers Internet erreichen wir in Sekunden Quellen, von denen Generationen vor uns nur träumen konnten und wofür sie weit reisen mussten. Was bei Panikhar vor Jahrzehnten durch Familien und Lebenslauf seinen Weg nahm, gerät heute in der „Einen Welt“ in wachsendem Maße zur Grundsituation von jedermann.  Wir sind mit allem in wachsendem Maße verbunden.

 

Dieser Prozess ist anspruchsvoll und spannungsreich. Er braucht mehr als ein Weiterlaufen im alten Geleise. Er erfordert eine enorme, persönliche Integrationsleistung.  Man hört keineswegs auf Christ zu sein, wenn man den Mut aufbringt, dem Herzen einer anderen Religion zu begegnen. Wenn man sich ins Zentrum des Anderen hinein begibt, dann verschwindet man nicht in der Symbiose, sondern kehrt beschenkt und bereichert zurück, zu neuer Identität erwacht. Das bisherige Selbstverständnis geht dabei nicht verloren, sondern wird überschritten, geweitet und gewandelt.

 

Ich bin als Christ gegangen, ich habe mich als Hindu gefunden  und ich kehre als Buddhist zurück, ohne doch aufgehört zu haben, ein Christ zu sein.

 

Raimund Panikhar, in: Der neue religiöse Weg. Im Dialog der Religionenleben, 1990, S. 51

 

 

Multiple religiöse Identität bedeutet keinen billigen Synkretismus

 

Ein anderes meist Wort für multiple religiöse Identität ist die Bezeichnung Synkretismus.  Heute wird sie meist abwertend gebraucht. Synkretismus ist jedoch ein Wachstumsprizip jeder Religion. Synkretismus im Sinne des Schöpfens aus verschiedenen Quellen bedeutet, weder zusammen zu mengen (Eintopf) noch wertvolle Einzelstücke aus Kontexten auszugliedern und sie sich selber anzueignen (Diebstahl).

Vereinfachung wäre ein vorschneller und schlechter Synkretismus. Wir treffen ihn heute in der häufigen Formulierung: Das ist ja doch alles dasselbe! Ohne genaues Hinsehen, ohne wirkliche Begegnung wird alles zusammen gerührt.  Die Unterschiede werden übersehen oder glatt gebügelt. Dabei entsteht ein Eintopf!  

Ebenso billig wäre ein beliebiges Auswählen von schönen, persönlich ansprechenden Einzelteilen aus diversen Quellen. Der Buddha im Vorgarten gehört hierhin. Ein sprechendes Beispiel ist das Herauslösen der Idee der Reinkarnation aus seiner Einbettung. Im Osten ist das Rad der „Wiedergeburt“ eher schlimmes Schicksal, dem man entkommen mag. Um davon Befreiung zu erlangen, müht man sich mit Hingabe, kein schlechtes Karma mehr anzuhäufen. Erlösung besteht darin, nicht mehr wiedergeboren zu werden. Im Westen wird Reinkarnation oft zur trendigen Vorstellung angenehmer Lebensverlängerung, die ganz umgekehrt wie im Osten den Augenblick entwertet,  zum Lebensaufschub einlädt und damit zu einer Haltung führen kann, die Verbindlichkeit auflöst. Synkretistisch leben bedeutet eher, einen wachen Sinn für Gemeinsames und Verschiedenes und eine Aufmerksamkeit für den eigenen Ergänzungsbedarf zu entwickeln: Keine Religion ist bereits am Ende!  Dazu kommt eine große Achtsamkeit für Kontexte, in denen  z.B. Achtsamkeitstrainings ihre Wurzel haben.


 

Die Grunddynamik aller Religionen besteht aus einer gemeinsamen menschlichen Basis

 

Raimund Panikhar spricht davon, dass die Wirklichkeit dreidimensional verfasst ist. Diese innere Gesetzmäßigkeit prägt das Dasein jedes Menschen unabhängig davon, welcher Kultur und Religion er angehört. Diese Konstante ist daher fundamental und universal. Panikhar findet drei  grundlegende und allgemeine Bestimmungen des Menschen. Er spricht von einer onto-triadischen Dynamik: Wie sieht diese triadische Dynamik der Wirklichkeit aus (siehe rechte Spalte)

 

Der Mensch ist ein Wesen der Welt,

ein Wesen der Transzendenz sowie

der Berührung und Konvergenz von „geistiger Ohnendlichkeit“

und „leiblich-weltlicher Endlichkeit.“


„Die dreidimensionale Dynamik von Transzendenz, Immanenz und das mysterium conjunctionis gehört strukturell zum Menschen hinzu. Dieser Dreiklang sucht nach Ausdruck. Das ist ein existentielles Muss und kulturelles Universal.  Der Ausdruck in Bildern und Geschichten, in Riten und heiligen Schriften in Formen und Institutionen variiert. Weltanschauungen und Religionen sind Ausdruck und Ausformung dieser Grunddynamik. Aus der gemeinsamen Grundverfassung wachsen unterschiedliche Deutungssysteme. Die einheitliche Verfassung im Kern wächst sich zu Verschiedenheit auf der Außenseite aus. Manche benennen diese Innenseite auch Spiritualität und die Außenseite Religion, so Sebastian Painadath, SJ in: CIG, 2015 Fastenmeditationen.

 

nach: Bernhard Nitsche, Raimund Panikhar, Multiple Identität (…), S. 62in: R. Bernhardt, P. Schmidt-Leukel (Hrsg.), Multiple Religiösitat –Aus verschiedenen religiösen Traditionen schöpfen, Beiträge zu einer Theologie der Religionen, Bd. 5, Zürich 2008


Christlich wird diese Triade etwa bei Teresa von Avila als „wechselseitiges Einwohnen von Gott im Menschen und vom Menschen in Gott“angesprochen.  Hinduistisch als Schau der dynamischen Verbundenheit in der Erfahrung ganzheitlicher Harmonie. Buddhistisch als Erwachen aus der Illusion der Getrenntheit zur Einheit allen Daseins.

In den verschiedenen Galaxien der Religionen, in den unterschiedlichen Häusern der Sprache wird dieses Ineinander von Mensch und Gott vielfältig und divergend ausgedrückt.  Aus dem Einklang werden Symfonien. Überall klingt es anders. Aber nirgends gibt es einen Ort oder eine Zeit, in der Menschen nicht einen Reim darauf versuchen.  Alle Reime zusammen ergeben ein buntes Muster mit Gemeinsamkeiten und vielen Unterschieden. Es lohnt, sich auf das hin auszurichten, was dem Ausdruck zugrunde liegt.  Wir nennen das Spiritualität und lebendige innere Erfahrung.  Den Ausdruck von Spiritualität kann man Religion heißen.


 

Auf der Ebene der mystischen Erfahrung konvergieren die religiösen Galaxien


 

Der sprachlichen Ausdeutung vorausgehend ist nach Panikhar immer ein mystisches Schauen, eine Art  intuitiven Sehens, ein mystisches Gewahrnehmen, ein erfahrungsmäßiges Offenbarwerden.  Auf dem Weg der Erfahrung finden wir also Gemeinsames, das – sobald wir darüber zu sprechen beginnen - unterschiedlich klingt. Sprache und Gedanken übersetzen die Erfahrung sofort in Verschiedenheit. Daher ist der Weg innerer Erfahrung wesentlich für eine religiöse Identität, die nicht trennt, sondern eint. Auf dem inneren Weg können wir selbst das vordergründig Fremde als wesentlich Eigenes finden und – weil wir es erfahren – auch integrieren. Innere Erfahrung entstammt einer höheren Komplexität. Diese weitet, was Sprache und Rationalität einengen und Geschichten und Bilder so oder eben ganz anders ausdrücken. Erfahrung eint, Ausdruck von Erfahrung trennt.

 

Christlich gesprochen: Aus der Erfahrung des „Seins in Gott und in Christus“entstehen weiterführende und gemeinsame Perspektiven, welche Theologie und Schriften uns für sich alleine genommen nicht erbringen. In der Wesenserfahrung der Kontemplation erschließt sich Schrift als verbindende Kraft und entfaltet sich Theologie als fruchtbringende Wirklichkeit. Für einen solchen Weg müssen wir die Einseitigkeit und Begrenzheit auf die rationale oder seelische oder leibliche Realität überschreiten, hin zur ganzheitlichen Wesenserfahrung, die Gott uns zu schenken imstande ist. Wir brauchen hierfür eine integrierende Spiritualität, welche im Westen vor allem den Weg des Leibes mit einbeziehen muß.

 

Erfahrungsorientierung als Weg   -  Von innen nach außen leben

 

Mit dem Wort Spiritualität benennen und kommunizieren wir eine Wirklichkeit, die sich dem direkten Zugriff entzieht. Spiritualität überschreitet die Enge und Eindimensionalität der auf Technik und Rationalität setzenden Moderne mit Blick auf ein unverfügbares Geheimnis und eine vorgegebene Würde allen Lebens.

Geheimnis und Würde des Lebens buchstabieren sich für viele Menschen oft nicht mehr klassisch konfessionell. Daher ist das Wort „spirituell“ auch dabei, aus dem religiösen Feld der Kirchen in die säkulare und postmoderne Wirklichkeit auszuwandern. Dort bezieht sich Spiritualität auf die subjektive Innenwelt des einzelnen Menschen. Darin erfährt sich der moderne Mensch als eigen und einzigartig. Ich bin Subjekt und mein Inneres ist Ort ganz eigener und reicher Erfahrungen. Solche Erfahrungen tragen das Signum der Authentizität. Ihnen vertraut man. Sie sind verbindliche, sinnentwerfende Instanz. Man kann sie kommunizieren. Sie schaffen neue, äußere Realität.

Hielt man sich früher vertrauensvoll an äußere Vorgaben, die man zu verinnerlichen suchte, so wächst das neue Soziale eher aus dem Ernstnehmen authentischer Erfahrung innerer Räume. Institutionen, die der Spiritualität in diesem Sinne Raum geben, werden merken, wie es sich auch außen abzubilden beginnt. Solche Spiritualität  ist strukturbildend.  Umgekehrt verkümmern Religionen, wenn sie sich im Modus äußerer Vorgaben fixieren, ohne sich der Mühe inneren Lernens zu stellen. Mancher geht lieber mit  „Autoritätsprothesen“(Teresa von Avila, Kirchenlehrerin) durchs Leben, als dass er wirkliche Autorität gewinnen möchte.

 

Wie begegnen wir dem Paradigmenwechsel (siehe rechte Spalte!) 

 

Es braucht heutzutage Raum und Ermutigung, zu sich selbst zu kommen. Dem Geheimnis des Lebens, der Würde des Daseins kann man selber begegnen. Solche Wirklichkeiten bewahrheiten sich im Experiment der Erfahrung. Dazu braucht es mehr Stille und weniger Aufforderungen zum Glauben, mehr offene Räume zur Selbstbegegnung und Selbsterfahrung und weniger Worte, mehr innere Offenheit und Durchlässigkeit und weniger äußere Rubriken und Rituale. Das bedeutet, Erfahrungsräume zu eröffnen, keine x-beliebigen, die irgendwie schön sind, sondern anspruchsvolle und herausfordernde, in denen das Geheimnis von alleine zu sprechen und zu wirken beginnt. Räume ohne ablenkendes Dekor. Das bedeutet, darauf zu vertrauen, dass Gott für sich selber sorgt. Was spricht dagegen, dass Gott sich neu erfindet und die Christuswirklichkeit sich heute von sich aus Wege bahnt, die Petrus nicht kennen kann? Vielleicht braucht es dazu weniger laute Verkündigung und mehr kundige Leere. Die Zeit scheint vorbei, in denen man Menschen Gott vorhalten kann. Aus dem vorgegebenen Halt darf Vertrauen aus innerer Vergewisserung werden. Die Zeit der Events geht zu Ende, und die Zeit der Invents hat begonnen. Von innen dürfen wir finden und uns finden lassen, statt auf Antworten von außen zu setzen. Die Ethik der Appelle weicht der Freude gut zu sein. Religion bildet sich in ganz neue Gestalten um.

 

Eckhard Frick, SJ, „Spiritual Care – nur ein neues Wort?“,

in: Lebendige Seelsorge 4/2009, Seelsorge und Spiritualität ( S.233-236)

Erhard Weiher, „Seelsorge und Spiritualität“

Ebenda, S. 218-223


 

Zen und  Christsein


 

Wir können heute im Westen ein großes Interesse an religiöser Erfahrung spüren und eine neue Suche nach einer persönlichen, spirituellen Praxis bemerken. Kein Wunder, dass gerade der Weg Zen-Buddhismus anzieht. Zazen als ein reiner Erfahrungsweg trifft auf ein Bedürfnis und findet Nachfrage.  „Der Fromme von morgen wird ein Mystiker sein, einer, der etwas erfahren hat, oder er wird nicht mehr sein,“ so die Vision Karl Rahners.  Doch wo treffen wir in der westlichen Mystik einen entwickelten Weg des Leibes, der unser Leben zu vertiefen hilft, einen Weg, der uns als ganze Menschen mitnimmt, einen Weg, den viele gegangen sind und mit ihrer eigenen Erfahrung nun andere auf dem Weg begleiten können. Das Christentum hat viele Mystiker hervorgebracht, aber keine konkrete Übungspraxis entwickelt, die man lernen kann. Im Zazen finden Menschen ein ganz elementares und doch reich entwickeltes Werkzeug, ihr Menschsein und Christsein zu vertiefen.  Zazen füllt eine wirkliche Lücke des Westens.  Doch weit darüber hinaus führt uns Zazen ins Zentrum einer anderen Religion, ins Herz des japanisch geprägten Zen-Buddhismus.

 

Ruben Habito, ein Jesuit beschreibt seinen Weg im Zen so:

 „Ich kam zum Zen auf der Suche nach meinem wahren Selbst, und die Erfahrung auf der Suche nach meinem wahren Selbst (…) war gleichzeitig die Verwirklichung meines totalen Nicht-Seins. Und doch ist die Erfahrung meines totalen Nicht-Seins aus einem anderen Blickwinkel auch die Entdeckung einer belebenden Welt der Gnadenfülle. (…) „Wer kann begreifen, welches die Breite und die Länge und die Höhe und dieTiefe ist“ und „auch die Liebe Christi erkennen, die alle Erkenntnis übertrifft.“ ebenda, S.178

 

Die Vereinbarkeit der Zenpraxis und des Christseins beschreibt ein Palottiner so: Im Zen treffen wir auf eine Jahrhunderte alte Tradition der Versenkung. Sie basiert auf der nach langem Sitzen geschenkten Erfahrung des Buddha, dass alle Wesen erleuchtet sind. In unsere Sprache übersetzt heißt das: Die absolute Wirklichkeit leuchtet in allem auf, was ist. Jedem Menschen ist es grundsätzlich möglich dies zu erkennen und in seinem Leben zu realisieren.

 

„Zen in dieser Sichtweise ist keine Religion, sondern eine Tiefendimension, ein Transzendenzbohrer, der sich an jegliche religiöse Motivation anlegen lässt. Zen führt über die Ruhe des aufgerichteten Leibes, das Lassen der Gedanken zu einer Seins- und Einheitserfahrung, die jeder nach seiner eigenen religiösen Prägung benennen wird. Sie ist zunächst religiös neutral. Ein Christ wird sie vielleicht nennen mögen: „Christus in allem“.  

 

in: Paul Rheinbay, Wieviel Zen verträgt das Christentum, S.33, Anzeiger für die Seelsorge.


 

 

 

 

 

 

 

Februar 2015

 

Abendimpuls 25.02.2015


 

"Leiblichkeit ist das Ende der Werke Gottes."

Christoph Oetinger,